13 Reasons Why

By _Roxana_Tomlinson_

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Abigail Johnson und Hannah Baker waren Freundinnen gewesen, jedoch schien diese Freundschaft nur oberflächlic... More

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Kassette 5, Seite B
Kassette 6, Seite A
Kassette 6, Seite B
Kassette 7, Seite A
Das erste Polaroid
Zwei küssende Mädchen
Die betrunkene Schlampe
Das zweite Polaroid
Die Kalkmaschine
Das Lächeln an den Docks
Das dritte Polaroid
Das kleine Mädchen
Die fehlende Seite
Lächeln, Bitches
Bryce und Chloe
Die Kiste Polaroids
Bye
Wo ist Bryce?
Wer atmet, ist ein Lügner
Gute Menschen sind nicht von schlechten zu unterscheiden
Wütend, jung und männlich
Niemand ist sauber
Man kann andere anhand ihrer Trauer beurteilen
Sogar an einem guten Tag lässt sich schwer sagen, wer auf deiner Seite ist
Immer auf die nächsten schlechten Nachrichten vorbereitet sein
Der Kreis wird kleiner
Da gibt es etwas, das ich dir nicht erzählt habe
Und dann kam das Unwetter
Lass die Toten die Toten begraben
Winterferien
Campus-Tour
Valentinstag
Abschluss-Camping
Hausparty
Donnerstag
Vorstellungsgespräch am College
Angenommen/abgelehnt
Abschlussball
Positiver Einfluss

Mit Abigail Johnson gibt es eine Reihe von Problemen

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By _Roxana_Tomlinson_

Fassungslos starre ich auf den Bildschirm des Laptops. Ich stehe vor Bryce Walker, in der Hand eine Waffe, die auf ihn gerichtet ist. Das Video kommt mir fast schon surreal vor, doch es ist alles wahr. Nur habe ich es niemandem erzählt. Justin ebenso. Er ist der einzige, der weiß, dass ich vor Monaten durchgedreht bin und Bryce Walker mit einer Waffe bedroht hab. Die Waffe habe ich mir von Tyler geliehen. Es war während des Prozesses passiert, dass ich mich vor Bryces Haus wiederfand. Hannahs Stimme hatte mich dazu gebracht. "Abby, vor einer Minute haben Sie mir noch erzählt, dass Sie nur da waren, um mit ihm zu reden.", sagt der Sheriff zu mir.
"So war es ja auch.", erkläre ich leise.
"So sieht nur reden aus?"
"Es ist nicht wie es aussieht."
"Wie sieht es denn für Sie aus?"
Ich schweige. Es sieht überhaupt nicht gut für mich aus. "Sind Sie dorthin gegangen mit der Absicht Bryce zu töten?"
"Nein.", stelle ich klar und sehe den Sheriff zum ersten Mal seit ich auf dem Polizeirevier bin an. "Ich war nur wütend."
"Und weshalb?", fragt der Sheriff weiter. Langsam wird mir schwindelig und ich wünsche mir endlich hier wegzukommen.
"Er ist mit dem, was er getan hat durchgekommen. Obwohl er Hannah vergwaltigt hat.", erzähle ich.
"Also hatten sie vor Hannah Baker zu rächen, indem Sie ihren Vergewaltiger töten?"
"Nein. Ich hab nichts getan, das sehen Sie doch.", sage ich sauer.
"Richtig. Weil sie jemand gestoppt hat. Wo haben Sie die Waffe her?"
Ich schlucke. Ich darf nicht sagen, woher ich sie habe. Es sind schon genug Menschen involviert. Wenn rauskommt, dass ich sie von Tyler habe, werden die Polizisten herausfinden, wer der Schütze beim Spring Fling war. Deshalb entscheide ich mich dazu, zu lügen. "Von so einem Kerl. Ich hab ihn im Internet gefunden. Keine Ahnung, wie er heißt."
"Haben Sie die Waffe damals auch mit zu Bryce genommen, als Sie gedroht haben, ihn zu töten?"
"Nein.", entgegne ich ihm.
"Und wo ist sie jetzt?"
"Justin hat sie in der Nacht entsorgt. In irgendeinem Mülleimer in der Innenstadt glaub ich.", sage ich, nachdem ich einmal durchgeatmet habe. "Das war eine einmalige Sache."
"Sind Sie sich da ganz sicher? War es wirklich Ihr letzter Versuch Bryce zu konfrontieren?", fragt der Sheriff. Reumütig schüttel ich den Kopf.
"Wir haben Ihre Fingerabdrücke an der Fahrertür von Bryces Auto sichergestellt."
"Eine Freundin wohnt in Bryces Haus, ich war oft in der Nähe.", erzähle ich.
"Ihre Freundin Ani?" Der Sheriff setzt sich aufrecht hin, ohne mich aus den Augen zu lassen. Ich nicke. "Genau."
"Sie ist Ihnen wichtig und Sie wollen sie beschützen, richtig?"
"Ich glaube, jeder will seine Freunde beschützen.", erwidere ich schulterzuckend.
"Ja, aber vielleicht hatten Sie ja das Gefühl, Ani beschützen zu müssen. Vor Bryce. So ähnlich, wie Sie damals dachten, Sie würden Hannah beschützen müssen." Der Polizist will mich tatsächlich dazu bringen, dass ich den Mord an Bryce gestehe. Einen Mord, den ich nie begangen habe.
"Das wollte ich doch gar nicht. Sie war schon tot!", mache ich deutlich.
"Weil Sie es nicht geschafft haben sie zu beschützen. Vielleicht haben Sie nach jemand anderem gesucht, das Sie retten können.", entgegnet mir der Polizist und beugt sich langsam vor. Fassungslos schaue ich ihn an. Das ist doch alles ein schlechter Witz. "Ich wollte nie irgendjemanden retten."
"Ani wohnt ausgerechnet bei dem Typen, der Hannah weh getan hat."
"Das kann man nicht vergleichen.", unterbreche ich ihn sofort. "Ani ist... Nicht so wie Hannah." Seufzend senke ich den Blick und richte ihn auf meine Hände. Die Sache ist die, Ani und ich haben uns anfangs echt gut verstanden. Sie hatte ihre Meinungen und ich meine.

