13 Reasons Why

By _Roxana_Tomlinson_

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Abigail Johnson und Hannah Baker waren Freundinnen gewesen, jedoch schien diese Freundschaft nur oberflächlic... More

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Kassette 7, Seite A
Das erste Polaroid
Zwei küssende Mädchen
Die betrunkene Schlampe
Das zweite Polaroid
Die Kalkmaschine
Das Lächeln an den Docks
Das dritte Polaroid
Das kleine Mädchen
Die fehlende Seite
Lächeln, Bitches
Bryce und Chloe
Die Kiste Polaroids
Bye
Wo ist Bryce?
Wer atmet, ist ein Lügner
Gute Menschen sind nicht von schlechten zu unterscheiden
Wütend, jung und männlich
Niemand ist sauber
Man kann andere anhand ihrer Trauer beurteilen
Mit Abigail Johnson gibt es eine Reihe von Problemen
Sogar an einem guten Tag lässt sich schwer sagen, wer auf deiner Seite ist
Immer auf die nächsten schlechten Nachrichten vorbereitet sein
Der Kreis wird kleiner
Da gibt es etwas, das ich dir nicht erzählt habe
Und dann kam das Unwetter
Lass die Toten die Toten begraben
Campus-Tour
Valentinstag
Abschluss-Camping
Hausparty
Donnerstag
Vorstellungsgespräch am College
Angenommen/abgelehnt
Abschlussball
Positiver Einfluss

Winterferien

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By _Roxana_Tomlinson_

Es stellt sich eine Frage: Wirst du die Highschool überleben? Werde ich überleben? Denn ich kenne zu viele Leute, die es nicht geschafft haben. Ich habe manchmal diesen Traum. Justin weckt mich und sagt mir, dass Monty nicht tot ist, sondern lebt. Dann fahren wir ins Gefängnis, um mit ihm zu sprechen. Monty macht mir Vorwürfe, sagt, alles sei meine Schuld und dass ich statt er in dem Gefängnis sitzen sollte. Weil wir ihm einen Mord angehängt haben, den er nie begangen hat. Ich entschuldige mich bei ihm, erkläre ihm, dass ich dachte, er sei tot, doch nichts ändert sich an der Tatsache, dass wir Monty alles in die Schuhe geschoben haben. Ich will es wiedergutmachen. Monty sagen, dass ich für ihn aussagen werde, doch er lacht nur und fragt, wie Bryce Gerechtigkeit bekommen soll. Als ich sage, dass er ein Vergewaltiger war und Monty ebenfalls einer ist, lacht er und springt auf mich drauf, um mich zu würgen. Tja und hier endet der Traum dann. Schweißgebadet wache ich auf und versuche nach Luft zu schnappen, weil Monty mich eben doch noch gewürgt hat. So auch heute. Mein T-Shirt ist nass und als ich an meine Stirn fasse, merke ich, dass auch sie mit Schweiß bedeckt ist. Ich habe diese Albträume so gut wie jede Nacht. Das ist ziemlich scheiße, aber ich kann sowas sehr gut verbergen. Ich glaube nicht, dass meinem Dad irgendwas aufgefallen ist. Nachdem ich unter der Dusche war und mich angezogen habe, gehe ich in die Küche, wo Tante Polly Rührei zubereitet hat. Weil ihre Wohnung einen Wasserschaden hat, wohnt sie eine Weile wieder bei uns, was total komisch ist. Es fühlt sich an wie früher. Bevor mit Hannahs Tod alles anders wurde und ich einen Hass auf die ganze Welt bekam. Besonders auf die Liberty High. Noch immer erschöpft von meinem Traum stochere ich in meinem Essen herum. "Abby, willst du heute nicht mitkommen? Zu dieser Einrichtung?", fragt Tante Polly mich lächelnd, was mich aufschauen lässt. "Könnte nett werden."
"Wie soll denn etwas, das Einrichtung genannt wird jemals nett sein?", frage ich sie und fange nun doch an zu essen. Während ich das Essen nur mühsam runterbekomme, schaufelt sich mein Dad eine Ladung nach der anderen rein.
"Justin möchte dich vielleicht sehen.", meint er dann mit vollem Mund.

"Ich seh ihn doch zu Hause. Bei der Party."

"Abby, deine Erstsemesternoten sind gestern gekommen."

Entsetzt sehe ich meinen Dad an.
"Warum bekommt ihr meine Noten?" Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hab ich etwas gesagt, was ihn sehr verwirrt. Er runzelt die Stirn und sieht mich verwundert an.
"Die Schul-E-Mail. Wie immer.", antwortet meine Tante Polly lachend.

"Klar, also... Die Prüfung lief nicht besonders.", erkläre ich und senke den Blick. Meine Noten waren immer sehr gut. Doch seit einiger Zeit gibt es Dinge, die mir wichtiger sind als die Schule.
"Was ja kein Wunder ist.", meint mein Vater ruhig und legt die Gabel neben den Teller. "Wir werden uns mit der Schule mal unterhalten."

"Nein.", entfährt es mir sofort.

"Wir werden sie ganz einfach bitten, zu berücksichtigen, was du durchgemacht hast. Aber, Abby... Konzentrier dich jetzt bitte auf's College." Mein Vater sieht mich so bittend an, dass ich einfach nur nicke.
"Bist du mit der Bewerbung fertig?", fragt Tante Polly lächelnd. "Wir wollen nur, dass du weißt, dass du mit allem zu uns kommen kannst." Doch ihre Worte dringen gar nicht zu mir durch. College. Ich wusste, dass ich etwas ganz wichtiges vergessen habe. Nämlich, mich zu bewerben. Die ganze Zeit war ich so mit meinen Freunden beschäftigt, dass mir völlig entfallen war mich zu bewerben. Fuck. Erst das Scheppern eines Glases lässt mich wieder zurück in die Realität kommen. Ein leises Fluchen kommt aus Dads Mund, während er sich zu mir umdreht. "Tschuldigung."

