I LIE TO YOU

By larellee

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Du kennst jemanden, wenn du weißt, wovor er sich fürchtet ... Ihr Lächeln zieht jeden in den Bann, seine Auge... More

Vorwort
Aesthetics
Letzter Atemzug
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Epilog
Nachwort + Dankesagung

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By larellee

Ace

Josh ist noch immer dabei, mir haarklein zu erzählen, was mit ihm und Lillian im Bad abging.

»Josh, ich freue mich ja total für euch, aber ich will echt nicht wissen, wie sich ihre Lippen anfühlen oder wie seidig ihr Haar ist oder was auch immer«, unterbreche ich ihn, da das Gespräch wieder eine ungewollte Tiefe annimmt. Er grinst. »Stimmt, da ist Lillian wohl das falsche Mädchen. Aber bei Paige willst du es schon wissen, nicht?« Er wackelt anzüglich mit seinen Augenbrauen. Ich lache nur und rolle mit den Augen. Er seufzt und greift nach meiner Hand. »Ich will dir nur sagen, wie dankbar ich euch beiden dafür bin.«

»Schon gut, du musst auch nicht mir danken, sondern Paige, das war nämlich ihre Idee.«

Erfreut blitzt es in seinen Augen auf. »Apropos Paige, wo ist sie überhaupt?«

Ich schaue mich um. »Gerade hat sie noch mit Lillian gestritten.«

Josh schaut sich ebenfalls um. »Lillian schreit aber gerade Arion an.« Er zeigt auf Lillian und einen dunkelhaarigen Jungen, der mir aber denn Rücken zukehrt. Könnte Arion sein. Vor allem, wenn man Lillians Gesichtsausdruck berücksichtigt. Genauso gut könnte es allerdings jedes andere Lebewesen mit gleicher Statur sein. Arion schubst sie zur Seite und stapft wutentbrannt zu uns.

»Wo ist Paige?«, fragt sie. Josh zuckt mit den Schultern. »Sie war doch gerade bei dir?«

Sofort wird Lillian blass. »Verdammt«, murmelt sie. Ich gerate in Panik. »Was? Wo ist sie?«

»Scheiße, wir müssen sie finden!«

»Was ist denn überhaupt los?« Meine Stimme klingt schrill, weit weg. Viel zu weit weg. Ich weiß, wozu Arion und sein Freund in der Lage sind. Brian und er sind Teufel, Ausgeburten aus der Hölle, die auf der Erde wandeln, leider Gottes.

»Ihr schaut im Flur und ich im Wohnzimmer«, ruft sie hektisch und will sich umdrehen. Ich packe ihr Handgelenk, um sie festzuhalten und zwinge sie so, mich anzusehen. Sie soll reden, verdammt. Was geht hier vor? Warum reagiert sie so panisch? Und warum um alles in der Welt sieht Arion so unglaublich selbstgefällig aus? Ich will zu ihm gehen und ihm sein breites Grinsen aus dem Gesicht polieren. Bald, spreche ich mir selber gut zu. Erstmal ist Paige an der Reihe.

»Was ist los, Lillian?«, frage ich sie und bemühe mich zu dem gefasstesten Ton, zu dem ich gerade in der Lage bin. Was nebenbei bemerkt nicht so gut klappt, aber es gibt wichtigeres, um das ich mich sorgen könnte. Lillian antwortet immer noch nicht, massiert sich jedoch nervenaufgetrieben die Schläfe.

»Brian wollte mir ihr reden und hat ihr irgendwas zu trinken geben. Es sah so aus, als würde er sich für irgendwas entschuldigen, aber ich habe nicht viel mitbekommen. Vorher haben sie glaube ich an dem Becher rumgedoktert und ich bin mir ziemlich sicher, dass da irgendwas drin ist. Eigentlich wollte ich zu ihr, als ich gesehen habe, was Brian vorhat, aber sie war auf einmal weg und es ging alles so schnell und ...«

Ihre Stimme überschlägt sich. Ich bin dankbar dafür, dass es Josh gibt, der sie beruhigt, weil ich es nicht kann.