"Du bist echt irre, weißt du das?", fragte ich Ani, während ich kopfschüttelnd Kaffee in zwei Becher füllte. "Und du fühlst dich dauernd angegriffen.", stellte Ani fest.
"Du hast meinen Lieblingscharakter in Stücke gerissen." Empört stellte ich die Kanne Kaffee auf den Tisch. Dabei achtete ich natürlich, dass kein Kaffee auf den Tisch kam, den Justin und ich erst kürzlich gekauft hatten. "Genau, da liegt der Fehler. Percy kann doch nicht dein Lieblingscharakter sein. Richtig miese Entscheidung. Du hast echt keine Ahnung. Sorry.", entgegnete mir Ani selbstsicher. Kopfschüttelnd nahm ich auf einem Stuhl Platz. "Du hast keine Ahnung, sorry. Du stehst ernsthaft auf Astrid und Zymorx! Er ist ein dämlicher Roboter, der dringend ein bisschen mehr Hirn bräuchte. Astrid hat was besseres verdient!"
"Astrid ist eine sich selbst versorgende Heilerin, die sich dazu entschließt in jedem das Beste zu sehen. Muss ich dich daran erinnern, dass das einzige, das Percy ausmacht, sein Drang ist jeden zu retten?" Langsam verarbeitete ich, was sie da gesagt hatte und schüttelte zaghaft den Kopf. Wir stritten uns tatsächlich um eines meiner Lieblings Graphic Novels.
"Oh, okay. Okay, jetzt kapier ich es.", sagte Ani plötzlich und sah mich wissend an, was mich verwirrt die Stirn runzeln ließ. Dann verstand ich. Sie verglich mich wirklich mit Percy.
"Ich hasse dich. Abgrundtief.", entgegnete ich.
"Tust du nicht. Und jetzt hör auf meinen Kaffee mit deinem depressiven Gelaber zu foltern. Gib ihn her."
"Nein.", sagte ich und weigerte mich. Schmunzelnd griff Ani nach der Tasse, doch ich schnappte sie ihr weg. "Sag, dass du Percy magst.", trällerte ich.
"Nein.", meinte sie und versuchte die Tasse zu kriegen, doch ich hielt sie weit weg von ihr. "Im ernst, sag, du magst Percy. Nur so kriegst du deinen Kaffee.", lachte ich. Ani lachte ebenfalls.

Wir haben viele Gemeinsamkeiten. Aber auch viele Unterschiede. Wir waren Freunde. Einfach Freunde. "Was wissen Sie über das Verhältnis zwischen Ani und Bryce?", fragt der Polizist mich und verschränkt die Hände hinter seinem Kopf.
"Sie hat gesagt, dass sie kaum miteinander reden und dass sie sich von ihm fernhält.", antworte ich.
"Das haben Sie geglaubt?"
"Ja.", entgegne ich und schlucke. Denn ich bin mir nicht mehr so sicher, wie ich es einmal war. "Anis Fingerabdrücke waren überall im Innenraum von Bryces Range Rover."
"Okay. ", sage ich, doch es klingt mehr wie eine Frage.
"Das ist okay für Sie? Ich dachte, sie wollte sich von ihm fernhalten?"
"Vielleicht hat er sie mal zum Supermarkt gefahren. Sie hilft ihrer Mutter manchmal bei den Einkäufen.", erkläre ich. Glauben tu ich es allerdings selbst nicht so ganz.
"Ist ne Möglichkeit. Oder wer weiß, Ani und Bryce waren vielleicht öfter zusammen unterwegs. Vielleicht waren sie Freunde."
"Waren sie nicht.", stelle ich überzeugt klar.
"Sie lebten zusammen, waren immer in der Nähe des Anderen. Es ist schwer zu glauben, dass sie keine Freunde waren, oder?", fragt der Polizist mich.
"Ich denke, sie haben sich flüchtig gekannt, aber sonst nichts."
"Glauben Sie nicht, dass es möglich ist, dass Sie sogar intim waren?"
"Nein." Auf diese Provokation werde ich sicherlich nicht eingehen. Der Polizist sieht mich prüfend an, ehe er in eine Kiste greift und eine Tüte herausholt. Fragend schaue ich auf den Schlüpfer aus Spitze. "Den haben wir in Bryces Zimmer gefunden und untersuchen lassen. Wir haben Spermaspuren von Bryce gefunden und Blut. Allerdings nicht von ihm. Nicht seine Blutgruppe. Wir dachten, dass es vielleicht von seiner Exfreundin ist, also haben wir Chloe Rice gefragt und naja, auch nicht ihre Blutgruppe. "
"Aber wieso Blut?", frage ich dümmlich, da ich es mir irgendwie nicht erklären kann, warum Blut gefunden wurde.
"Nur Spuren, nichts Ungewöhnliches. Von der Menstruation oder vielleicht härterem Sex.", antwortet der Polizist mir ganz locker.
"Sie hatten keinen Sex. Der is nicht von Ani.", stelle ich sauer klar. Davon hätte Ani mir doch sicher erzählt. Unmöglich, dass sie mir das verschwiegen hat. Niemals.
"Gut, wir holen uns 'ne DNA-Probe und in einer Woche wissen wir es genau. Weißt du, was ich glaube?" Der Deputy stützt sich mit beiden Händen auf dem Tisch ab und beugt sich zu mir runter. "Dass die Unterwäsche doch Ani gehört. Und dass sie und Bryce intim gewesen sind. Vielleicht war es einvernehmlich, vielleicht aber auch nicht. Ganz egal. Ich glaube, Sie wussten davon. Und damit konnten Sie nicht umgehen." Ich schlucke. Selbst wenn ich es gewusst hätte, ich wäre nie in der Lage gewesen so etwas zu tun. Jemanden zu töten. "Abigail, gibt es etwas, das Sie mir sagen wollen?" Der Deputy sieht mich eindringlich an.
"Es muss eine Erklärung dafür geben. Sie hatte keinen Sex mit Bryce.", entgegne ich. Meine Augen fangen zu brennen an, doch ich werde sicher nicht vor diesem Polizisten weinen. "Ich weiß, an die beiden zu denken, wie sie zusammen sind, ist sicher schwer, weil Sie sie geliebt haben. Sie haben Ani geliebt, genauso wie Sie Hannah geliebt haben und beide wurden Ihnen genommen. Von Bryce." Im nächsten Moment wird die Tür aufgeschlagen und meine Tante Polly betritt den Verhörungsraum. Ich kann ihr an ihrem Gesicht ablesen, dass sie sauer ist. "Es reicht jetzt. Abigail, lass uns gehen.", sagt sie forsch und durchbohrt den Deputy mit tödlichen Blicken. "Wir stecken mitten in einer vertraulichen Unterhaltung.", erklärt er, doch Tante Polly schneidet ihm das Wort ab. "Ich würde es Verhör nennen. Und Belästigung ebenfalls. Und das wars jetzt."
"Abigail tut das freiwillig."
Verdutzt schaue ich ihn an. Ich sitze hier ganz bestimmt nicht freiwillig.
"Und Justin? Er ist siebzehn."
"Sie wurden benachrichtigt."
"Bei meiner alten Firma. Das ist keine angemessene Bemühung um einen Kontakt."
"Es geht hier um eine Mordermittlung!"
"Werden Sie sie verhaften?", fragt Tante Polly provokant. "Ich nehme sie beide mit. Na los." Tante Polly greift nach meinen Arm, um mich hochziehen. Schweigend folge ich ihr nach draußen.