"Also, Abby", beginnt Tante Polly langsam. "Was denkst du?"

"Worüber denn?", entgegne ich fragend, da ich überhaupt nicht mehr zugehört habe.

"Darüber Dr. Ellman zu sehen."
Seufzend stehe ich auf und nehme meinen Teller in die Hand.
"Ich weiß es nicht.", murmel ich leise. Und es ist wirklich so. Ich weiß nicht, ob ich hingehen soll. Die Sache ist die: Im Grunde ist alles okay mit mir. Naja, so okay wie man sein kann, nachdem man einen Monat wegen Mordes im Knast saß. Das Vibrieren meines Handys lässt mich aufhorchen. Ich stelle den Teller in die Spühle und greife in meine Hosentasche nach meinem Handy. Tyler. Mit schnellen Schritten verlasse ich das Haus und setze mich auf die Veranda, bevor ich rangehe. "Hey, Tyler." Doch als er mir sagt, dass er auf das Polizeirevier bestellt wird, werde ich augenblicklich bleich. "Was? Wurde gesagt, wieso?" Tyler ist total aufgeregt, während er mit mir spricht und ich verstehe nur die Hälfte davon. "Okay, okay. Ganz ruhig. Hör zu, reg dich ab. Atme durch und warte. Gib mir ein paar Minuten." Aber dann werde ich gebraucht und fühle mich wieder lebendig. Mein Freund? Nein. Er braucht mich nicht. Ich glaube, er liebt mich. Oder er mag mich. Glaub ich. Aufgeregt öffne ich die Tür zu meinem Zimmer und trete hinein. Zach steht mittendrin und sieht verwundert auf mein Bett, das noch nicht gemacht wurde. Meine nach Schweiß stinkenden Schlafsachen liegen ebenfalls dort. Ich habe vergessen, sie mit ins Haus zu nehmen. Als Zach mich sieht, kommt er auf mich zu. "Hey", begrüßt er mich und lächelt.
"Hey", gebe ich kleinlaut von mir und senke den Kopf.
"Da freut sich aber jemand mich zu sehen." Zach witzelt nur, das weiß ich. Doch gerade mache ich mir um andere Sachen Sorgen. Zach beugt sich vor und küsst mich, doch ich löse mich relativ schnell wieder von ihm.
"Was ist denn los?", frage ich ihn.

"Ich wollte mal mit dir reden. Über uns und so weiter...", beginnt er ernst, doch dafür habe ich keine Zeit.

"Ich muss leider los. Tyler wurde zum Sheriff gerufen.", teile ich ihm mit.

"Was? Echt jetzt?", fragt Zach entsetzt.

"Er ist allein zu Hause und ich muss ihn gleich dahin fahren."

"Denkst du, dass es um Bryce geht?"

"Ich hoffe nicht.", entgegne ich nervös.

"Ich komme mit, okay?"

"Nein.", sage ich bestimmt. "Du solltest hier bleiben und Jessica bei der Partyvorbereitung helfen, sie dreht sonst durch."

"Okay. Drehst du... Drehst du auch gerade durch?" Zach mustert mich skeptisch, doch ich schüttle einfach den Kopf.
"Nein, nein überhaupt nicht. Mir geht's gut."

"Abby, sieh mich an. Guck mich an, bitte. Abby."

Widerwillig schaue ich Zach ins Gesicht.

"Alles wird gut.", sagt er ruhig. Diese drei Worte sollten eigentlich dafür sorgen, dass ich mich beruhige, einen klaren Kopf bekomme. Aber es geht nicht. Nichts hindert mein Herz daran aus meiner Brust zu hüpfen. "Ja, ich weiß.", lüge ich trotzdem. "Ich krieg das hin."

~

Seit etwa zwei Minuten halten Tyler und ich vor den großen Toren des Polizeireviers und starren das Gebäude an. Ein Polizeiwagen fährt an uns vorbei durch die Tore. Ein weiterer fährt heraus. Womöglich auf Streife. Warum ich mich um meine Freunde kümmere? Weil das Leben total chaotisch ist. "Okay, bleib ruhig. Du brauchst klare Gedanken.", rede ich auf Tyler ein, der den Gurt gelöst hat, um auszusteigen. "Sollte er dich schlecht behandeln, verlangst du einen Anwalt. Und rufst mich an."
Tyler nickt langsam, ehe er durchatmet.
"Okay, ja. Alles klar. Wartest du hier?", fragt er mich ängstlich.

"Natürlich.", antworte ich ihm. Tyler nickt und greift nach der Tür, doch irgendwas hindert ihn daran auszusteigen und ins Gebäude zu gehen. Seine Angst. Nicht zu wissen, was ihn da drin erwartet. Oder zu denken, dass er wüsste, worum es geht. Um den Amoklauf. "Man, ich dachte, es ist vorbei.", gibt Tyler weinerlich von sich.

"Hab ich auch gedacht.", beichte ich und lasse ihn nicht aus den Augen.

"Abby, warum passiert das gerade jetzt?"

"Keine Ahnung. Aber... Alles wird gut. Okay? Du vertraust mir, ja?"
Tyler nickt sofort und sieht mich an.
"Natürlich.", entgegnet er mir wie aus der Pistole geschossen. Nochmal atmet er tief durch, ehe er aus dem Wagen steigt und mich nervös zurücklässt. Es ist nichts besonderes. Es ist gerade nur die Highschool. Man muss immer aufpassen, weil der verdammte Mist kein Ende nimmt. Und Freunde sollten sich aufeinander verlassen können, sonst kommt es zu richtig übler Scheiße.