»Scheiße! Ich bringe diesen Flachwichser um!«, fluche ich laut und trage eine Wut in mir, die den ganzen Kontinent spalten könnte. Ich laufe in den Flur und suche Arion, von dem ich mir sicher bin, beobachtet zu haben, wie er weggegangen ist. Ständig streife ich irgendwelche Leute oder werde angerempelt. Fast schon will ich es aufgeben, da entdecke ich sie in einer wenig beleuchteten Ecke, wie er mit einem anderen Typen quatscht, der mir nicht im Mindesten bekannt vorkommt.

Ich steuere auf ihn zu, wenige Schritte vor ihm bemerkt er mich. Er schaut überrascht zu mir hoch. »Suchst du jemanden?«, fragt er grinsend und ich male mir bereits die Wohltat und die Erlösung aus, die mich überkommen wird, wenn ich ihn so weich geprügelt habe, dass er nicht Mal als Brei für Gebisslose genug wäre.

»Wo ist Paige?«, knurre ich, wie das wilde Tier in mir, welches soeben entfesselt wurde. Es ist bereit, sich ihm zu stellen, sich jedem einzelnen auf der ganzen Welt zu stellen, bis ich die Antwort auf meine Frage habe.

»Ich weiß gar nicht, wovon du redest«, meint er und tut so, als wäre alles in bester Ordnung. Nichts da. Er spürt meine Wut, bemerkt meine angespannten Muskeln und erkennt den Zorn in meinem Gesicht. Sein Grinsen wird immer breiter. Wie befreiend es wohl wäre, es weg zu prügeln.

»Du weißt, wovon ich rede. Was hast du mit ihr angestellt?«

Arion lacht neben laut auf. Mein Blick zuckt zu ihm, wie ein Blitz schlägt er ein in seine erbärmliche Existenz. Bald wird meine Faust folgen. »Sie ist in guten Händen. Diese kleine Lolita bekommt, was sie verdient. Nach dieser Nacht schaut ihr bestimmt niemand mehr hinterher, auch du nicht. Weil sie so beschmutzt sein wird, dass es nicht einmal helfen wird, sie im heiligen Weihwasser zu baden, außer man will sie dort drin ertränken.«

Wie ein scharfes Messer bohren sich die Worte in mein Herz. Ein bedeutungsloses Zucken von Arion - ein weiterer Schnitt, der mich schier ausbluten lässt. Sein dröhnendes Lachen - der Schnitt, der mich niederstreckt, mich erledigt. Ich packe Arion am Kragen und zwinge ich so, mich anzusehen.

»Ihr seid völlig gestört«, fauche ich, schlage ihm so fest ins Gesicht, dass ein Knochen knackt - nur ist es einer von seinen, nicht von meinen. Befriedigung. Einzig und allein Befriedigung ist es, die mich überwältigt.

Sein affektiertes Grinsen verzieht sich zu einer wütenden Fratze.

»Dein Schneewittchen wird untergehen«, röchelt er. Mit einem verachtenden Blick bedenke ich ihn. »Und du bist wohl die böse Stiefmutter, die sie mit einem vergifteten Apfel aus dem Weg räumen will? Das ist absolut lächerlich. Du bist lächerlich. Eine Lachnummer und so erbärmlich, dass dich niemand mehr mit der Kneifzange anfassen wird, wenn ich mit dir fertig bin«, raune ich ihm ins Ohr. Ich schlage ihn noch einmal. Blut verschmiert sein Gesicht, seine Lippe ist aufgeplatzt.

»Naja, es ist ja auch kein vergifteter Apfel, es ist ein vergiftetes Getränk.«

Die Erkenntnis trifft mich wie ein verdammter Eimer kaltes Wasser.