Zu Hause haben mein Dad und Tante Polly Justin und mich an den Tisch in der Küche gesetzt. Ich hab keinen blassen Schimmer wie ich ihnen erklären soll, dass ich Bryce gedroht habe ihn umzubringen. "Warum hast du mich nicht sofort angerufen?", fragt mein Vater mich streng.
"Ich wollte nicht, dass ihr euch Sorgen macht.", antworte ich ohne die beiden anzusehen.
"Machen wir uns aber.", entgegnet mir Tante Polly immer noch wütend.
"Abby, Justin sagt, letzte Woche musstest du auch schon aussagen.", macht mein Vater weiter. Danke, Justin. Was hast du ihnen denn noch so erzählt? "Das war nur ein Zufall. Sie haben mit vielen Schülern gesprochen.", stelle ich ruhig klar. Es reicht, wenn Tante Polly aufgebracht ist. Wenn ich es auch bin, bringt es hier niemandem etwas.
"Warum hast du zugestimmt, ohne Anwalt nochmal mit ihnen zu reden, wo sie doch offensichtlich denken, dass du was damit zu tun hast?", fragt Tante Polly mich.
"Weil ich ganz einfach nichts damit zu tun habe."
Ich verschränke die Arme vor der Brust und blicke Tante Polly das erste Mal an seit sie mich abgeholt hat.
"Wir suchen dir einen Anwalt."
"Abby hat nichts getan.", mischt sich Justin in das Gespräch ein.
"Okay, lasst uns ganz ruhig bleiben.", versucht mein Vater seine Schwester zu besänftigen, die offensichtlich am ausflippen ist. Mich wundert es, dass sie mir noch nichts an den Kopf geworfen hat.
"Sie hatte eine Waffe in der Hand, David!"
"Das war nichts.", widerspreche ich.
"Nichts?" Tante Polly sieht mich mit geweiteten Augen an. "Eine Waffe ist nichts? Wo hast du sie her? Wo ist sie jetzt?" Ich schweige. "Abby, was hast du dir nur dabei gedacht?"
"Das ist unwichtig, okay?", sage ich laut. "Ich war wütend und hab mir die Waffe von 'nem Freund geborgt und zurückgegeben."
"Welcher Freund?", fragt Tante Polly.
Wieder schweige ich. Das wird sie niemals erfahren, sonst ist Tyler erledigt. "Justin, weißt du es?", wendet sie sich an Justin, der still neben mir sitzt.
"Lass ihn da raus.", werfe ich sauer ein.
"Ich glaube nicht, dass du verstehst, was hier los ist."
"Ich hab nichts damit zu tun!"
"Aber die Polizei sieht das anders."
"Ich war es nicht!", schreie ich meine Tante an, da es den Eindruck macht, als würde sie mir nicht glauben wollen.
"Du weißt so gut wie ich, dass unser Rechtssystem nicht perfekt ist und deine Unschuld nicht ausreicht für eine Verteidigung!" Auch Tante Polly schreit mich nun an. Wenn das so weiter geht, werde ich einfach dieses verdammte Haus verlassen und nie wieder kommen. "Du vertraust mir nicht.", stelle ich enttäuscht fest. "Du denkst, ich hab was getan! Willst du mich verarschen oder was?" Wütend stehe ich auf und werfe beinahe meinen Stuhl dabei um.
"Hey, lasst uns alle mal durchatmen.", meint mein Vater ruhig. Wie kann er in dieser Situation nur so entspannt bleiben? "Dad, du glaubst mir doch, oder?", frage ich ihn.
Mein Vater nickt. "Aber natürlich."
Wenigstens einer tut das.
"Abby, wir werden das regeln. Wir tun alles erdenkliche, um dich zu schützen, aber dafür musst du ehrlich sein. Lüg uns nicht mehr an.", kommt es diesmal ruhiger von Tante Polly.
"Ich hab noch nie gelogen!"
"Du verschweigst uns etwas."
"Du denkst, ich könnte jemanden umbringen?" Fassungslos schaue ich sie an. Meine eigene Familie denkt tatsächlich ich wäre zu einem Mord fähig.
"Es ist völlig egal, was ich denke."
"Ist es nicht!", schreie ich sie an. Enttäuscht und mit Tränen in den Augen verlasse ich das Haus, um in mein Zimmer zu gehen. Es ist verdammt nochmal nicht egal, was meine Familie über mich denkt. Wenn nicht mal Tante Polly mir glaubt, wer tut es dann?

