| 27 | 𝐌𝐢𝐥𝐞𝐬

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Es klingelte eine ganze Weile, doch Ruby nahm nicht ab. Nach drei Anrufen dämmerte es mir, sie hatte noch Schule. Genauso wie ich eigentlich.

Das hieß dann wohl, dass ich mir wieder eine Ausrede einfallen lassen musste, warum Alec und ich am selben Tag fehlten. Ich steckte mein Handy wieder in meine Tasche und warf einen Blick in die Halle. Alec hatte das Außengelände übernommen und ich war hier drinnen bereits fertig. Vor fünf Minuten war Jackson wieder aufgetaucht und nun betrat er mit einem zufriedenen Grinsen die Halle. konnte ich mir auch denken, er musste ja keinen Finger rühren.

„Miles, Alec kommt ihr?", fragte uns der Schwarzhaarige und sofort gingen wir zu ihm. „Alec, du bist heute entlassen und Miles, wir haben noch etwas zu besprechen."

Ich nickte nur und er warf mir einen aufmunternden Blick zu. Also war es schon mal nichts Schlimmes. Schnell schloss er die Halle ab und Alec machte sich erleichtert auf den Weg zu seiner Maschine. Jackson und ich gingen ebenfalls zu den Motorrädern und mein Blick fiel auf seine MV Agusta. Sie war etwas heller, als ich gestern Nacht dachte und sah wirklich sportlich aus.

„Fahr mir einfach hinterher", wies Jackson an und ich nickte.

Ohne halsbrecherisches Tempo fuhren wir wieder zur Stadt und dort schlug Jackson dann eine Richtung ein, die mir neu war. Down Town. Eines der reicheren Touristenviertel, bekannt für unglaubliche Clubs und Bars. Eine Wohnung hier in der Innenstadt war kaum bezahlbar und es wunderte mich nicht, dass Jackson wohl hier wohnte. Die Reviere der beiden Gangs hatten Down Town selbstverständlich mit einbegriffen. Nur wusste ich noch immer nicht genau, wo die Grenze war. Jacksons Wohnung war aber mit Sicherheit auf der Hydra Seite.

Vor einem der riesigen Gebäude verlangsamte er seine Geschwindigkeit und fuhr in eine Tiefgarage. Dort stellte er sein Bike ab und ich tat es ihm gleich. Mit dem Fahrstuhl ging es dann einige Stockwerke hoch und als sich die Tür öffnete blieb mir die Spucke weg. Alles sah so edel und hoch modern aus. Fast schon, wie in einem Penthaus. Das Geschäft warf wohl mehr ab als gedacht. Sein Apartment hingegen war recht unpersönlich eingerichtet.

„Und, wie gefällts dir?", wollte Jackson wissen und wieder lag etwas angeberisches in seiner Stimme.

Ich antwortete nicht, mein Blick war genug. Die Panorama Aussicht war einfach gigantisch und es war etwas völlig neues San Diego so zu sehen. Die ganze Wohnung war der Hammer. Aber so langsam stellte sich mir die Frage, wieso er mir die Wohnung zeigte. Wollte er nur angeben? Oder wollte er mir zeigen, wie weit ich es mit der Gang schaffen und wie viel Geld und Luxus ich dadurch bekommen könnte? Als Motivation.

„Wie kannst du dir sowas leisten?", rutschte es mir heraus und Jackson sah mich belustigt an.

„Die Wohnung finanzieren meine Eltern", meinte er trocken. „Sie haben ein großes Unternehmen und sind wohl der Meinung, ich würde es nicht alleine schaffen. Immerhin hab ich in ihren Augen noch immer keinen Job", entgegnete er. „Es ist nett von ihnen und dadurch spare ich ein Haufen Geld, aber ich bin nicht darauf angewiesen. Sie hoffen darauf, dass ich irgendwann bei ihnen mit Nero einsteige", lachte er. „Von der Hydra wissen sie nicht und das soll auch so bleiben."

Ich sah wieder zu ihm. „Und was willst du ihnen dann in paar Jahren sagen?"

„Keine Ahnung" Er zuckte mit den Schultern. „Ich leb im Hier und Jetzt. Was das Geld betrifft. Das wird bei uns pro Auftrag ausgezahlt. Wenn du also aktiv bist und dich reinhängst, kannst du schnell aufsteigen und ne Menge Kohle machen, das Risiko ist dann natürlich aber auch höher."