~

Menschen verlassen sich auf mich. Deshalb muss ich stark sein. Auch jetzt, wo ich immer noch auf Tyler warte. Als ich zum Revier schaue, entdecke ich den Sheriff, der in meine Richtung schaut, als hätte er gespürt, dass ich da bin. Doch dann wendet er den Blick ab und geht wieder hinein. Erleichtert atme ich aus. Mein Puls jedoch ist immer noch hoch. Die Träume und die Ängste und das alles machen mich nicht stark. Auf einmal höre ich einen Schuss und zucke erschrocken zusammen. Panisch sehe ich mich um, doch es ist alles in Ordnung. Es muss in meinem Kopf stattgefunden haben. Ganz klar. "Okay, Abby. Ganz ruhig.", rede ich schweratmend auf mich ein. Mein Blick bleibt im Rückspiegel hängen, wo Monty mich von der Rückbank aus angrinst. Erschrocken fahre ich herum, aber die ist leer. Ich versuche meinen Atem unter Kontrolle zu bingen. Es ist alles gut. Monty ist tot. Niemand hat geschossen. Ich bin allein in diesem Auto. Ich schaue wieder nach vorne und erschaudere, als ich Monty sehe. Er schüttelt das Auto, was mich zum Schreien bringt. Dann ist er wieder verschwunden. Als die Tür aufgerissen wird, zucke ich erneut zusammen, aber es ist nur Tyler, der in den Wagen steigt und mich ansieht. "Hey, alles okay?", frage ich sofort und verdränge meine Einbildungen gekonnt. Weil ich so etwas schon oft gemacht habe.
"Ja, ja alles gut."

Das ist alles? Mehr sagt er nicht?

"Was wollten die?", hake ich nach.

"Sie haben die Waffen gefunden. Im Fluss."

"Fuck.", sage ich frustriert.

"Zuerst konnten sie sie nicht zurückverfolgen. Weißt du, es gibt ja keine Seriennummern, keine Fingerabdrücke. Aber die Tasche. Sie wurde zu dem Laden zurückverfolgt, wo ich sie gekauft hab. Aber ich hab denen gesagt, dass ich sie gekauft habe, sie mir aber geklaut wurde. "

"Und das haben die dir geglaubt?", frage ich ungläubig.

"Naja, Alex' Dad war da. Er hat mir geholfen. Ich denke, alles ist okay.", entgegnet Tyler mir ruhig.

Erleichtert atme ich aus. "Lass uns das bitte für uns behalten. Erstmal. Ja?"

"Ja, sicher, ja.", antwortet Tyler entspannt. Ich wünschte, auch ich könnte mich entspannen. Ich kann meinen Freunden nichts von dem sagen, was ich durchmache. Weil sie sich darauf verlassen, dass ich stark bin.

~

Als ich mit Tyler das Zimmer betrete, stehen Alex, Tony und Jessica lächelnd vor uns. Als Jessica sieht, dass nur ich es bin, blickt sie enttäuscht zu uns und lässt die Arme sinken. "Was ist denn das jetzt? Wo ist der Kuchen?", fragt Jessica mich.

"Ich werd ihn nachher holen.", antworte ich und verschweige, dass ich es vergessen habe.

"Okay. Rührt euch.", sagt sie an Tony und Alex gewandt. In letzter Zeit war alles ziemlich seltsam. Wir hatten mit den Abschlussprüfungen zu tun, dann kamen die Winterferien. Wir verbrachten nicht gerade viel Zeit miteinander. Als ich ein Auto wahrnehme, steht Jessica aufgeregt auf. "Er ist da. Alle unter das verdammte Banner. Los. Bitte lächeln." Seufzend stelle ich mich zu den anderen unter das riesige Banner, das an der Decke hängt.
"Wilkommen zu Hause!", rufen wir im Chor, doch es ist nicht Justin, der durch die Tür spaziert, sondern Zach. Offensichtlich war er nicht da gewesen, um Jessica zu helfen, sondern ist nach mir gefahren, nur um jetzt wiederzukommen. "Oh, wow!" Zach tut gespielt überrascht und lacht dann. "Nein, ist für Justin, ich weiß."

Genervt tritt Jessica auf ihn zu.

"Wo warst du solange?"

"Sorry.", murmelt Zach.

"Bist du betrunken?" Entsetzt schaue ich Zach an. Es ist nicht das erste Mal, das er trinkt. In letzter Zeit scheint es einer seiner Lieblingsbeschäftigungen zu sein.

"Ich hab vielleicht vorgeglüht.", meint Zach nur und geht an Jessica vorbei.

"Oh mein Gott. Was bitte ist los mit dir? Das hier ist eine alkoholfreie Party für jemanden, der trocken ist!", keift Jessica meinen Freund an.

"Geh deinen Mund ausspülen oder sowas." Jessica lotst ihn direkt ins Bad, doch ehe er dorthin geht, schnappt er sich einen Keks vom Teller. "Oh, Cookies!" Genervt verdrehe ich die Augen und setze mich an den Tisch.
"Mit Chillipulver, 'ne Geheimzutat!", höre ich Charlie sagen, der auf meinem Bett sitzt. Als ich zu ihm sehe, bemerke ich, dass jemand mein Bett gemacht und die dreckige Wäsche entsorgt hat. Zach muss es weggeräumt haben, bevor Jessica hergekommen ist und er sich verkrümelt hat.
"Wir sind da!", höre ich Tante Polly rufen. Sofort stehe ich auf und blicke zu Justin, der ins Zimmer kommt und uns überrascht ansieht.
"Hey, willkommen daheim.", sage ich und schaue Justin an. Dieser lächelt. Er sieht gut aus. Der Entzug hat ihm gut getan, das sehe ich. "Danke.", meint Justin und schließt mich in seine Arme. Mein Dad läuft mit einem Haufen Pizzaschachteln an uns vorbei, um sie auf den kleinen Tisch zu stellen, auf dem auch andere Snacks stehen.
"Ich hoffe, ihr habt Hunger mitgebracht. Schlagt zu.", meint er noch lächelnd. Als Justin sich von mir löst, geht er sofort zu Jessica, die sehnsüchtig darauf wartet von ihm in den Arm genommen zu werden.
"Es scheint ihm gut zu gehen, oder?", höre ich Tante Polly neben mir sagen. Langsam nicke ich. "Ja." Und ich hoffe wirklich, dass das auch so ist und nicht nur so aussieht.