»Du hast Gift in den Drink gemischt? Wo hast du das überhaupt her?! Das ist ja Mord!«

Er stöhnt. »Pah, bestimmt nicht. Ich gehe für dieses kleine Bückstück doch nicht ins Gefängnis!«

»Dein Verstand muss schon ein Gefängnis sein, wenn du sowas absolut Krankes machst.«

Er schnaubt. »Du hast keine Ahnung, was hier vor sich geht, Ace. Nicht ein bisschen. Statt dich den relevanten Dingen zuzuwenden, kümmerst du dich um jemanden, der selber nur eine bewegliche Figur in einem abgekarteten Spiel ist. Das ganze hier hat Ausmaße, die du dir nicht einmal erträumen kannst. Du findest sie sowieso nicht. Sie bekommt das, was sie verdient, basta. Da brauchst du jetzt gar nicht den Ritter in goldener Rüstung zu spielen. Das hier ist kein Akt des Unheils, sondern der Abrechnung. Für Dinge, von denen wir beide keine Ahnung haben.«

»Rede noch einmal so über sie, und ich werde ganz andere Dinge tun«, fauche ich mit eiskalter Stimme. Seine Worte verunsichern mich, jagen mir Angst ein, weil ich ihm tatsächlich Glauben schenke. Was, wenn, was auch immer sie tun, der Bestandteil eines Plans ist, von dem sie selber nichts ahnen? Ich lasse Arion zurück und suche nach Josh, oder Lillian, Hauptsache einer hat Paige gefunden. Keiner von den beiden ist zu sehen, aber hinter mir ruft jemand meinen Namen.

Ich drehe mich um und sehe Lillian, die sich den Weg zu mir bahnt. Sie atmet ein paar Mal tief ein und aus. »Ich habe sie gesehen«, japst sie.

»Wo?«

»Mit Brian. Er hat sie in ein Schlafzimmer geschoben, wir müssen da ganz schnell hin!«

Meine Gesichtszüge entgleisen mir. Ich fluche wütend vor mich hin. »Bringe mich zu diesem verdammten Zimmer!«, rufe ich so wütend. Der Zorn in mir lässt meine Nerven Feuer fangen. So stark, dass ich lichterloh brenne und es mit jedem Monster der Unterwelt auf mich nehmen kann. Lillian nickt schnell. »Soll ich Josh noch schnell holen?«

»Nein! Bring mich einfach zu ihr! Wer weiß, was dieser ekelhafte Kerl mit ihr macht!«, weise ich sie an. Wieder nickt sie und zieht mich durch die Menge. Wir eilen durch den Flur, zweigen rechts ab und landen in einem weniger besuchten Teil der Party. Hier sind drei Zimmer, vermutlich sind alle besetzt. Ein betrunkenes Pärchen knutscht wild am Fensterbrett miteinander, aber sie beachten uns nicht.

»So. In einem der drei Zimmer müssen sie sein. Ich bin euch gleich suchen gegangen, nachdem ich gesehen habe, wo sie hinwollen«, murmelt sie unsicher und deutet auf die drei Türen. Oh verdammt. Das kann ja jetzt nur peinlich werden, wenn wir in das falsche Zimmer gehen. Kurz kommt mir der Gedanke, dass Paige vielleicht auch freiwillig mit Brian gegangen ist. Nein, das ist absurd. Nicht nach allem, was Arion gesagt und angedeutet haben. Die beiden müssen das geplant haben, ganz sicher sogar.

Aber was hat Brian gegen sie? Wie hängt er überhaupt mit ihr zusammen? Dann fällt es mir wieder ein, die bösen Blicke die er ihr nach einigen Wochen zugeworfen hat. Für mich hat es keinen Sinn gemacht, und ihr war es egal. Vielleicht wollte Brian von Anfang an etwas und sie hat ihn abgewiesen? Und jetzt rächt er sich? Aber so? Das ist zu heftig, viel zu heftig. Es muss noch mehr damit zusammenhängen.