„Dachte ich mir schon", gab ich nur von mir und sah wieder aus dem Fenster. Wir alle führten ein Doppelleben. Ich wusste nur noch nicht, wer es schwerer hatte. Jackson, mit seinen Schnöseleltern oder ich, mit meinem Polizistenonkel.

Jacksons Mundwinkel zuckten kurz unmerklich und plötzlich drehte er sich hastig um. „Komm mit." Sofort folgte ich ihm in ein kleines Nebenzimmer, wo Jackson mir ein Foto gab. „Hier", sagte er.

„Wer ist das?" Ich sah mir das Foto genau an und strich sacht mit dem Daumen drüber. Der junge Mann hatte dunkelblonde Haare, grünliche Augen und sah von seinem Kleidungsstil eher recht schick aus. Er erinnerte mich stark an jemanden, ich wusste nur nicht an wen. Die Gesichtszüge und der Blick, irgendwoher kannte ich den.

Jackson wandte sich ab und suchte etwas in einer Schublade. „Das ist Conner, 22 Jahre alt und Beta der Serpens. Wenn du dich morgen als Kunde ausgibst, kommst du mit großer Wahrscheinlichkeit zu ihm. Er regelt die ganzen Geschäfte." Jackson sah über seine Schulter zurück zu mir. „Und ihm gehört die Waffe, die wir in der Halle gefunden haben."

„Verstehe. Was ist mit ihrem Anführer?", wollte ich wissen.

„Den wirst du mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu Gesicht bekommen. Er ist selten da und fährt auch keine Straßenrennen." Jackson schien gefunden zu haben, wonach er gesucht hatte. In seiner Hand war ein kleiner Zettel, den er mir überreichte. „Den wirst du morgen Conner geben. Das ist die Liste der Drogen, die du morgen kaufen willst. Du bist aber kein Drogenjunkie, sondern nur ein Bote."

Ich sah mir den Zettel an. Crack-Kokain, Heroin, Nikotin und Crystal Meth. Jackson wollte ja gleich aufs Ganze gehen. Kurz atmete ich durch. „Wann soll ich zu ihm?"

„Morgen Abend, vergiss die Nachtsperre nicht. Am besten wäre neun Uhr. Du musst allein dorthin, schließlich darfst du nicht mit uns gesehen werden. Weißt du noch, wo der One America Plaza ist?" Ich nickte, wie könnte ich den auch vergessen? „Conner ist mit großer Wahrscheinlichkeit dort und dann kannst du die Bestellung aufgeben", erklärte er mir mit ernstem Blick.

„Was wenn sie mir misstrauen oder mich schon kennen? Schließlich war ich beim Straßenrennen und bin mit euch nicht gerade unauffällig durch die Straßen gefahren", fragte ich mit ungutem Gefühl nach.

Jackson schien kurz nachzudenken und seine Augen wurden dunkler. „Das wird nicht passieren. Sie brauchen jeden Kunden und wir fahren ja auch Rennen mit Leuten, die zu keiner Gang gehören. Deine Maschine ist ja auch noch nicht gekennzeichnet", erklärte er mir. „Um neun sind die Grenzen noch offen, sollte es also Probleme geben, dann ruf mich an und Matts Nummer hast du ja auch noch." Er überreichte mir noch einen Zettel mit seiner Nummer und ich steckte sie mit zu dem anderen Zeug in die Jackentasche.

Dann verließen wir die Wohnung wieder und Jackson brachte mich bis runter in die Tiefgarage, wo ich auf meine Yamaha stieg.

„Pass auf dich auf, Miles! Die Serpens sind weitaus gefährlicher als wir und zögern nicht, wenn es darum geht zu töten!", meinte er mit scharfer Stimme.

„Die Hydra doch auch nicht", gab ich zurück und war mir ziemlich sicher, dass Jackson bei Erpressungen schon des Öfteren jemand übers Knie gelegt hatte.

Sein Gesichtsausdruck war unmöglich zu deuten. „Du bist aber total unerfahren und hast keine Waffe."

„Das lässt sich ändern."

„Noch nicht. Erstmal trainieren wir", lachte er. „Fahr jetzt nach Hause und bereite dich auf Morgen vor." Das war das Letzte, was er sagte, dann ging er zurück zum Fahrstuhl und ich verließ die Tiefgarage.

RIDERS ~ Burn For ThisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt