48. Unangenehme Anspannung

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„Guten Morgen", El lächelte breit und stieg fröstelnd in mein Auto. „Dein Timing ist perfekt."

„Morgen", seufzte ich nur. „Und ja; Ich wäre der perfekte geheime Freund."

Sie lachte auf und schmiss ihre Schultasche auf den Rücksitz. „Erzähl doch mal. Wie geht es ihm? Ist er schon wach?"

Kopfschüttelnd antwortete ich: „Nein, aber ich brauche nur fünf Minuten die Straße runterfahren und dann sind wir auch schon da."

El verdrehte die Augen. „Okay, Sir."

Wirklich — nichtmal drei Minuten später parkte ich bereits vor unserem Haus. Sie sprang natürlich direkt voller Aufregung aus dem Wagen und hüpfte praktisch zur Haustür. Ich war ihr wohl zu langsam, weil sie mich vernichtend beobachtete, bis ich endlich neben ihr stand.

„Quälst du mich absichtlich, Carter?"

Seufzend ließ ich sie ins Haus. „Du bist leicht aus der Fassung zu bringen. Wirklich viel muss man dafür nicht tun."

„So gut siehst du jetzt auch nicht aus", erwiderte sie nur.

Ich zog eine Augenbraue hoch. „Das war nichtmal ansatzweise gemeint."

Jetzt stieg ihr eine niedliche Röte in die Wangen. Sie verriet sich immer selbst.

„Sei einfach leise", grummelte El nur und befreite sich aus ihren Stiefeln und den fünfzig Jacken die sie trug, bis eine zierliche, kleine Göre übrig blieb. Hastig eilte sie die Treppen hoch, um sich vor meinem amüsierten Blick zu retten.

Ich folgte ihr schweigend und schloss die Zimmertür hinter mir. Amor war nicht da, aber es kamen Geräusche aus meinem Bad, die darauf deuteten, dass er sich gerade frisch machte. El hatte es sich natürlich auf meinem Bett gemütlich gemacht und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Ich setzte mich dazu und seufzte.

Sie ignorierte mich erst und sah mich dann nach ein paar Sekunden, in denen ich sie angestarrt hatte, an. Schweigend streckte sie ihre angewinkelten Beine über meinen Schoß aus und sagte anschließend etwas Unerwartetes: „Warum tun wir so, als wäre da nicht diese merkwürdige Anspannung zwischen uns seit dem Vorfall auf der Party?" Frech streckte sie dann die Zunge heraus und deutete auf ihren eigenen Schoß – als hätte ich Hilfe nötig, mich daran zu erinnern.

„Ähm... Weiß nicht. Wie kommst du drauf?"

„Du bist irgendwie so... anders. Zu mir. Tut es dir weh, dass du mir gegenüber einmal aufrichtiges Interesse gezeigt hast? Und das auch noch ohne mich dabei auf der anderen Seite zu beleidigen, damit dem Ganzen die Ernsthaftigkeit genommen wird! Oder verletzen dich die ehrlichen Komplimente mit denen du mich praktisch überhäuft hast, aber an die du dich nicht mehr erinnern kannst, mehr?"

Etwas verwirrt runzelte ich die Stirn. „Elaine... Ich weiß nichts mehr von all dem. Kann doch sein, dass ich dich angegeiert habe und das finde ich auch nicht schlimm, oder sonst was. Aber wenn man mit jemandem ein intimes Erlebnis teilt, an das man sich überhaupt nicht erinnern kann, dann fühlt man sich halt etwas merkwürdig. Ist doch nur normal, dass sich das auch auf mein Verhalten auswirkt." Ich pausierte kurz und riss mich dann zusammen: „Ganz ehrlich? Ich wünschte echt, ich hätte die dummen Drogen nicht genommen, denn erinnern würde ich mich wirklich gern."

Meine Ehrlichkeit schien sie zu überraschen. Ich hatte selbst nicht unbedingt damit gerechnet, heute über dieses Thema zu sprechen, aber ich konnte verstehen, warum es sie noch bedrückte. Meine Taktik war es eher die ganze Sache zu verdrängen, wenn ich mich schon nicht erinnern konnte, aber jeder ging anders mit sowas um. Ob jedoch viele sich wegen exakt solchen Dingen wie wir den Kopf zerbrechen mussten... Das bezweifelte ich sehr.

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