Ohne zu zögern gehe nehme ich die zweite Tür. Nur dummerweise liege ich falsch. In dem Zimmer ist ein Paar, die höchst obszöne Dinge miteinander anstellen. »Sorry!«, rufe ich laut und knalle die Tür sofort wieder zu. Peinlich. Egal, rede ich mir gut zu. Ich soll keine Zeit verlieren. Lillian kichert hinter mir.

Jetzt bleiben noch zwei Türen. Das Licht ist schummrig, also sieht man mein Gesicht vielleicht nicht. Und hoffentlich sehe ich die Personen auch nicht. Ich will schon auf die erste Tür zusteuern, als mich ein schriller Schrei innehalten lässt. Er versiegt und einige Beschimpfungen werden gebellt, allerdings kommen die Geräusche aus dem dritten Zimmer.

In Blitzgeschwindigkeit liegt meine Hand auf der Türklinke und ich reiße die Tür fast aus den Angeln aus. Schade, dass ich es nicht geschafft habe, so hätte ich sie auf Brian schleudern können. Der drückt Paige nämlich gerade aufs Bett und fummelt an ihrem Kleid rum. Doch schließlich realisiert er, dass er nicht mehr alleine ist und dreht den Kopf zu mir. Das gierige Glitzern in seinen Augen wird durch eine erschrockene Grimasse ersetzt.

»Oh... ähm... Ace... Hey, was geht, Mann?«, fragt er unbehaglich und deutet den Ärger in meinem Gesicht genau richtig. Unsicher steigt er von Paige runter, die laut schluchzt. Mit bedächtigen Schritten nähere ich mich dem Bett. Brian weicht wie ein verängstigtes Tier zurück, bis er am Rand des Bettes ankommt.

Das Tier in mir ist entfesselt, bereit, auf ihn loszugehen.

»Also... Es sieht nicht so aus, wie es ist... Ich meine, es ist nicht so, wie es aussieht«, stammelt er. Noch immer sage ich kein Wort, vermutlich reicht der wütende Ausdruck in meinem Gesicht auch schon. Ich balle die Hände zu Fäusten. Paige reckt den Kopf in die Höhe und stößt ein erleichtertes Geräusch aus. Ich schaue sie an. Er hat ihr nichts getan, zum Glück. Ihr Lippenstift ist verwischt und unter ihrem rechten Auge ist Haut abgeplatzt.

Ich beuge mich über Brian.

»Was ist es denn stattdessen?«, frage ich mit messerscharfer Stimme. Er will schon etwas sagen, aber da trifft meine Faust schon seine Visage und er stößt nur ein schmerzerfülltes Stöhnen aus. Ich komme jetzt erst richtig in Fahrt, aber da schluchzte Paige wieder laut auf. »Ace, bitte bring mich einfach nach Hause... Bitte.«

Sie schlägt sich die Hände vors Gesicht, als könne sie so alles andere ausblenden.

»Ich bin noch nicht mit dir fertig«, zische ich Brian nur ins Oh und hebe Paige hoch, die sich sofort an mich klammert. Mit ihr auf dem Arm verlasse ich das Schlafzimmer. Lillian kommt sofort zu uns gerannt. »Ich bringe sie nach Hause«, sage ich knapp und lasse sie einfach stehen. Im Flur schnappe ich mir nur noch schnell meine Jacke, aber ich habe keine Ahnung wo die von Paige ist.

»Paige, wo ist deine Jacke?«, frage ich mit sanfter Stimme. Sie schlägt die Augen auf und zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung«, murmelt sie. Ich seufze. »Schön, dann kriegst du meine.«

Ich lege meine Jacke wie eine Decke auf sie und trage sie aus der Wohnung. Draußen in der abendlichen Kühle nestle ich mein Handy aus der Hosentasche und rufe ein Taxi.

