| 60 | 𝐌𝐢𝐥𝐞𝐬

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Bei unseren Motorrädern angekommen, setzten wir unsere Helme auf und ich überließ Alec die Führung. Meine Orientierung war ja nicht die Beste.

Unerwartet langsam fuhr er durch die Innenstadt. Es drängte mich fast schon dazu, ihn zu überholen. Nur tat ich dies nicht. Sein Unfall war noch nicht allzu lange her und vielleicht steckte der Schreck ihm noch in den Knochen. So nahm ich das Tempo einfach hin und überlegte stattdessen, wer derjenige sein könnte, der uns gegeneinander aufbringen wollte.

Klar war, dass er es auf die Geschäfte abgesehen hatte. Außerdem musste er sehr gut informiert sein. Über beide Gangs.

Ein Hupen riss mich aus meinen Gedanken und ich schreckte auf. Vor Überraschung sah ich nach oben und erblickte die grüne Ampel. Ups. Eilig fuhr ich los und überholte ein Auto, welches sich zwischen Alec und mir eingereiht hatte. Ich war mir sicher, dass der Blonde vor mir mich gerade auslachte, da er in den Spiegel sah.

Der Weg dauerte ziemlich lange und ich langweilte mich die ganze Fahrt über nur. Am Vormittag war der Verkehr besonders schlimm und wir hatten noch ein ganzes Stück nach der Stadt vor uns.

Als wir dann endlich das Weingut sahen und die dahinter versteckte Halle, hellte sich meine Miene auf und ich seufzte erleichtert, „Endlich." Nur konnte ich nicht ein Bike vor dem Gebäude sehen. Seltsam. Ich hielt neben Alec an und wir beide blickten uns um. Gespenstig still war es hier. Anders als sonst, waren wir komplett allein. Auch das Tor ließ sich nicht öffnen.

„Na toll! Voll umsonst!", schimpfte Alec frustriert.

„Seit wann ist hier überhaupt niemand mehr? Ich dachte wir haben immer jemanden, der aufpasst", wollte ich irritiert wissen.

Mein Gegenüber setzte sich mit dem Rücken an die Hallenwand und erklärte. „Seit Loans und Johns Tod hat Jackson die Wachposten abgeschafft. Stattdessen schließt er nur noch ab. Immerhin ist die Halle ausreichend versteckt.

Ich nickte nur und setzte mich neben ihn. Mit dem Fuß fing ich an, kleine Steine weg zu kicken und so langsam wurde mir unter der grellen Sonne ziemlich heiß. „Wer hat denn überhaupt alles einen Schlüssel? So viele könnens ja nicht sein", murmelte ich.

Alec schnaubte. „Bis auf Jackson haben noch Matt und Nero einen."

„Und warum Ryan nicht?"

„Der hat seinen verbummelt", meinte der Blondhaarige und schloss entspannt die Augen. „Außerdem gab es nur wenige Schlüssel und die gibt man lieber jemanden, der pünktlich ist."

Gereizt wegen der unerträglichen Hitze stand ich wieder auf. Es wehte zwar ein leichter Wind, aber nur hin und wieder und auch nicht stark genug.

„Soll ich vielleicht jemanden anrufen?", schlug ich vor.

Doch Alec schien nicht reden zu wollen. „Wen denn?"

„Na, keine Ahnung! Irgendjemanden. Jackson?" Mittlerweile lief ich im Kreis und trat das wenige Gras platt.

Amüsiert lachte Alec auf. „Und du glaubst ernsthaft, nur weil du anrufst, kommt er sofort?"

Mein Geduldsfaden war endgültig gerissen und ich lief zu meiner Yamaha, um aus meinem Rucksack die Wasserflasche zu holen. Provokant trank ich sie vor Alecs Augen. Nur interessierte es ihn gar nicht.

Ich sah zu einem der Bäume weiter weg. „Hat Jackson dir eigentlich auch das Schießen beigebracht?"

Jetzt schien sogar Alec genervt. „Nein."

„Nicht? Und warum hat er dann mich trainiert?"

„Weiß ich doch net!", knurrte der Sitzende. Seine blauen Augen öffneten sich einen Spalt und funkelten mich sauer an. „Er gibt dir sowieso eine Extrabehandlung."

Beleidigt senkte ich den Kopf. „Tut er nicht."

„Oh doch, das tut er!" Alec grinste. „Hast du nicht mitbekommen, dass du nie Ärger kriegst? Du darfst öfter gehen, er hat dich als einzigen persönlich trainiert und er hat dich sogar mit in seine Wohnung genommen."

„Woher weißt du das Alles?", entfuhr es mir.

Er zuckte unschuldig mit den Schultern. „In der Gang spricht sich Einiges rum."

Dann plötzlich hörten wir ein entferntes Motorengeräusch. Sofort sahen wir einander an und Alec stand auf. Endlich kam mal jemand! Es dauerte auch nicht lang, da erschien das besagte Motorrad. Die blaue GSX unseres Betas. Genau vor uns hielt er an und nahm seinen Helm ab. Überraschung blitzte in seinen Augen auf, doch schnell fasste er sich. „Was macht ihr denn hier?"

„Strafstunden", sagten wir fast zeitgleich.

Nero schien nicht begeistert. Gestresst fuhr er sich durch die weißen Haare und überlegte. „Na schön, kommt mit."

Nachdem er die Halle aufgesperrt hatte und wir endlich ins kühle Innere konnten, war ich mehr als froh. Meinen Helm und Rucksack legte ich auf eine Ablage am Rand. Alec tat es mir gleich und erwartungsvoll sahen wir zu Nero.

„Hat Jacks euch schon erzählt, was ihr machen müsst?", verlangte er zu wissen.

Ich schüttelte mit dem Kopf und Alec meinte. „Er hat nur was von Extraarbeit erzählt."

„Ich dachte Die wäre erst am Nachmittag", fauchte der Weißhaarige gereizt. Etwas stimmte nicht mit ihm. Normalerweise nahm er nichts ernst und war locker drauf. Manchmal zu locker. Doch heute lag deutlich Anspannung in der Luft.

Nervös sah Alec zu mir. „Ja, aber wir dachten wir könnten die jetzt schon absetzen."

Der Beta sah uns lange an. „Ach, meinetwegen, aber ich muss nachher nochmal weg, ich komm erst heute Abend wieder und dann hoffe ich für euch, dass ihr die Zeit genutzt habt." Wieder ein Nicken. „Ok, ihr werdet die Munitionen hier hinten sortieren und anschließend die Waffen reinigen", erklärte er uns. „Wenn ihr fertig seid und ich nicht zurück bin, dann habt ihr Pech und müsst hierbleiben. Bis dann."

Damit verschwand er und ließ uns zurück. Es gab ja echt nichts Besseres als Waffen sauber zu machen und deren Munition zu sortieren. Vor allem, weil ich davon gar keine Ahnung hatte.

„Hast du eigentlich eine Waffe, Alec?"

Verwirrt sah er mich an. „Klar, du nicht?"

Ich schüttelte mit dem Kopf. Die musste ich mir erst noch verdienen. Das Schießen klappte zwar super und ich konnte mit der Waffe umgehen, nur besaß ich noch keine eigene. Nur zum Training die von Jackson. Und selbst die musste ich immer wieder abgeben. Verständlich, Jackson vertraute mir noch nicht ausreichen. Aber eine Schusswaffe sollte ich in diesem Business definitiv besitzen. Vor allem, wenn sich die Dinge so entwickelten, wie im Moment.

RIDERS ~ Burn For ThisWhere stories live. Discover now