13 Reasons Why

By _Roxana_Tomlinson_

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Abigail Johnson und Hannah Baker waren Freundinnen gewesen, jedoch schien diese Freundschaft nur oberflächlic... More

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Kassette 7, Seite A
Das erste Polaroid
Zwei küssende Mädchen
Die betrunkene Schlampe
Das zweite Polaroid
Die Kalkmaschine
Das Lächeln an den Docks
Das dritte Polaroid
Das kleine Mädchen
Die fehlende Seite
Lächeln, Bitches
Bryce und Chloe
Die Kiste Polaroids
Bye
Wo ist Bryce?
Wer atmet, ist ein Lügner
Gute Menschen sind nicht von schlechten zu unterscheiden
Wütend, jung und männlich
Niemand ist sauber
Mit Abigail Johnson gibt es eine Reihe von Problemen
Sogar an einem guten Tag lässt sich schwer sagen, wer auf deiner Seite ist
Immer auf die nächsten schlechten Nachrichten vorbereitet sein
Der Kreis wird kleiner
Da gibt es etwas, das ich dir nicht erzählt habe
Und dann kam das Unwetter
Lass die Toten die Toten begraben
Winterferien
Campus-Tour
Valentinstag
Abschluss-Camping
Hausparty
Donnerstag
Vorstellungsgespräch am College
Angenommen/abgelehnt
Abschlussball
Positiver Einfluss