~

"Sag mal, was ist denn mit Tyler los?", fragt Tony mich flüsternd. Ich schlucke den Kloß jn meinem Hals herunter und schaue Tony schweigend an. "Mein Gott, was?" Tonys Blick verfinstert sich. Und wie es aussieht muss ich ihm erzählen, was los ist. Ich schaue zu Tyler, der auf Justins Bett sitzt und aus einem Glas trinkt. Erst als er nach Hause geht, setze ich mich mit den anderen zusammen und beginne zu erzählen. "Also deswegen sollte Charlie Tyler nach Hause bringen.", spricht Jessica, woraufhin ich nicke.
"Hör zu, ich glaube nicht, dass wir uns große Sorgen machen müssen. Wirklich nicht.", beginnt Ani, nachdem ich zu Ende erzählt habe.

"Woher wissen wir, dass er die Wahrheit sagt über das, was bei den Cops lief?", wirft Tony fragend ein.

"Wieso sollte er denn lügen?", entgegne ich ihm fragend.

"Um sich selbst zu schützen?", meint Jessica und sieht uns an. Als die Tür sich öffnet, kommt Charlie rein.

"Also, ich habe ihn gut nach Hause gebracht. Er wirkte sehr ruhig."

"Verdammt, wie kann er jetzt ruhig sein?", fragt Tony verärgert.

"Er will halt nicht, dass die Wahrheit rauskommt. Genauso wenig wie wir.", meine ich und schaue jeden im Raum durchdringlich an.

"Er hat sein bestes gegeben bei der Polizei, so wie ich das einschätze.", unterstützt Ani mich.

"Okay, nehmen wir an, er sagt die Wahrheit. Nur weil er den Bullen was vorgemacht hat, heißt es nicht, dass sie ihm auch glauben. Was wenn sie ihn jetzt beobachten?"

"Vielleicht beobachten sie uns auch alle.", wirft Jessica ein und sieht Tony an.

"Wisst ihr, was ich nicht kapiere?", fragt Charlie. "Glauben die Bullen seine Ausrede mit den Waffen nicht, wie soll sie das zu uns führen? Oder zu irgendwas über Bryce?"

"Tyler weiß bescheid über Bryce.", klärt Tony ihn auf. "Tyler kriegt Stress wegen der Waffen, Tyler verpfeift uns alle. Um seinen Arsch zu retten."

"Das würde er nie tun.", werfe ich selbstsicher ein.

"Bist du sicher?", fragt mich Jessica.

"Tyler hat Abby angerufen, als er Hilfe brauchte. Ich denke, wir können ihm trauen.", meint Charlie und wirft mir ein aufmunterndes Lächeln zu.

"Leute, danke. Aber so einfach ist diese Sache nicht, verdammt. Einige von uns sind involviert in einen Mordfall."

"Hey, ist mir schon klar. Ich bin auch ein Mittäter. Sind wir alle."

"Ich bin es nicht.", sagt Alex, was mich zu ihm schauen lässt. Es ist das erste mal heute, dass er etwas sagt.

"Alex, dass Tyler dir nichts antun will, weißt du. Niemandem von uns.", redet Charlie auf Alex ein.

"Jetzt mal ehrlich, du kennst ihn doch kaum." Tony schaut Charlie an. "Wie willst du das beurteilen?"

"Leute, ich denke, ich kann das. Immerhin hängen wir drei fast jeden Abend zusammen ab. Er ist unser Freund."

"Ich glaube Tyler.", meint Alex wieder.

"Und du meinst, wir machen jetzt gar nichts?", fragt Jessica ungläubig.

"Richtig, weil wir es nicht können.", meldet sich Zach zu Wort, der auf dem Sofa liegt und an die Decke starrt. "Deshalb scheiß drauf. Soll es kommen wie es will. Wir haben es nicht in der Hand."

"Mein Gott, Zach. Hör auf zu saufen.", sagt Jessica genervt und erntet dafür nur Zachs Mittelfinger. Ich mustere meinen Freund kurz und schaue dann wieder zu den anderen.
"Alex, du könntest mit deinem Dad reden.", schlägt Tony vor. "Versuch rauszufinden, ob die Polizei die Geschichte von Tyler geglaubt hat."

"Ich kann es versuchen."

"Leute, hört auf.", werfe ich dazwischen. "Wir können nicht plötzlich anfangen, allen Fragen zu stellen."

"Abby hat recht. Wir dürfen nicht auffällig werden.", pflichtet Ani mir bei.

"Hört zu, jeder von uns bleibt ruhig, reißt sich jetzt zusammen und tut nichts Dummes. Okay? Denn Ani und ich, wir regeln das."

Ich will, dass die Leute auf mich hören. Seit der Sache mit Hannah und den Kassetten will ich, dass die Leute aufwachen und aufmerksam sind. Tja, ich schätze, jetzt habe ich ihre Aufmerksamkeit.

~

Weihnachten gemeinsam mit Justin zu verbringen ist eines der besten Geschenke, die ich dieses Jahr erhalten habe. Es scheint ihm tatsächlich gut zu gehen. Und das macht mir glücklicher als ich je gedacht hatte. Er ist wirklich zu meinen Bruder geworden. Auch wenn er mir manchmal immer noch auf die Nerven geht. Was mich nun allerdings stutzig macht, ist das iPhone in meiner Hand. "Oh mein Gott.", kommt es freudig von Justin. "Das ist ja das ganz aktuelle iPhone."

"Vorinstalliert mit den heißesten Apps. Ein Apple Mitarbeiter hat geholfen.", lacht Tante Polly.

"Frohe Weihnachten.", meint Dad fröhlich und sieht uns strahlend an.

"Vielen lieben Dank. Frohe Weihnachten."
Lächelnd sieht Justin zu mir, doch ich starre das neue Telefon immer noch ungläubig an.