Sobald ich in meinem Zimmer bin, fange ich an alles zu verwüsten. Wütend reiße ich die Poster von den Wänden und schmeiße alles vom Tisch, was dort liegt. Als ich fertig damit bin, mache ich mit der Stehlampe weiter und kippe sie einfach um. Ich mache immer so weiter bis ich irgendwann einfach auf dem Boden sitze, in mitten des ganzen Chaos und still bin. Keine einzige Träne rollt mir über die Wange, weil ich nicht einmal mehr zum Weinen in der Lage bin. Es ist offiziell. Ich bin gebrochen. Jetzt kann ich verstehen, warum Hannah aus dieser verdammten Welt ausbrechen wollte. Mit einem leisen Geräusch öffnet sich die Tür und Justin kommt herein. Als er das verwüstete Zimmer sieht, blickt er mich überrascht an. "Alter Schwede. Deine Seite sieht wie meine aus." Es soll ein Witz sein, doch ich lache nicht. Nicht einmal Justins Humor kann mich aus diesem Loch holen, in dem ich festsitze. "Habt ihr über mich gesprochen?", frage ich und sehe Justin erwartungsvoll an.
"Ja, aber ich hab nichts gesagt.", antwortet er mir und setzt sich auf sein Bett.
"Und wie ist das Gefühl?", frage ich verachtend.
"Was?"
"Das gute Kind zu sein."
"Abby, komm schon. Ich bin auf deiner Seite.", erklärt Justin mir.
"Wunderbar...", murmel ich leise.
"Was haben die Cops zu dir gesagt?"
"Sie denken, dass Bryce und Ani... eine Beziehung hatten. Dass sie Sex hatten.", beginne ich zu erzählen. Bei dem Gedanken wird mir wieder schlecht. Justin runzelt verwirrt die Stirn.
"Wie jetzt? Hat er... sie vergewaltigt? Oder so richtig mit Liebe und so?"
"Keine Ahnung. Eins von beiden.", antworte ich und spiele mit den Scherben der Vase, die ich kaputt gemacht habe, als ich den Tisch leer gefegt habe. "Was denkst du?", fragt Justin und beobachtet jede meiner Bewegungen. Ich zucke mit den Schultern. "Sie sagte mir, sie hatten nie was."
"Und glaubst du ihr?"
"Ich weiß es nicht.", entgegne ich ihm.

"Wie soll ich da rein gehen?", frage ich Justin im Auto und starre das Schulgebäude an. Jeder weiß, dass ich bei der Polizei war. Und jeder wird vermuten, worum es dabei ging. Es ist nur eine Frage der Zeit bis sie sich alle auf mich stürzen wie Geier. "Jeder denkt doch, ich wär ein Mörder."
"Wollen wir schwänzen? Was denkst du?", fragt Justin mich.
"Ich glaube, das ist keine gute Idee, oder?", entgegne ich und sehe Justin an.
"Du musst da rein gehen und allen zeigen, dass du die Wahrheit kennst und dir ihre Meinung ein Scheiß wert ist. Nur so wirst du das hinkriegen."
Seufzend steige ich aus dem Wagen. Ich schnappe mir meinen Rucksack und gehe zielstrebig auf das Schulgebäude zu. Im Flur ist es beinahe leer. Mittlerweile sind die meisten schon im Unterricht. Nur Tony läuft durch den Gang und kommt direkt auf mich zu.
"Abby. Verdammte scheiße. Sie haben dich den ganzen Tag festgehalten?", fragt er mich entsetzt.
"Ja, eigentlich wollte ich deinen Rekord brechen, aber über Nacht ging nicht.", antwortete ich sarkastisch. Tony verzog keine Miene, sondern sah mich einfach nur still an. "Sorry, ich wollte nur witzig sein."
"Abby, Ani hat alle ausgefragt. Über das Homecoming. Und wohin du nach dem Spiel gegangen bist."
"Ach wirklich?", frage ich Tony und beiße die Zähne zusammen. Unfassbar, dass sie mich schon verurteilt hat.
"Sag Bescheid, wenn du ein Alibi brauchst, okay?"
"Alibi?" Verwirrt schaue ich Tony an.
"Egal wofür."
"Ich hab nichts getan. Ich brauch kein Alibi.", entgegne ich sauer und will an Tony vorbei gehen.
"Komm schon, Abby."
Wütend drehe ich mich zu Tony um. "Wo warst du in der Nacht, Tony? Hast du für jede Minute einen Nachweis?"
"Warte, Abby.", sagt Tony, doch ich ignoriere ihn und gehe in den Unterricht.