Man kann andere anhand ihrer Trauer beurteilen

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By _Roxana_Tomlinson_

Wir haben alle Geheimnisse, die wir mit uns rumtragen. Und je mehr es sind, desto schwerer wiegt die Last. Auch wenn manche von uns inzwischen mehr Übung haben. Tony Padilla war schon immer ein Meister, was Geheimnisse angeht und wir hätten wissen müssen, dass er was verbirgt. In manchen Familien werden Geheimnisse für Jahre verborhen gehalten. Manchmal sogar ein ganzes Leben lang. Doch der Tod hat so eine Art Dinge ans Licht zu bringen. Trauer kann unsere Handlungen beeinflussen wie wir es vielleicht nicht erwarten würden. Justin und ich betreten die Kirche, in der die Beerdigung stattfindet. Mir ist unwohl dabei hier zu sein, zumal ich Bryce nicht einmal mag. Doch Justin war sein Freund. Er verdient Unterstützung. Und meine Familie und ich wollen ihm diese geben. Mein Blick bleibt an Zach hängen, der neben seiner Mutter sitzt. Als unsere Blicke sich treffen, lächle ich leicht, um ihn zu begrüßen. Auch er scheint mir ein Lächeln schenken zu wollen. Doch es gelingt ihm nicht ganz. Rechts neben ihm sitzt Chloe, was mir einen Stich versetzt. Doch ich versuche mich daran zu erinnern, dass sie nur Freunde sind. "Danke, dass ihr mit mir hergekommen seid.", meint Justin und holt mich somit aus meinen Gedanken.
"Aber natürlich.", sagt Tante Polly und streicht ihm über den Arm.
"Ich werd den Jungs mal kurz Hi sagen." Justin wendet sich ab und begibt sich zu den Footballspielern, die gerade die Kirche betreten haben.
"Ja, ich muss auch noch kurz wohin.", sage ich und treffe mich heimlich mit Ani. Ich stehe auf der Treppe, die zum Glockenturm führt und warte auf sie. Als sie auf mich zukommt, packe ich mein Handy weg. "Wir hatten doch ausgemacht, dass du nicht in meine Richtung gucken sollst. Und mir erst recht nicht schreibst. Ich stecke zwischen meiner Mum und Mrs Walker fest.", keift sie mich an.
Genervt verdrehe ich die Augen.
"Aber wir müssen über den Mustang sprechen.", werfe ich ein.
"Ich bin mir zu 90 Prozent sicher, es ist seins."
"Tony schwört, dass er es an einen Typen in Arizona verkauft hat, um seinem Dad zu helfen. Du warst doch dabei, als er meinte, dass ein Teil seines Herzens jetzt in Arizona ist.", entgegne ich ihr.
"Du glaubst ihm das einfach?", fragt Ani mich ungläubig. Entsetzt schaue ich sie an.
"Tony würde mich nicht anlügen. Ja, er hat mir vielleicht mal gewisse Informationen vorenthalten, aber das war was völlig anderes."
"Abby, glaub mir. Es kann nur sein Auto sein."
"Das glaub ich nicht. Und sobald ich Tony gefunden habe, kann ich es dir auch beweisen.", stelle ich klar.
"Was?", fragt Ani verwirrt. Mein Blick bleibt an einem Polizisten hängen, der uns beobachtet. Es ist derselbe, der mich vor dem Haus der Walkers erwischt hat, als ich auf Ani gewartet habe. "Caleb reagiert nicht auf meine Anrufe und in der Werkstatt ist auch niemand. Ich wollte später zum Haus seiner Eltern fahren.", erkläre ich.
"Scheiße, meine Mum. Bis dann.", meint Ani und läuft die Treppe hinunter. Seufzend folge ich ihr.
"Es kann nicht Tonys Auto sein.", sage ich leise.
"Wir reden nachher weiter.", zickt Ani und verschwindet. Genervt verschränke ich die Arme vor der Brust und gehe zu meinen Eltern. Bryces Vater ist ebenfalls da und begrüßt ein paar Leute. Auf mich macht er den Anschein, als wäre er betrunken. Mr Walker hatte versucht Bryce komplett aus seinem Leben zu löschen. Aber trotzdem konnte er ihm einfach nicht entkommen. Genauso wenig wie jetzt. "Was weißt du über Bryces Dad?", frage ich meine Tante, während ich Mr Walker beobachte.
"Eigentlich kenn ich ihn kaum. Wieso fragst du?", antwortet sie und sieht mich fragend an.
"Nachdem ich letztes Jahr bei Bryce war, hattet ihr da nicht Streit?"
"Das stimmt. Mrs Walker hat versucht zu vermitteln. Er ist ein Großmaul, sonst nichts."
"Er soll einfach so aus Bryces Leben verschwunden sein...", erzähle ich ihr.
"Das wusste ich gar nicht. Obwohl mich das nicht gerade überrascht."
"Polly, wir sind auf der Trauerfeier seines Sohnes.", flüstert mein Vater.
"Sieht man ihm aber nicht wirklich an.", antwortet Tante Polly. Und sie hat vollkommen recht damit. Ich krame mein Handy aus meiner Tasche und schicke Ani eine Nachricht. Mr Walker ist komisch. Verdächtig? Ani dreht sich in meine Richtung und sieht mich an. Doch sie zeigt keinerlei Reaktion.