"Die waren doch richtig teuer, oder?", hake ich vorsichtig nach.

"Naja, es ist Justins erstes Weihnachten hier. Da wir jetzt Pleite sind war's das bis zum College. Ehrlich gesagt, eine Sache gibt's noch." Mein Vater greift unter den Tannenbaum und holt ein Geschenk hervor, ehe er es Justin reicht. "Mach's auf." Justin reißt das rote Papier runter und lächelt, als er das Familienfoto von uns entdeckt.
"Oh, das ist doch das Foto von Thanksgiving.", stelle ich fest und werfe einen Blick darauf.

"Ja, es ist wirklich schön. Trotz der Umstände.", meint Dad leise.

"Ich find's schön.", kommt es lächelnd von Justin.

"So wie du es dir gewünscht hast. Ein Foto von uns Vieren.", sagt Tante Polly strahelnd und sieht mich an. Ich schenke ihr ein kleines Lächeln.

"Gut, dann schauen wir mal, wo wir es hinstellen." Dad schnappt sich das Foto und steht mit Justin und Tante Polly auf, um das Foto auf dem Kaminsims zu platzieren. Langsam erhebe ich mich auch. Die Wahrheit ist, es geht schon seit einiger Zeit so. Es fing an nach Hannahs Tod. Immer wieder mal. Aber dann auf dem Weg ins Gefängnis, war es wie ein schweres Gewicht, das mich erschlägt. Augenblicklich wird mir schwindelig und ich muss mich an einem der Stühle am Tisch festhalten. Es ist so, als könnte ich nicht atmen. Als ob mein Herz gleich aus der Brust springt und ich sterben würde.
"Abby, alles okay?", höre ich Justin besorgt fragen. Er kommt auf mich zu und legt mir eine Hand auf den Rücken.
"Ja, alles gut. Ich bin nur zu schnell aufgestanden.", lüge ich und lächle ihn schwach an. Ich hoffe, Justin kauft es mir ab. Er braucht nämlich nicht noch mehr Stress in seinem Leben. Noch so eine Sache, die ich mir angewöhnt habe. Ich versuche Justin zu schützen. So gut es eben geht.

~

"Ihr habt also nur geredet in der Entzugsklinik?", frage ich, während Justin seine dreckige Wäsche in den Wäschekorb tut.

"Ja, ich meine, nach dem ganzen Kotzen und Schwitzen in der Nacht."

"Ja, ich erinnere mich.", entgegne ich und muss daran denken, wie Justin meine Schuhe und mein Bett vollgekotzt hat. Und wie Sheri sich um ihn gekümmert hat, wenn ich in der Schule war oder dringend weg musste.
"Ja, wir haben hauptsächlich sehr viel geredet. Und es gab Projekte und Wanderungen.", erzählt Justin weiter und kommt zu mir an den Tisch.

"Ging es dabei auch um Bryce?", hake ich vorsichtig nach.

"Ja, ging es. Also... Nicht nur darüber. Es ging auch darum, was für ein Mensch er war. Für mich und... Dass er jetzt tot ist und so.", antwortet Justin mir ehrlich, ehe er in sein Bett geht.

"Hat denn das Reden etwas gebracht?", frage ich weiter.

"Ja, ich denk schon. Ich hoff es.", meint Justin und legt sich ins Bett. Es ist ungewohnt, dass Justin wieder zurück ist. Und dennoch fühlt es sich irgendwie normal an.

~

Als die Schule wieder losgeht, beschließe ich so zu tun, als sei alles normal. Ich fahre gemeinsam mit Justin zur Schule, plaudere ein wenig mit ihm und parke auf dem Schulparkplatz. Als ob mich die Vergangenheit gar nicht einholen würde. "Hey", begrüßen Ani und Jessica uns, als wir auf das Gebäude zugehen. "Und, ist noch alles gut mit Tyler?", fragt Jessica mich, während wir weitergehen.

"Ja, ja. Ich spreche jeden Tag mit ihm. Es gibt nichts Neues.", antworte ich und halte mich an meiner Tasche fest.

"Was sagt denn Alex? Denkt sein Dad, dass..." Plötzlich bricht Jessica ab und schaut nach vorne. "Was soll das denn?" Langsam folge ich ihrem Blick und runzle verwundert die Stirn. Vor dem Einfang stehen Polizisten und die Schüler betreten nur sehr langsam die Schule. Seit wann werden wir denn kontrolliert? Sobald wir am Eingang sind, lotst uns ein Polizist hinein, damit wir durch eine Kontrolle gehen, wie beim Flughafen. Ich glaube, mir wird schlecht. "Bitte nehmen Sie die Rucksäcke ab.", höre ich einen Polizisten sagen.

"Was soll denn diese Scheiße?", fragt Jessica entsetzt. Behutsam lege ich ihr eine Hand auf den Rücken.

"Verlier nicht die Nerven."

"Noch hab ich sie ja nicht verloren, oder?", entgegnet Jessica mir genervt. Widerwillig lege ich meinen Rucksack in eine Kiste und gehe durch das Röntgenprüfgerät, um es hinter mich zu bringen. Nachdem der Polizist meinen Rucksack mit einem Metalldetektor kontrolliert hat, reicht er ihn mir und widmet sich der nächsten Person. Als Jessica hindurch läuft, leuchtet das Gerät rot auf. "Tasche auf den Tisch.", meint ein junger Polizist streng.

"Na dann viel Spaß.", erwidert Jessica genervt und schleudert ihre Tasche unvorsichtig auf den Tisch. Der Polizist fährt mit dem Metalldetektor über die Tasche, um festzustellen, dass nicht die Tasche das Problem ist. Langsam fährt er damit über ihren Körper. Bingo. Es schlägt an.
"Bitte zur Seite treten für's Screening."
Jessica schnaubt verächtlich auf.

"Das ist wahrscheinlich der Metalldraht in meinem BH."

"Sehen wir dann. Da rüber zum Abtasten."

