Dämon - Höllisch Verhext

By MaSoFeh

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- „Scheiß Dämon!" schrie ich frustriert. „Was hast du mit mir gemacht?" Leises Lachen erklang aus einer schat... More

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Glossar
Neues Buch - "Er will Sie"

2. Corvin

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By MaSoFeh

Diese Nichtsnutze von Dämonenwachen konnten auch gar nichts! Zweimal war der Mensch schon da gewesen und zweimal hatten sie versagt. Beide Male waren meine Wachen im Komaschlaf gewesen und konnten nicht handeln, konnten meinem Befehl nicht Folge leisten und den Menschen festsetzen. Als hätte dieser kleine, winzige Wurm von einem Menschen gewusst, wann wir am schwächsten waren. Zum Glück hatte er nicht angegriffen. Die Verteidigung in der Mittagszeit hätte mich viel Kraft kosten können und die braucht ich unbedingt, schließlich wartete ich auf ganz besondere Gäste. Die Hexen wollten unbedingt das Schwert und ich hatte es, also mussten sie wohl oder übel zu mir kommen, um es sich zu holen.

Ich blieb stehen, schaute auf und zur gegenüberliegenden Wand hin, wo eine lange schmale Vitrine stand. In ihr lag ein vom Alter und Gebrauch gekennzeichnetes Langschwert. Es hatte nichts Magisches an sich. Was die Hexen also daran fanden, verstand ich nicht. Doch solange es seinen Zweck erfüllte und mir einen Hexer oder Hexe ins Haus lockte, war ich schon zufrieden. Vielleicht erfüllte dieses leblose Ding seine Aufgabe besser, als meine Wachen. Wundern würde es mich nicht.

Wütend fing ich wieder an meinen Weg durch mein Arbeitszimmer fortzusetzen: vorbei an meinem Schreibtisch zum Fenster dahinter, um einhundertachtzig Grad drehen und zwölf große Schritte zurück zur Tür, wieder kehrt machen und zum Fenster zurück. Der Raum war zwar lang, aber nicht lang genug für mich. Und das umherlaufen half nichts gegen die Wut, die sich in mir aufstaute.

Ruhige katzenhafte, grün schimmernde Augen folgten meinem hin und her Gerenne. Hektor hatte, seit der Wachhauptmann vor ein paar Stunden mir den Bericht geliefert hatte, nichts mehr gesagt. Er wartete stillschweigend auf meine Befehle. Doch was sollte ich ihm befehlen? Der Mensch war fort. In ein Auto gestiegen und davongerast. Ich hatte es selbst gesehen. Nur verschwommen zwar, wegen der Mittagsschwäche, aber ich konnte ohne Zweifel sagen, dass es ein Mensch mit einem Hund war. Frau oder Mann war in diesem Fall egal. Meine Leute brauchten Nahrung, ich brauchte Nahrung und dieser Mensch hätte unseren vorhandenen Energievorrat etwas aufgefrischt. Doch dank des Autos konnte noch nicht einmal Hektor die Spur des Menschen verfolgen.

Frustriert fuhr ich meine Krallen aus und wischte mit der Hand über den Schreibtisch, an dem ich gerade vorbeikam. Alles, was drauf lag, fegte ich hinunter. Übrig blieben nur fünf tiefe Rillen im Mahagoni. Laut klirrend landete die Schreibtischlampe auf dem Boden und das Glas der Haube zersprang in tausend Stücke. Auch das Tablet machte keine Ausnahme und landete zwischen den ganzen Glassplittern auf dem Paket, wo es von dem ganzen herabschwebenden Papierkram bedeckt wurde.

„Meister!" quiekte eine erschrockene Stimme hinter mir. Ohne, dass ich es bemerkt hatte, war die Tür aufgegangen und Larr war mit einem Menschen aus unserem Energievorrat hereingekommen. Ich drehte mich mit vor Wut sprühenden Augen um. Larr wich eilig ein paar Schritte zurück, wobei er den Menschen mit sich zog. Er wirkte entsetzt, als er den Blick zwischen mir, dem Schreibtisch - vor dem ich stand - und dem Chaos auf dem Boden hin und herwandern ließ. Hektor schenkte er wie immer keine Beachtung.

„Was?" knurrte ich Larr an, während ich ihn von oben bis unten musterte. Larr war ein mittlerer Dämon, der gerade mal so groß wie ein Kindergartenkind war. Er hatte nicht wie Hektor und ich etwas Menschliches an sich, sondern sah eher aus, wie eine Mischung aus blauem Affen, mit Ziegenfüßen und -ohren und kleinen mitternachtsblauen Drachenflügeln. Seine Art sicherte sich ihr überleben, indem sie sich bei mächtigeren Dämonen - wie mir - einschleimten und sich vor Kämpfen drückten. Außerdem waren sie alle verdammt nervig!