Überraschenderweise soll Zach eine Rede bei der Trauerfeier halten. Und obwohl wir schon länger nicht mehr miteinander gesprochen haben, merke ich ihm an, dass es ihm schwer fällt dort vorne zu stehen. Seine Augen suchen im Raum nach irgendwas, an das er sich festhalten kann. Als sein Blick meinem begegnet, lächle ich ihn aufmunternd an. "Bryce war ein Kämpfer und das nicht nur auf dem Spielfeld. Er hat für sein Team gekämpft. Immer und überall. Er war loyal. Und er war stark. Und er hatte diese Art von Stärke, die ich mir immer gewünscht hatte. Auf 'ne gewisse Art. Ich war nicht immer einverstanden mit Bryce. Oder mit dem, was er tat. Aber manchmal frage ich mich, ob wir nur die Summe unserer Handlungen sind. Oder... Obs nicht doch anders ist. Ich möchte glauben, dass wir mehr sind als das. Es gab eine Zeit, wo Bryce Walker wie ein Bruder für mich war. Und dann gabs Zeiten, in denen er es nicht war. Und dabei sollten wir doch alle Brüder und Schwestern sein. Jeder von uns. Ob es mir gefällt oder nicht. Bryce wird für immer mein Bruder sein. Und..." Zach wendet den Blick ab und schaut auf das große Portrait von Bryce vorne am Altar. "Bryce, es tut mir leid. Es tut mir echt leid und... Und leb wohl." Ich senke den Kopf und schaue auf meine Hände. Zachs Worte haben mich so überwältigt, dass ich am liebsten weinen würde. Vielleicht hat er recht mit dem, was er sagt. Es gab möglicherweise auch Seiten an Bryce, die ich nicht kenne, die aber gut waren. Warum sonst hätte sich Chloe in so jemanden verliebt? In ein Monster. Ganz einfach weil er nie ein Monster war. Er war ein Mensch. Und Menschen tun manchmal schreckliche Dinge. "Nur eine Mutter kann ihr Kind wirklich sehen. Und eine Mutter sieht in diesem Mann den kleinen Jungen, der er war. Es gab einen Bryce, von dem ich wünschte, ihr hättet ihn gekannt. Ja, er war fähig verletzende... Verletzende Dinge zu tun. Aber er war auch fähig aus ganzem Herzen zu lieben. Seine Seele wollte im Grunde gut sein. Doch sein Herz wusste einfach nicht wie. Aber er war... Er war auf dem richtigen Weg. Das hab ich gespürt. Und es gab Momente in den letzten Monaten, in denen ich nicht nur den kleinen Jungen gesehen habe. Sondern den guten Mann, der er geworden wäre.", hält nun Mrs Walker ihre Rede. "Ich hab ihn geliebt. Wir haben ihn geliebt." In meinen Augen sammeln sich Tränen, die ich wegblinzle.
"Bryce Walker war ein Vergewaltiger!", höre ich jemanden laut rufen.
"Glaubt den Überlebenden!"
Die Mädchen aus der Gruppe von Jessica hängen ein Banner auf und rufen laut, dass Bryce ein Vergewaltiger ist. Geschockt öffne ich den Mund, als immer mehr Mädchen aufstehen. "Gerechtigkeit für Hannah!", ruft jemand. Es dauert ein paar Sekunden bis die Polizei eingreift und die Mädchen verhaftet. Doch was mich mehr schockiert, ist die Tatsache, dass Mr Walker auf eines der Mädchen losgeht.

Mr Walker benimmt sich tatsächlich seltsam. Erst scheint es ihn nicht zu kümmern, dass sein Sohn tot ist und plötzlich interessiert es ihn, wenn Vergewaltigungsopfer die Trauerfeier sprengen. "Ich habs dir doch gesagt.", sage ich zu Ani, während wir die Kirche verlassen. "In einem Moment zieht der Kerl noch so 'ne riesen Show ab und kurz danach wird er aggressiv und geht auf dieses Mädchen los."
"Hast du dich jetzt auf Mr Walker eingeschossen, weil du echte Argumente hast oder weil du einfach jeden außer Tony verdächtigen willst?", keift Ani mich an.
"Wenn du mich fragst, dann hat der Kerl echt 'nen Schaden.", entgegne ich ihr.
"Das ist die Trauerfeier für seinen Sohn. Und er muss sich auch noch um die Scheidung kümmern, also ja. Er war betrunken und er war wütend."
"Also willst du mir sagen, dass du ihn noch nie vorher so erlebt hast?", frage ich ungläubig und stelle mich ihr in den Weg. Ani schluckt und senkt den Kopf. "Was ist?", frage ich sie verwirrt.
"Abby, ich muss dir von Caitlin erzählen. Los, komm mit." Ani greift nach meinem Arm und zieht mich mit sich. Sie will nicht glauben, dass ein Vater seinen eigenen Sohn umbringen könnte. Oder dass überhaupt jemand dazu fähig wäre.