"Ich hoffe sehr, Sie haben noch eine Mitarbeiterin hier drin. Denn mit diesem Ding kommen Sie nicht an meinen Körper."

"Junge Frau. Treten Sie zur Seite. Jetzt."

Unschlüssig was ich tun soll, stehe ich einfach da und beobachte das Szenario aus der Ferne.

"So ein Schwachsinn." Sauer nimmt Jessica ihre Tasche und läuft in den Flur.

"Hey, sofort zurückkommen!"
Doch alles, was der Polizist bekommt ist der Mittelfinger, bevor er ihr hinterher läuft. Neben mir kann sich Justin ein Grinsen nur schwer verkneifen. Doch ich frage mich, ob es Zufall ist, dass sie ausgerechnet jetzt Metalldetektoren einsetzen.

~

In der Cafeteria stehen haufenweise Stände, die uns die Berufswahl leichter machen sollen. Weil ich Ablenkung dringend gebrauchen kann, schlendere ich gemeinsam mit Zach von Stand zu Stand und überlege, wie ich vielleicht doch noch an ein College komme. "Wie wär's mit der Militärakademie? Die Ausbildung geht vier Jahre.", höre ich Mr Davis zu Zach sagen, der sich einen Flyer ansieht.

"Ne, ich will nur Soldat werden."
Entsetzt schaue ich Zach an. Davon höre ich gerade zum ersten Mal. Seit wann will er bitte Soldat werden?
"Hör zu, ich denke, alle unsere Streitkräfte würden sich freuen, dich nach deinem Collegeabschluss als Offizier begrüßen zu dürfen. Nur als Soldat einzurücken wäre eine Verschwendung deiner Talente."

"Ein guter Punkt.", entgegnet Zach seufzend. "Keine Ahnung, wir werden sehen."

"Denk drüber nach."

"Vielen Dank."

Ungläubig folge ich Zach zum nächsten Stand und verschränke die Arme vor der Brust. "Wieso willst du Soldat werden?"

"Wieso nicht?", antwortet mir Zach schulterzuckend, ohne mich anzusehen.

"Meinst du nicht, dass du hättest mit mir darüber sprechen müssen?"

"Ich wollte es. In den Ferien, aber du warst nie bei der Sache und dann haben die Cops mit Tyler gesprochen. Und danach warst du wieder überhaupt nicht da, sondern irgendwo weit weg in deinen Gedanken, wo du dir Sorgen um Tyler gemacht hast." Seine Worte klingen wie ein Vorwurf. Als hätte er lange damit gewartet, sie mir ins Gesicht zu sagen. Und das tut weh.
"Ich hab nicht... Es tut mir leid.", sage ich leise und greife nach einem Flyer. Nicht weil ich mich so sehr dafür interessiere, sondern um einfach etwas in meiner Hand zu haben.
"Deine Schlafsachen waren total durchgeschwitzt.", merkt Zach an und schaut mir in die Augen. "Wieso?"

"Ich..." Die Worte wollen einfach nicht aus meinem Mund kommen. Egal, wie sehr ich mich Zach anvertrauen will, es scheint so, als könne ich das nicht. Als wäre ich dazu nicht in der Lage.
"Abby, das geht jetzt seit Wochen so. Immer bist du mit den Gedanken woanders. Du machst dicht und redest nicht mit mir. Sag mir, was los ist."

"Ich hatte bloß einen Albtraum, nichts weiter.", erkläre ich ihm.

Zach sieht mich verdutzt an. "Und wie oft hast du diesen Albtraum?"
Mein Kopf senkt sich automatisch.
"Dachte ich mir.", murmelt Zach und dreht sich nun ganz zu mir um. "Ist das der Grund, wieso ich nie bei dir schlafen darf? Anfangs dachte ich, es wäre vielleicht wegen Justin. Aber du warst auch nie eine Nacht bei mir. Weil du Albträume hast und es mir verschwiegen hast."

Zach klingt sauer. Und das ist das letzte, das ich will. Also greife ich nach seiner Hand.

"Es war mir peinlich, okay? Ich wollte nicht, dass ich verschwitzt und stinkend neben dir liege."

Zachs Blick wird sanfter. Leise seufzt er auf.

"Dir muss nichts peinlich sein.", redet er dann auf mich ein. "Was sind das für Träume?"

Ich schweige.

"Verstehe... Schön, dass wir wieder Geheimnisse voreinander haben.", schnaubt Zach und zieht seine Hand aus meiner.

"Wieso trinkst du? Ist auch eine Frage, auf die ich nie eine Antwort kriege.", entgegne ich fauchend.

"Das weißt du nicht?", fragt mein Freund mich ungläubig. "Ach ja, ich vergaß, du bist ja nie bei der Sache."

"Zach, bitte lass uns nicht streiten. Ich-" Mein Blick bleibt an einem Jungen hängen, der mir sehr bekannt vorkommt. Mein Hals wird trocken und ich habe wieder das Gefühl, als würde mein Herz aus meiner Brust springen. Was macht Winston hier?
"Entschuldige mich."

"Du willst jetzt einfach gehen?", fragt Zach mich ungläubig.

"Wir reden später, versprochen.", sage ich und drücke ihm schnell einen Kuss auf die Wange, ehe ich mich von ihm entferne. Doch als ich mich umsehe, stelle ich fest, dass Winston weg ist. Verdammt.

~

"Hey, wo sind denn all die Nerds? Ich dachte, ihr rettet uns die Zukunft.", kommt es von Justin, als er sich neben mich an den Robitikstand niederlässt. Nachdem ich Winston aus den Augen verloren hatte und Ani mich bat sie zu vertreten, hatte ich mich dort hingesetzt, damit es wenigstens so aussieht, als würde ich irgendwas tun.
"Kann sein. Kann aber auch sein, dass ich den Leuten gesagt habe, dass es eigentlich gar keine Zukunft gibt.", entgegne ich seufzend, was Justin zum Lachen bringt. Während ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht streiche, bemerke ich eine Broschüre in Justins Hand und runzle die Stirn.
"Was ist das?"

