| 24 | 𝐌𝐢𝐥𝐞𝐬

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Verwirrt und neugierig lief ich zu meiner blauen Yamaha und fuhr vor die Halle. Dabei genoss ich zugegeben die Blicke, die meinem Motorrad zugeworfen wurden. Nach kurzer Zeit kam neben mir ein schwarzes Motorrad zum Stehen. Es hatte wie meine Yamaha eine goldene Telegabel und zudem ein Hydra Kennzeichen, weiße und rote Aufkleber und war vollverkleidet. Ich traute meinen Augen kaum. Eine MV Agusta F4 RR.

„Na, gefällt sie dir?", wollte Jackson wissen, der seinen Helm richtete, der mit seinem Rot nicht ganz dazu passte. Sofort nickte ich. „Ich hab sie erst gestern Nachmittag von einem Kollegen aus El Cajon gekauft. Zwar vermisse ich meine Ducati, aber sie hat echt was drauf", erzählte er stolz und klopfte kurz an den Tank, als wäre es ein Pferd.

Verwundert lachte ich auf. „Wie ging das denn so schnell?"

„Wenn man die richtigen Leute kennt, geht das und illegal sowieso", erklärte er und zog sich seine Handschuhe an. Mit seinem Grinsen gab er mir zu verstehen, dass der Kauf mit Sicherheit nicht legal war und der Vorbesitzer sie wohl auch nicht auf die legale Art und Weise erworben hatte. „Die Schönheit hat 201 PS und kommt von null auf hundert in 2,9 Sekunden. Lust, sie mal in Aktion zu sehen?" gab Jackson an und spielte bereits am Gas. Das war ohne Zweifel eine Herausforderung für ein Rennen. Die anderen Jungs jubelten schon und mir blieb wohl keine andere Wahl.

„Na schön, aber ich bin mit Sicherheit schneller in Stadt", zog ich ihn auf und klappte mein Visier runter. Ein dunkelblonder Junge trat vor, um uns das Startzeichen zu geben. Was den Sieg betraf war ich mir sehr sicher. Die Agusta war nicht so wendig wie meine, was hier oben nicht von Vorteil war und Jackson musste sich erst noch an sie gewöhnen.

Das Signal zum Start kam und wir beide fuhren, mit Vollgas und ordentlich viel Qualm los. Schnell übernahm ich die Führung und hängte ihn schon in der ersten Kurve ab. Meine NOS Flaschen waren leider leer, aber die würde ich auch nicht brauchen.

Natürlich war es kein offizielles Rennen, aber der Sieg war mir dennoch wichtig.

Also nutzte ich die freie Landstraße und fuhr die Maschine bis zum Anschlag. Kein Gegenverkehr, nur freie Straße und die Dunkelheit der Nacht. Die 260 km/h fühlten sich befreiend an und weckten längst vergessene Erinnerungen. Schmunzelnd bemitleidete ich die Gäste des Weinguts, die eine erholsame Nacht vergessen konnten.

Jackson fuhr deutlich zögerlicher als sonst. Er kannte das Motorrad noch nicht gut genug und die Strecke war auch neu. Offenbar war ich Risikobereiter. In der Stadt jedenfalls schaltete ich einen Gang runter und wartete, bis er aufgeholt hatte. Dann hielt ich am Straßenrand an, er ebenfalls.

„Ich hab's dir ja gesagt. Deine MV Agusta hatte keine Chance", triumphierte ich zufrieden durchs offene Visier und grinste breit.

Statt über seine Niederlage sauer zu sein, suchte er lieber nach Ausreden. „Du weißt, dass das Rennen unfair war. Die Straße war viel zu eng und zu kurvig. Außerdem war sie nicht mal eingefahren und ich hatte noch keine Zeit sie ordentlich tunen", verteidigte er sich.

Doch ich ließ mich nicht beirren. „Spar dir deine Ausreden. Das Rennen war schließlich deine Idee." Ich verschränkte die Arme vor der Brust und zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Du bist einfach ein schlechter Verlierer."

„Irgendwann werde ich dich schon noch schlagen, Miles, verlass dich drauf", prophezeite er, was ich mit einer einfachen Handbewegung abtat. Da sollte er sich mal ein anderes Motorrad holen. „Außerdem sind wir hier, weil ich dir etwas zeigen wollte", wechselte er das Thema.