Seufzend betrete ich das alte Chattam Haus. Eine Menge Gäste sind trotz der Unannehmlichkeiten in der Kirche zum Kaffee und Kuchen gekommen. Um sich weiterhin von Bryce zu verabschieden. "Danke dafür, dass du mit mir hergekommen bist.", bedankt sich Justin bei mir, während er sich umsieht.
"Ich mach das doch gern für dich.", sage ich und lächle ihn an. Ani kommt auf uns zugelaufen und bekommt sofort meine Aufmerksamkeit. "Hey, ihr zwei. Willkommen. Ist es okay, wenn ich Abby kurz entführe? Wir haben da nämlich ein Projekt."
"Ich glaub, es wär besser, wenn...", beginne ich, doch Justin unterbricht mich.
"Ich komm schon klar.", meint Justin und lächelt mich sanft an, ehe er sich von uns entfernt.
"Im Moment sind noch Wachmänner in der Garage, aber wir können uns sicher reinschleichen, sobald alle Leute anfangen zu gehen.", redet Ani drauf los, sobald Justin weg ist.
"Wir müssen diese Scheidungspapiere finden. Was ist, wenn Bryce was über eine Affäre gewusst hat?", werfe ich ein.
"Seine ganze Familie ist doch stinkreich, Geld kann nicht das Motiv sein." Ani stößt die Tür zur Küche auf und geht hinein. Genervt folge ich ihr.
"Und was ist wenn Bryce die Beziehung kaputt gemacht hat?", frage ich sie leise.
"Können wir uns bitte das Auto ansehen?" Bevor ich antworten kann, steht plötzlich Anis Mutter neben uns.
"Hier bist du also. Kannst du bitte das Eis nachfüllen? Die Cateringleute kommen nicht hinterher." , fragt sie ihre Tochter.
"Na klar, Mama.", meint Ani lächelnd.
"Und du, junge Frau? Bist ein wilkommender Gast. Geh und genieß die Party.", wendet sich ihre Mutter an mich. Langsam nicke ich.
"Ja, Mrs Achola. Ich werde mich schon zurecht finden.", sage ich mit einem Seitenblick zu Ani und gehe wieder zurück zu den anderen Gästen. Ani will nicht helfen? Gut, dann mach ich das eben selbst.