"Äh von Dr. Singh, sie hat gehört, dass sich jemand bei der Zulassungsstelle für mich interessiert."

"Am Occidental?", hake ich nach.
Justin nickt lächelnd.

"Ihnen hat mein Aufsatz gefallen. Ich schätze wohl, wegen meiner Lebensumstände und weil's 'ne gute Story ist oder sowas."

Sogar Justin schafft es an ein College.
"Jedenfalls komme ich da nicht rein. Keine Sorge."

"Ich mach mir keine Sorgen.", erwidere ich und sehe ihn an. "Du solltest es tun, wenn du kannst. Ist ein gutes College." Langsam wende ich meinen Blick von Justin ab und schaue nach vorne, nur um Winston mit Ani reden zu sehen. Meine Augen weiten sich entsetzt. Ich habe ihn doch nicht verloren. Er ist immer noch hier, was bedeutet, dass es auch keine Einbildung gewesen war.

~

"Wir sollten die Sache im Auge behalten.", spricht Ani, als wir draußen an einem der Tische sitzen. "Niemand hier weiß, wer Winston ist."

"Außer Alex.", werfe ich ein und wippe nervös mit meinem Bein auf und ab. Kann es eigentlich noch schlimmer kommen?

"Der es absolut niemandem sagen sollte."

"Ich verstehe das nicht." Frustriert lasse ich meine Arme auf den Tisch fallen. "Monty hat ihn fast tot geprügelt. Warum kommt Winston zurück?"

"Ich hab keine Ahnung. Warum wollte Jess zu Justin zurück? Ich weiß nur, dass beide zusammen waren. In der Nacht."

"Und wieso ist er dann nicht zur Polizei? Warum sitzen wir nicht im Knast?", frage ich Ani, die auch keine Antwort darauf zu wissen scheint.

"Vielleicht hat er keine Beweise.", vermutet Ani.

"Vielleicht ist er deswegen hier. Er sucht Beweise." Mein Hals wird trocken. Das muss der Grund dafür sein. "Und du sagst, alles sei im Griff."

"Naja, du hast gesagt, dass die Sache mit Tylers Waffen im Griff sei."

"Ist auch so.", sage ich sofort.

"Aber wirklich glauben tust du es nicht oder?" Ani zieht eine Augenbraue nach oben und sieht mich erwartungsvoll an.

"Du wusstest es seit Thanksgiving hast aber nichts gesagt.", werfe ich ihr sauer vor.

"Ich dachte, es erledigt sich wieder."

"Hat ja super geklappt.", entgegne ich schnippisch. Ein paar Sportler laufen an unserem Tisch vorbei in die Cafeteria. Für einige Sekunden denke ich, dass einer von ihnen Monty ist.
"Ich muss los.", sage ich und stehe auf, um den Jungs zu folgen. Anis Rufe ignoriere ich. Stattdessen schaue ich zu den Sportlern, die alle ein Trikot tragen, auf dem Montys Nachname steht. Diesmal bilde ich es mir nicht ein. Als ich sehe, dass die Jungs versuchen Montys Schwester eins der Trikots anzudrehen, will ich zu ihnen gehen, doch da steht schon Charlie auf und versucht ihnen zu erklären, dass sie es nicht möchte.
"Das ist korrekt. Sie ist meine Schwester.", höre ich Monty hinter mir sagen. Mir wird augenblicklich schlecht. Da Charlie keinen Erfolg hat, gehe ich schnurstracks auf diese Neandertaler los. "Zieht diese verdammten Trikots aus! Zieht sie aus! Ihr ehrt damit einen verdammten Vergewaltiger!", zicke ich die Jungs an und ernte geschockte Blicke von den Schülern um uns herum.

"Fick dich, Johnson. Er hat sich für dich geopfert!", entgegnet Diego mit. "Er hat Bryce nicht umgebracht. Das weiß hier jeder."

"Bullshit.", spotte ich. Als sich einer der Jungs drohend vor mir aufbaut, schubse ich ihn mit aller Kraft nach vorne. Der Kerl lässt sich jedoch nichts bieten und schubst zurück, sodass ich gegen einen der Stände falle und alles mit mir nach unten reiße. Bevor das ganze ausartet, kommt ein Polizist dazwischen und zieht uns auseinander. Mit mir ist nichts okay. Schon lange nicht.

~

Mit einem Eisbeutel sitze ich vor dem Sekretariat und starre die Wand an. Eine verdammte Prügelei mit einem Sportler ist die dümmste Idee aller Zeiten gewesen. Und nicht nur, weil ich als Mädchen nicht halb so viep Kraft habe wie diese Idioten. Mein Kopf schmerzt höllisch und ich denke, dass ich eine ziemlich dicke Beule bekommen werde. Dabei wollte ich nur, dass diese Idioten die Trikots ausziehen.
"So viel zu ganz ruhig bleiben.", höre ich Zach sagen, der sich neben mich auf den Stuhl fallen lässt und mir eine Wasserflasche reicht. Dankbar nehme ich sie entgegen.
"Sie denken, die haben damit angefangen. Sie müssen nachsitzen, nicht ich.", antworte ich ihm ruhig.

"Ah, das ist aber schön. Was wurde denn daraus nichts Dummes zu tun?"

"Du hast sie doch gehört." Frustriert nehme ich den Beutel vom Kopf und sehe Zach an. "Er soll unschuldig sein. Und wir würden den Mord an Bryce vertuschen. Was wenn sie was wissen?"

"Und wenn schon. Die spinnen rum, weil sie nicht wollen, dass Monty der Mörder von Bryce ist.", entgegnet Zach mir und blickt mich an. "Abby... Was ist passiert? Noch vor dem Streit. Du bist weggegangen. Wohin?"
Doch ich schweige. So wie immer.