Ich schwieg und sah ihn erwartungsvoll an.

„Du weißt doch noch, was ich dir über die Grenzen erzählt hab?", wollte er wissen und sofort nickte ich. „Dein Motorrad ist zwar noch nicht gekennzeichnet, aber da du nun zu uns gehörst, musst du dich an die Grenzen halten. Von um zehn abends bis um fünf morgens darfst du das Revier der Serpens nicht betreten und unsers bestenfalls nicht verlassen."

Das leuchtete mir ein, nur gab es da ein Problem. „Ich wohn aber-"

„Ich weiß", unterbrach mich Jackson. „Du wohnst in ihrem Revier, das könnte zum Problem werden. Allerdings liegt die Hawthorn-Street am Rande ihres Reviers und sie haben sich nie groß dafür interessiert, wenn du einen kleinen Umweg fährst und meistens Tagsüber unterwegs bist, dürfte alles passen", meinte er ruhig. „Außerdem ist die Chance, dass sie dich mal erwischen, nun wirklich nicht sehr groß."

„Na dann..." Ich beendete den Satz nicht.

Jackson hingegen spannte sich leicht an. „Eigentlich hatten wir immer Waffenstillstand und sind uns aus dem Weg gegangen, aber so, wie sich die Dinge entwickeln, solltest du definitiv vorsichtig sein."

Ich musste schlucken. Es gab wohl keinen besseren Zeitpunkt einer Gang beizutreten, als wenn sie gerade vor einem Bandenkrieg stand. Und das allerbeste an der Sache war, dass ich Ruby und meinen Onkel alles verschwieg und er dazu noch Polizist war, was wiederum die Hydra nicht wissen durfte. Und sollte ich Ruby deswegen verletzen, würde Ryan mich vermutlich umbringen. Also ja, ich sollte meine Schritte weise wählen.

„Ich will dir heute Nacht die Reviergrenzen zeigen. Das kann man nie früh genug machen. Du musst wissen, wo unser Revier zu Ende ist und die Grenzen einhalten. Private Dinge sind da egal", erklärte er geduldig.

Wieder nickte ich nur. Von jetzt an würde ich mein Leben umstrukturieren müssen und auch, wenn das jede Mange Arbeit war, so freut ich mich auf die nächste Zeit.

Also fuhr ich Jackson langsam hinterher, der mit mir die Grenzen abfuhr. Zischen durch gab es auch größerer Stadtteile, die offenbar niemanden interessierten. Ansonsten waren die Reviere mit roten und grünen Symbolen markiert. Für Unwissende uninteressant. Tücher an Laternen, Graffiti, Straßenzeichen, Markierungen auf Straßen und Hauswänden zeigten jeweils die Grenze. Rot für die Serpens und Grün für die Hydra.

Die Grenze war ziemlich lang und die Zeichen waren bei schneller Fahrt schwer zu erkennen. Und vor allem, war nicht alles, was Rot oder Grün war, eine Markierung. Es würde ne ganze Weile dauern, bis ich das Gebiet vollkommen kannte. Mein Revier. Es klang irgendwie surreal. Und dennoch war es ab jetzt so. Was mein Onkel wohl dafür tun würde, für die Infos, die ich nach wenigen Tagen hatte?

Respekt vor den Serpens hatte ich allemal. Theoretisch könnten wir an die Polizei auch einen anonymen Tipp geben. Nur wollte Jackson, dass wir das unter uns klärten. Sein Gesicht sah jedenfalls wieder besser aus, es war wohl kein Vergleich, zu sonstigen Verletzungen.

Am Ende fiel ich todmüde ins Bett. Jackson musste mit mir ja auch zwei Mal die Grenzen abfahren. Er meinte, das würde mir beim Einprägen helfen. Vielleicht wollte er mich auch nur Ärgern wegen der Niederlage. Mein Blick fiel auf mein Handy. Es war schon nach drei Uhr. Müde schloss ich die Augen und schlief schnell ein.

RIDERS ~ Burn For ThisWhere stories live. Discover now