Während die meisten Gäste beschäftigt sind, schleiche ich mich nach oben. Wenn ich diese Scheidungspapiere finde, kann ich Ani vielleicht umstimmen. Als ich endlich im Arbeitszimmer bin, fange ich an den Schreibtisch zu durchsuchen. Tatsächlich werde ich recht schnell fündig. Doch was ich über Caitlin lese, lässt mich nachdenken. Wie es aussieht ist sie gar nicht die Affäre gewesen. Nachdem ich mir alles durchgelesen habe, lege ich alles wieder so hin wie ich es vorgefunden habe und verlasse das Zimmer. Erschrocken schaue ich Justin an, der aus einem der Räume kommt. "Hey", sagt er nervös.
"Hey.", begrüße ich ihn.
"Ich war nur auf der Suche nach dem Badezimmer.", fängt er an sich zu erklären. Ich nicke langsam.
"Ja, ich war auch nur auf der Suche nach mehr... Blumen. Aber hier oben sind keine, also vielleicht unten.", lüge ich und könnte mich selbst ohrfeigen. So schlecht habe ich noch nie gelogen.
"Ja, klar. Also ich werd dann mal weiter nach dem Bad suchen.", meint Justin stotternd.
"Ja, viel Glück."
"Ja, danke."
Mit diesen Worten verabschiedet Justin sich und geht. Seufzend schaue ich ihm nach, ehe ich die Treppe wieder nach unten gehe und Ani auf mich zukommt. "Hast du irgendwas gefunden?", fragt sie mich sofort.
"Caitlin war nicht seine Affäre. In den Scheidungspapieren steht sie als Mr Walkers Unterhaltsberechtigte drin.", erzähle ich ihr flüsternd.
"Unterhaltsberechtigte. Sie ist sein Kind.", stellt Ani fest. Ich nicke. Ja, auch Mr Walker hat seine Geheimnisse. Aber Geheimnisse verlieren ihre Macht, wenn sie aufgedeckt werden. Mr Walker hatte seinen Sohn im Stich gelassen und hatte versucht eine uneheliche Tochter zu verheimlichen. Ani packt mich am Arm und führt mich nach draußen. "Naja, ohne Konsequenzen hat er kein Motiv. Mr Walker ist ein Arschloch, aber er ist kein Killer. Meiner Meinung nach.", meint sie auf dem Weg zur Garage.
"Ach, aber Tony soll einer sein?", frage ich ungläubig.
"Das hab ich nicht gesagt. Okay, beeil dich." Mit schnellen Schritten betreten wir die Garage, in der eine Menge Autos stehen. "Scheinbar sammelt gerade jeder Idiot Mustangs. Ist wohl so 'ne Art Trend oder so.", erzähle ich und folge Ani, während ich die einzelnen Wagen betrachte.
"Naja, also ich hab das Gefühl, dass das hier ein ganz spezieller Mustang ist.", erklärt Ani und nimmt die Plane vom Auto, vor dem sie stehen geblieben ist. Tatsächlich ist es der gleiche Mustang, den Tony besessen hat. Als ich ihn genauer betrachte, weiten sich meine Augen. Es ist seiner. "Ich bin mir sicher, dass es dafür eine gute Erklärung gibt.", sage ich selbstbewusst.
"Und wie könnte die deiner Meinung nach sein?"
"Keine Ahnung.", antworte ich. "Aber er hat ihn nicht umgebracht."

Noch am selben Tag fahre ich zum Haus der Padillas, um mit Tony zu sprechen. An der Tür hängt ein Schild, was mich stutzig macht. Amtliche Bekanntmachung - Zwangsvollstreckung. Wieso hat Tony mir nichts erzählt? Seufzend schaue ich durch das Fenster, doch das Haus ist tatsächlich leer. Als hätte nie jemand dort gewohnt. Und auch als ich um das Haus herum gehe, gibt es keine Spur von Tonys Familie. "Kann ich dir helfen?", spricht mich ein Mann mit spanischem Akzent an.
"Ähm, nein. Ich bin nur auf der Suche nach Tony Padilla oder seinen Eltern oder Geschwistern.", entgegne ich ihm.
"Naja, die wohnen hier nicht mehr."
"Das kann... Im ernst? Aber wo... Wissen Sie, wo er jetzt wohnt?", frage ich den Mann schockiert.
"Keine Ahnung.", antwortet er.
"Also, ich bin auf der Suche nach ihm. Er ist ein Kumpel von mir."
"Ein Kumpel, ja? Aber wo er wohnt, weißt du nicht. Seine Familie musste die Nachbarschaft verlassen. Und ich glaub, es wäre besser, wenn du das auch tust." Droht er mir gerade? Ängstlich schlucke ich und gehe an dem Mann vorbei zu meinem Auto. Auf dem Weg schreibe ich Ani eine Nachricht.