~

Mein Dad und Tante Polly sehen mich klagend an. Egal, was ich ihnen für eine Geschichte erzähle, sie glauben mir nicht und haben mich schon längst verurteilt. "Und das soll also im Sportunterricht passiert sein?", fragt Dad mit verschränkten Armen.

"Meine Hand-Augen-Koordinaten ist schlecht."

"Justin, warst du anwesend bei diesem sportbedingten Unfall?", fragt Tante Polly neugierig. Ich werfe Justin einen warnenden Blick zu. Es wär nicht das erste Mal, wenn er für mich lügen würde.

"Sie hat sich geschlagen.", kommt es leise von Justin. Entsetzt lasse ich meine Gabel fallen und blicke ihn an. "Alter.", zische ich sauer.

"Und mit wem hast du dich geschlagen?"

"Mit niemandem.", antworte ich.

"Mit ein paar Typen vom Footballteam.", kommt es von Justin. Okay, wenn er noch ein Wort sagt, dann schläft er auf der Veranda. Mir egal, ob er im Entzug gewesen ist oder ein scheiß leben hatte, bevor er hier einzog. Er soll die Klappe halten.

"Wieso?", fragt mein Dad mich.

"Es war nichts. Es war dämlich. Alles okay mit mir, Dad."

"Wirklich? Nichts? Seit wann fängst du 'ne Schlägerei an?", fragt Justin mich vorwurfsvoll. Genervt stehe ich auf und verlasse das Haus. Doch sobald ich durch die Tür gehe, kommt es mir vor, als wäre ich in der Schule. Und ehe ich mich versehe, stehe ich auf dem Footballfeld und Scott kommt auf mich zu.  "Scott, du hast schon deinen Abschluss.", bemerke ich völlig verwirrt.

"Hey, du siehst nicht gut aus. Komm, holen wir dir was zu trinken." Scott legt den Arm um mich und führt mich eine Treppe nach unten. Plötzlich ist Scott weg und ich stehe in meinem Zimmer. Ani mittendrin. "Du kanst einfach nicht jeden retten.", sagt sie mit verschränkten Armen.

"Aber man kann es versuchen.", entgegne ich ihr.

"Man muss zuerst seine eigene Maske aufsetzen."

Schweißgebadet öffne ich die Augen und stelle fest, dass ich in meinem Bett liege. Das alles ist nur ein Traum gewesen. Nach dem Essen muss ich ins Bett gegangen sein. Auch wenn ich mich nicht daran erinnern kann. Erleichtert atme ich aus und schaue zu Justin, der im Schneidersitz auf seinem Bett sitzt und mich beobachtet. "Abby, du hast im Schlaf gesprochen, die ganze Nacht. Und geschrien.", teilt er mir besorgt mit.

"Musst du nicht irgendwann mal zugeben, dass es jetzt reicht?"

"Was versuchst du zu sein?", frage ich seufzend.

"Am Leben. Echt wahnsinnig. Und du?" Justin hat recht. Ich habe ein Problem. Und das muss ich beheben.

~

"Ich habe mich früher nie für meine Träume interessiert. Aber ich denke, ich hatte nie bedeutungsvolle Träume.", erkläre ich Dr. Ellman.

"Was meinst du mit bedeutungsvoll?", fragt die Therapeutin mich. Sie sitzt auf einem Sessel, mit einem Klemmbrett in der Hand und sieht mich an, bereit sich Notizen zu machen.

"Die mit was in Verbindung stehen."

"Worauf beziehen sich diese Träume? Haben sie mit den Panikattaken zu tun?" Ich schweige. "Als du vor ein paar Jahren zum ersten Mal bei mir warst, hattest du Albträume."

"Ich habe diese Panikattacken oder was auch immer das ist seit der vierten Klasse. Seit meine Mum starb. Und ich habe nie jemandem davon erzählt und jetzt werden sie schlimmer. Ich schätze, deswegen bin ich wieder zu Ihnen gekommen. Um eine bessere Kontrolle zu haben." Ich verstecke meine Hände in den Ärmeln meines Pullovers und senke den Kopf. Es ist mir unangenehm mit Dr. Ellman darüber zu sprechen, aber ich muss etwas tun, bevor ich durchdrehe.

"Kontrolle. Worüber?", fragt sie mich.

"Über alles."

"Meinst du, irgendjemand hat Kontrolle über alles?"

"Ich denke, ich sollte... Ich muss ruhiger werden."

"Gibt's Gründe, warum du es nicht bist?"

"Ja.", antworte ich ehrlich.

"Die da wären?"

"Naja, die Schule. Freundschaften. Mein Dad.", zähle ich auf und verschweige die Wahrheit.

"Und du findest, das alles müsstest du unter Kontrolle kriegen?"

"Ja. Nein. Nein, ich sollte... Ich sollte erst mich unter Kontrolle kriegen."

"Wieso? Was würde passieren, wenn du dich nicht unter Kontrolle kriegst?", fragt Dr Ellman mich.

"Ich...", beginne ich und stocke. "Menschen können verletzt werden. Und ich könnte Menschen im Stich lassen. Wenn ich die Kontrolle verliere, ist das nicht gut. Dann wird's hässlich. Wenn ich jetzt falle, fängt mich keiner auf. Ich weiß nicht, wem ich vertrauen kann. Und ich hab ziemlich üblen Scheiß gebaut."

"Wieso weißt du nicht, wem du vertrauen kannst?"

"Weil... Es ist halt die Highschool."

"Das ist eine sehr unpräzise Antwort von einer sehr präzisen jungen Frau. Abigail, wir haben schon darüber gesprochen, als du an der Junior High warst. Der Körper ist unglaublich intuitiv. Er erzeugt alle möglichen physischen Reize, die dich zwingen ein psychisches Problem anzugehen. Diese Dinge, die du fühlst, sind dein Verstand, der sagt, pass auf dich auf. Bist du bereit auf dich aufzupassen?"
Ich schlucke und nicke.
"Ja."
Von wegen. Mir geht's überhaupt nicht gut.

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