Weil ich nicht verstehen kann, wieso Ani alle über mich ausfragt, mache ich mich nach dem Unterricht auf die Suche nach Ani. Ich brauche Antworten und diesmal von ihr. Immerhin ist sie diejenige, die allen etwas verheimlicht, aber jeden anderen für den Tod von Bryce verantwortlich machen will. Als ich sie in einem der Computerräume sitzen sehe, betrete ich den Raum und verschränke die Arme vor der Brust. "Warum hast du es mir nicht gesagt?", frage ich. Ani, die mich zuvor nicht bemerkt hat, dreht sich erschrocken zu mir um.
"Du kennst nicht die ganze Geschichte.", entgegnet sie mir sofort.
"Du hast nur gelogen. Die ganze Zeit über. Seit ich dich kenne."
"Nein."
"Lügnerin. Das hast du mir sogar selbst gesagt. Wie konnte ich nur so dumm sein?", frage ich frustriert. "Menschen sagen einem immer wer sie sind, man muss nur zuhören. Und du bist 'ne scheiß Lügnerin!"
"Hey! Hey, das ist nicht fair.", sagt Ani und wird selbst sauer.
"Weißt du, bei dem ganzen Scheiß über Bryce kommt immer mehr ans Licht und ich versuch dir immer wieder zu vertrauen! Ich dachte die ganze Zeit, ich hab was falsch gemacht. Du hattest was mit ihm!"
"Nein, das ist nicht die ganze Geschichte!", widerspricht Ani.
"Dann hör auf zu lügen und erzähl sie mir, Ani!", sage ich und gehe ein paar Schritte auf sie zu. "Ich musste da sitzen, als die Cops mir deine Unterwäsche gezeigt haben, die Bryce vollgewichst hat!"
"Oh okay, klar. Jetzt beruhig dich."
"Du sagst, du bist immer so wie du sein musst, richtig? Wer warst du bei Bryce?", frage ich provokant.
"Du hast mich für ein einsames Mädchen gehalten. Gefangen hinter einer Wand, als ob ich auf den Typen warte, der sie kaputt schlägt und mich vor mir selbst rettet!"
"Bryce! Ich wollte dich vor Bryce retten! Der Kerl, der...", beginne ich laut.
"Du siehst ihn als nichts anderes als ein fieses Monster! Dabei war er nur ein Mensch, der versucht hat sich zu ändern.", redet Ani auf mich ein.
"Bullshit!", entgegne ich ungläubig.
"Würdest du wollen, dass man dein ganzes Leben nach einer schlimmen Sache, die du mal getan hast beurteilt?", fragt Ani aufgebracht.
"Er war ein Vergewaltiger!"
"Ach und Tyler? Er hätte euch doch fast alle ermordet und für ihn reißt du dir den Arsch auf!"
"Das ist nicht das gleiche!", widerspreche ich. "Bryce hat es nicht verdient!"
"Oh also darf nur Abigail Johnson entscheiden, wer gerettet werden darf oder was?"
"Oh also deswegen hast du mit ihm geschlafen. Um ihn zu retten."
"Abby, hör doch auf so kindisch zu sein.", sagt Ani ruhiger als vorhin.
"Warst du in Bryce verliebt?", frage ich sie neugierig.
"Es ist nicht so einfach!"
"Es ist super einfach, Ani.", entgegne ich ihr sauer. "Ja oder nein?" Ani schweigt mich an. "Ja oder nein?!" Ani zuckt zusammen, da ich lauter geworden bin. "Er hätte sich niemals gebessert, Ani. Egal, was du getan hättest, er wär immer das Schwein geblieben, das er war. Der ganzen verfickten Welt geht es besser jetzt da er weg ist." Ani schaut mich schockiert an. Sie kann nicht glauben, was ich gerade gesagt habe. Doch es ist nur ein weiterer Hinweis für sie.
"Wo warst du eigentlich nach dem Homecoming?", fragt sie mich. Entsetzt öffne ich den Mund. "Nach eurem Streit. Wo bist du gewesen?" Ich schweige. Wenn sie mir keine Antworten gibt, kriegt sie auch keine. Das Vibrieren ihres Handys unterbricht unsere Diskussion. Ani schaut kurz auf das Display ehe sie leise aufseufzt. "Meine Mum. Ich muss los." Ich schnaube verächtlich.
"Was auch sonst...", murmel ich leise.
Ohne noch etwas zu sagen, geht Ani an mir vorbei.