Caleb schließt den Boxclub, in dem er arbeitet auf, um Ani und mich hinein zu lassen. "Er ist da gerade ganz alleine?", fragt Ani ihn. "Wieso hat er denn niemanden angerufen?"
"Das hat er und zwar mich.", antwortet Caleb ihr genervt. Er betritt den Club und wir folgen ihm.
"Und sie halten ihn da immer noch fest?", frage ich entsetzt.
"Ja."
"Hat er einen Anwalt?", fragt Ani.
"Ja."
"Caleb, was soll das? Wieso haben sie ihn festgenommen?", frage ich genervt.
"Es war ein Missverständnis.", erklärt er.
"Aber wo ist seine Familie jetzt hin?"
"Ich würde sagen, du fragst ihn das selbst.", meint Caleb. Wie es aussieht hat er wenig Lust mit uns zu reden.
"Das geht ja offensichtlich nicht.", zicke ich ihn an. "Wieso hatte Bryce seinen Mustang?"
Caleb bleibt stehen und dreht sich langsam zu mir um. "Hat Bryce ihn etwa gestohlen?", frage ich weiter.
"Nein. Er hat ihn Tony abgekauft." Während Caleb uns in seine Wohnung bringt, erzählt er uns, dass Tonys Eltern abgeschoben worden sind. Es gibt viele Dinge, die wir betrauern, die nichts mit dem Tod zu tun haben. Diese Art der Trauer liegt jenseits des Todes. Jenseits der Vorstellungskraft. Und jenseits aller Worte. "Wieso hab ich das nicht gewusst?", frage ich und fahre mir durch die Haare. Tony ist einer meiner besten Freunde. Und ich hab es nicht gewusst. "Ich hab ihm versprochen nichts zu sagen.", erzählt Caleb uns.
"Er hat mir erzählt, dass sein Vater Stress hat und dass die Werkstatt Probleme macht und ich... Ich hab ihm einfach geglaubt. Ich bin eine echt miese Freundin."
"Aber das ist doch verrückt. Ist er echt so gut darin Geheimnisse für sich zu behalten?", fragt Ani uns.
"Ja.", antworten Caleb und ich wie aus einem Mund.
"Weißt du von der Sache mit Hannah?", fragt Caleb an Ani gewandt.
"Teile davon.", antwortet Ani und wirft mir einen Seitenblick zu. Doch ich schaue sie nicht an. "Ist er noch bei der Polizei?", frage ich Caleb.
"Ja. Ich wollte nur kurz das Studio aufmachen und fahr jetzt zurück."
"Wir kommen mit.", entscheide ich und stehe vom Sofa auf, auf dem ich vorher gesessen habe.
"Denkst du, dass das 'ne gute Idee ist? Ich glaub nicht.", meint Caleb und geht zur Wohnungstür. Seufzend folgen wir ihm.
"Caleb warte. Schreib uns bitte sobald er draußen ist.", bittet Ani ihn.
"Aber nur, wenn ihr hier nicht direkt aufkreuzt, sonst bringt er mich um." Caleb schließt die Wohnungstür, sobald wir auf dem Flur stehen.
"Versprochen. Werden wir nicht, okay?", meint Ani selbstsicher.
"Und erzählt es bitte keinem."
Bevor Ani weitersprechen kann, ziehe ich sie mit mir mit nach draußen. Währenddessen nehme ich mein Handy aus der Jacke raus und fange an eine Nachricht zu tippen.
"Abby...", beginnt Ani.
"Was? Ich hab ihm nichts versprochen.", sage ich schnippisch und gehe.