»Kannst du stehen?«, frage ich, da sie langsam echt schwer wird. Sie schüttelt mit dem Kopf.

»Nö.«

»Was hat er getan?«

Wieder schüttelt sie mit dem Kopf, aber viel hektischer. Sie zittert am ganzen Leib und ich glaube, dass sie gerade eine Panik-Attacke hat. »Ich will nicht daran denken, bitte nicht.«

Wieder wird ihr Körper von heftigen Schluchzern erschüttert.

»Es ist okay, du musst nicht darüber reden. Alles wird gut«, flüstere ich möglichst beruhigend. Sie klammert sich noch enger an mich.

»Danke. Danke, dass du für mich da warst... Einfach Danke.«

»Ich würde es jederzeit wieder machen.«

Sie schnieft leicht. »Ich habe leider keine Taschentücher für dich.«

Sie lacht leise. »Ich heule einfach an deinen Pullover.«

»Ist okay.«

Ungläubig schaut sie mich an. »Echt jetzt?« Ich zucke nur mit den Schultern. »Hauptsache du bist unversehrt«, gestehe ich leise und betrachte sie voller Sorge. Noch immer ist sie so schön, dass es fast wehtut, sie anzusehen. Majestätisch, eine Königin. Doch in diesem Augenblick ist sie auch unsagbar gebrochen. Das Taxi hält von uns und ich gebe dem Fahrer die Adresse. Die Gebäude ziehen an uns vorbei, genauso wie die bunten Lichter. New York schläft nicht, nein, nachts ist die Stadt erst wirklich lebendig.

Die brennenden Lichter in den unterschiedlichsten Wohnungen sehen aus wie Sterne, nur sind sie greifbarer. Paige lehnt sich an mich und umklammert meine Hüfe mit ihren Armen. Nach ungefähr zwanzig Minuten gehen ihre Atemzüge gleichmäßig, vielleicht ist sie eingeschlafen. Wir kommen vor ihrem Appartementgebäude an und ich bezahle den Fahrer.

Ich trage sie in die Lobby, uns öffnet sogar ein Mann im mittleren Alter die Tür. Ich spüre seinen Blick auf mir. Aber ich würde es vermutlich auch seltsam finden, wenn eine Anwohnerin völlig zerrupft von einem fremden Kerl hereingetragen wird. Bedacht, Paige nicht zu sehr zu erschöpfen, gehe auf den Fahrstuhl zu, aber ich weiß nicht, in welche Etage sie muss.

Vielleicht sollte ich sie einfach in die Eingangshalle legen?

Nein, lieber nicht. Schweren Herzens wecke ich sie, dabei hat sie so friedlich ausgesehen. Ich drücke den Knopf, damit der Fahrstuhl runterfährt. »Paige, in welche Etage musst du?«, frage ich sie.

Keine Reaktion. Fuck.

Ich will ihr nicht ins Ohr brüllen, und meine Hände sind nicht frei, ich trage sie ja. Also puste ich ihr ins Gesicht. Nach dem dritten Mal regiert sie. »He, was soll das denn?«

Sie blinzelt. »Wo sind wir?«

»Bei dir. In welche Etage muss ich?« Der Fahrstuhl öffnet sich. Ich gehe rein. Sie dreht sich in meinem Arm zu mir. »Du musst den Code eingeben, damit fährt der direkt in unser Apartment.«

»Und der Code lautet?«

»2503.«

Ich tippe die Zahlen ein und wir fahren hoch. Gruselige Fahrstuhlmusik dröhnt durch die Anlage. Es ertönt ein helles Geräusch und die Türen öffnen sich. Ich steige aus und sofort geht das Licht an. Vorsichtig laufe ich geradeaus und komme in ein großes Wohnzimmer. Da meine Arme mittlerweile schon richtig schmerzen, lege ich sie auf das gewaltige Sofa.