Nachdem Ani gegangen ist, bleibe ich noch eine Weile im Computerraum, um nachzudenken. Das ganze Theater geht mir allmählich auf die Nerven. Heute Nacht werde ich wohl nicht besonders gut schlafen können. "Hey, Abby.", höre ich plötzlich eine Stimme. Und sie klingt exakt wie die von Bryce. Ich schaue hoch und sehe ihn vor mir stehen. Mit diesem überheblichen Lächeln auf dem Gesicht. "Ohw, dir war doch klar, dass das kommt, oder?" Bitte nicht schon wieder. Das alles existiert nur in meinem Kopf. Bryce ist tot. "Für dich sind die Toten nicht tot. Nicht lange."
"Du bist nicht hier.", sage ich sauer.
"Du denkst, ich bin weg? Dass du mich losgeworden bist? Ich bin unsterblich, Johnson. Ich leb genauso lange wie du. Und jedes Mal, wenn du Jessica ansiehst oder an die liebe Hannah denkst oder auch an Ani, ich werd da sein.", meint Bryce sicher.
"Fick dich.", murmel ich leise.
"Und wenn du diese Stadt verlässt, aufs College gehst, werd ich da sein. Wenn du deinen Abschluss machst, irgendeinen scheiß Job kriegst, ich werd da sein. Obwohl vielleicht bekommst du 'nen richtig geilen Job bei 'ner Bank. Oder vielleicht wirst du eine Anwältin. Wie deine Tante. Ich werde dich auf Schritt und Tritt verfolgen. Für den Rest deines Lebens wirst du mich überall sehen. Ich ficke Jessica, ficke Hannah, ficke Ani. "
"Nein!", brülle ich und haue auf den Tisch. Bryce grinst mich immer noch an. "Mich kannst du nicht mehr bestrafen. Aber sie schon.", sagt er. Ich schließe die Augen. "Du bist tot. Du hast diese Welt verlassen. Du bist 'ne aufgeblähte Leiche, die ein Loch im Kopf hat!", rede ich auf mich selbst ein.
"Ich mag diese Welt verlassen haben. Aber ich werde in den Körpern von Millionen Männern wiedergeboren. Und es gibt nichts, es gibt nichts, was du dagegen unternehmen kannst. Dir geht es nicht gut, Abby. Du brauchst Hilfe." Bryce verschwindet aus meinem Kopf und lässt mich sitzen. Und ich fange an zu weinen. Genauso wie damals mit Hannah.

Völlig durchnässt vom Regen komme ich in mein Zimmer und entdecke Ani. Verwundert schaue ich sie an, denn sie sieht sich in meinem Zimmer um. "Was willst du hier?", frage ich sie. Ani dreht sich zu mir um.
"Was ist denn passiert?", fragt sie und mustert mich von oben bis unten.
"Ich komme gerade von der Schule. Verdammt nochmal, was machst du hier?", frage ich erneut und gehe einen Schritt auf sie zu. Ani weicht zurück. Ungläubig schaue ich sie an.
"Hast du... Angst vor mir?" Anis Schweigen ist Antwort genug. Sie hat Angst. Angst, dass ich Bryce getötet habe.

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