Als Caleb mir schreibt, dass Tony wieder da ist, mache ich mich wenig später auf den Weg zur Werkstatt. Gemeinsam mit Ani warte ich einige Minuten bis Caleb mit seinem Auto vorfährt. Sofort steigt Tony aus. "Tony", beginne ich, doch dieser geht einfach an mir vorbei. "Tony, komm schon.", rufe ich ihm nach und will ihm folgen. Allerdings werde ich von Caleb aufgehalten. "Verdammt, habt ihr mir nicht zugehört?", fragt Caleb sauer und kommt auf uns zu.
"Damit das klar ist und du mich nicht falsch verstehst, ich hab nie was versprochen.", erkläre ich.
"Was ist passiert? Ist alles gut?", fragt Ani neugierig.
"Sie haben ihn laufen lassen, aber er darf nicht mehr aus der Stadt raus.", teilt Caleb uns mit. Mit geballten Fäusten betrete ich die Werkstatt und ignoriere Caleb's Rufe. "Hey, Tony. Tony, komm schon, wir verdienen eine Erklärung.", sage ich und bleibe vor Tony stehen.
"Ihr verdient eine Erklärung? Du hast eine bekommen. Und ich weiß echt nicht, warum du glaubst, eine zu verdienen.", meint er wütend.
"Weil wir Freunde sind. Oder das dachte ich zumindest." Tony sieht mich mitleidig ein und senkt den Kopf. Er weiß, dass ich recht habe.
"Ja, das sind wir auch. Natürlich sind wir das.", sagt er dann leise.
"Warum hast du mir dann nichts von dem Mustang erzählt?", frage ich ihn mit verschränkten Armen. Und dann packt er endlich aus. Bryce kam in die Werkstatt, weil sein Rücklicht am Auto kaputt war und Tony ließ sich überreden Bryce zu helfen. Aber das würde er später noch bereuen. Bryce hatte versucht, seine Fehler wieder gut zu machen. Aber er und auch Tony würden erst viel später begreifen, wie viel sie tatsächlich wiedergutzumachen hatten. Aber das ist eine andere Geschichte. Wenn ein Mensch trauert, kann man dadurch viel über ihn erfahren. "Und als du gesagt hast, ein Teil deines Herzens sei in Arizona...", beginne ich.
"Ganz ehrlich, der Mustang ist mir inzwischen scheiß egal.", antwortet Tony ehrlich.
"Und der Anwalt?", frage ich weiter.
"War ein Reinfall. Meine Familie wurde Ende des Sommers abgeschoben."
"Aber warum bist du damit nicht zu mir gekommen?"
"Was hätte ich denn sagen sollen, Abby? Du kannst doch nicht die ganze Welt retten."
"Ich kann versuchen, meine Freunde zu retten. Ich hätte für dich da sein sollen. So wie du für mich da warst. Und für Hannah.", erkläre ich ihm.
"Ich... Ich hab mich dafür geschämt, was passiert ist, weißt du?"
"Nein.", sage ich. "Weiß ich nicht."
"Vielleicht hab ich es dir ja deswegen nicht erzählt."
"Du bist mir wichtig.", stelle ich klar. Tony schaut mich endlich an.
"Du mir auch.", sagt er und umarmt mich. Ich erwidere die Umarmung und drücke ihn an mich. Denn Freundschaft ist das allerwichtigste.

Zu Hause angekommen laufe ich die Stufen unserer Veranda hoch und klingel. Überrascht macht Tante Polly die Tür auf. "Abby, wieso klingelst du denn?", fragt sie mich lachend. Ohne zu antworten nehme ich sie einfach in meine Arme. "Ich hab dich lieb.", sage ich ihr und gehe dann zu meinem Vater, um auch ihn in den Arm zu nehmen. "Ich liebe dich." Tonys Geschichte hat mir gezeigt, dass ich froh sein kann, dass meine Familie bei mir ist. "Ich liebe dich auch, Kleines.", meint mein Vater lächelnd und löst sich von mir.
"Abby, was ist mit dir los?", fragt Justin mich und lacht amüsiert.
"Nichts ist los. Ich meine, es ist alles gut.", antworte ich und gehe auf den Kamin zu, auf dem Fotos stehen. Ich habe mit Tony und seiner Familie getrauert. Ich habe sogar ein bisschen um Bryce Walker getrauert. "Hier muss noch ein Foto von Justin hin.", stelle ich fest.
"Das ist eine tolle Idee. Ja, wir sollten ein paar Fotos machen.", antwortet Tante Polly fröhlich. Justin lächelt auch leicht. Was mich betrifft, ich bin froh eine Familie zu haben. Auch wenn es manchmal schwierig ist, ich weiß, dass ich mich auf sie verlassen kann.

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