»Okay, ich denke, ich gehe mal besser«, murmle ich. Paige macht ein protestierendes Geräusch und hustet. »Nein!«, ruft sie heiser und hustet erneut. »Bitte bleib«, bringt sie mit kratziger Stimme hervor.

»Ich bin mir nicht sicher, ob das die beste Idee ist.«

»Aber du musst doch auf mich aufpassen«, sagt sie und schaut mich trotzig an. Ich beiße mir auf die Lippe. »Na schön. Aber nicht lange.« Sie kneift die Augen zusammen. »Du kannst auch hier übernachten. Genug Zimmer haben wir.«

Das glaube ich gerne. So groß wie das Wohnzimmer ist, ist unsere halbe Wohnung. Sie fährt mir durch die Haare. »Ich könnte meine Mission jetzt erfüllen«, murmelt sie desillusioniert. Ich schüttle den Kopf. »Du solltest besser schlafen«, B

befehle ich leise. Sie schürzt die Lippen wie ein bockiges Kind. »Warum?«

»Paige, ich habe keine Ahnung, was Arion dir in den Drink gemischt hat. Du solltest dich ausruhen. Wir haben alle Zeit der Welt.«

»Haben wir nicht«

»Paige...«

Tränen laufen ihr über die Wangen und sie schluchzt an meine Brust. Sie ist von der Hand des Lebens geschaffene Kunst. Und deswegen gibt es nichts Schlimmeres, nichts Furchtbareres, als sie zerbrechen zu sehen. Als zuzusehen, wie sie auf dem Boden der Selbstverachtung aufschlägt. Niemand ist da, um sie aufzuheben, also werde ich diesen Job übernehmen.

»Dich stört es, oder? Wie ich aussehe, völlig ramponiert und durchgenudelt. Aber weißt du was, das ist halt die hässliche Seite an mir. Wenn du sie nicht akzeptieren kannst, solltest du vermutlich wirklich gehen«, sagt sie klar und deutlich, plötzlich alles andere als desillusioniert. Sofort zieht sie ihre Hände zurück. Am liebsten würde ich ihr sagen, dass sie weitermachen soll.

»Das ist es nicht. Aber du hast wer weiß was intus. Und wenn ich dich küsse, sollst du dich auch noch lange daran erinnern, und den Kuss nicht mit solchen Erinnerungen in Verbindung bringen.«

Außerdem wird sie den Kuss irgendwann bereuen. Wenn sie erstmal alles über mich weiß, die dreckige Seite sieht, wird sie schneller weg sein, als ich bis fünf zählen kann. Diese Seite konnte noch nie jemand lieben. Nicht einmal Caleb kommt damit klar. Immer wenn ich das Thema anschneide, wird er wütend und schlägt immer etwas kaputt. Und zudem ist da immer noch diese Spur Abscheu in seinem Gesicht, wenn er mich ansieht. Ich verscheuche die Gedanken. Sie muss es ja nie erfahren.

Sie seufzt. »Das klingt vernünftig. Zu vernünftig und das nervt mich.«

»Ist es auch. Und jetzt schlaf.«

»Nur wenn du mitmachst«, sie bemerkt den Schock in meinem Gesicht. »Herrje, doch nicht mit mir! Bei mir.« Ich seufze ergeben. »Na schön.«

Wir ziehen die Schuhe aus und legen uns auf die Couch. Paige schnappt sich noch eine dünne Decke, die zusammengelegt am Rand liegt. Sie greift nach einer Fernbedienung auf dem Couchtisch und schaltet das Licht aus. Sie schmiegt sich eng an mich, sodass ich den Geruch ihres Shampoos rieche und ihren heißen Atem an meinem Hals spüre. Schon nach wenigen Minuten lausche ich ihren gleichmäßigen Atemzügen, bis auch ich in einen friedlichen Schlaf, ohne Albträume sinke.

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