„Äh..." stotterte Larr jetzt „ich ... ich habe hier ... hier eine kleine Mahlzeit für Euch ... Meister." Dabei schob er den Menschen vor sich, wie ein Schutzschild. Der Mensch, ein junger Mann Ende zwanzig mit hellbraunen, kurzen, gelockten Haaren, verneigte sich kurz vor Hektor, bevor er sich vor mir niederkniete und unterwürfig den Kopf neigte. Ein kurzer Kuss würde genügen um ein Teil seiner Energie aufzunehmen und mich um einiges besser zu fühlen.

Im Gegensatz zu der weitläufigen Meinung, wir Dämonen würden uns von den Seelen der Menschen ernähren, taten wir das nicht, oder jedenfalls so gut wie nie. Wir ernährten uns in der Regel von der Energie der Menschen. Erst, wenn wir die ganze Energie von ihnen Absorbiert hatten, konnten wir ihre Seele in uns aufnehmen, doch das brachte uns Dämonen nicht viel. Sie war nicht nahrhaft. In den Seelen der Menschen war ihr Wesen verankert und wir nahmen sie nur ganz in uns auf, wenn wir sie in Besitz nehmen wollten.

Die Energie, welche wir den Menschen nahmen konnten sie wieder ausgleichen, durch Schlaf oder Essen. Doch bei so vielen Dämonen, wie hier im Haus, und so wenig Energiespendern, war dieser Energieausgleich fast unmöglich. Auch der Mann vor mir zeigte die Merkmale des ständigen Verlustes seiner Energie: dunkle, tiefe Augenringe, eingefallene Wangen, stumpfes Haar, ... Lange würde er kein Energiespender mehr bleiben, wenn er weiter so ausgenutzt wurde. Wir brauchten unbedingt frisch Fleisch!

„Hektor?" ich drehte mich zu meinem Freund - wenn es unter Dämonen so etwas überhaupt gab - um. „Du hast länger keine Nahrung mehr zu dir genommen als ich. Er gehört dir."

Er neigte den Kopf leicht zur Seite und musterte mich kurz, dann nickte er knapp. Elegant wie immer löste sich Hektor von der Wand, an der er bis eben regungslos gelehnt hatte und ging auf den Menschen zu. Dieser Hob den Kopf, als Hektor ihn leicht den Zeigefinger unter das Kinn legte und ihn fast Küsste. Nur ein Zentimeter teilte ihre beiden leichtgeöffneten Lippen noch, während des Energieaussaugens. Nach fünf Sekunden fing der junge Mann an sich zu entspannen und schloss die Augen. Für die Menschen war es kein unschönes Gefühl, wie alle zu glauben schienen. Sie spürten in der Regel nichts, außer eine Müdigkeit, die sich immer weiter in ihnen ausbreitete, was viele als sehr angenehm empfanden. Wir umstehende bekamen nichts von dem ganzen Prozess des Energieaussaugens mit, außer die Reaktionen des Spenders.

Eine Gier packte mich so plötzlich, dass ich am liebsten Hektor den Menschen aus den Händen gerissen hätte, um mich selber zu nähren. Eben hatte ich gelogen. Ich hatte viel zu lange keine Nahrung mehr zu mir genommen, länger als Hektor. Das nächste frische Menschlein würde mir persönlich gehören. Abrupt wand ich mich ab und ging zum Fenster hinüber. Das Arbeitszimmer lag im zweiten Stock an der Rückseite des Hauses. Von hier aus hatte man einen fantastischen Blick über das Gelände.

Draußen war es stockfinster, doch die Morgendämmerung stand kurz bevor, das konnte ich spüren. Meine Augen waren für die Dunkelheit gemacht. Ich konnte alles perfekt und in Farbe sehen. Die Sonne schadete unseren dämonischen Augen nicht, doch sie wirkte sehr reizend auf sie. Daher waren am Tag Sonnbrillen sehr angesagt bei uns Dämonen.

Ein dumpfer Knall und leise Schritte ertönten hinter mir. Im Spiegelbild der Fensterscheibe konnte ich das ganze Arbeitszimmer sehen. Obwohl wir kein Licht brauchten flackerten, elektronische Fackeln an den Wänden - doofe Angewohnheit, die davonkam, wenn man längere Zeit unter Menschen lebte. Hektor lehnte wieder an seinem Platz an der Wand und der Mensch lag bewegungslos auf dem teuren Parket. Ich schaute wieder raus in die Nacht.

„Lebt er noch?" fragte ich desinteressiert.

„Ja, Meister." Antwortete Larr sofort. Er klang wie ein Hund, der unbedingt belohnt werden wollte.

„Dann bring ihn hier weg!"

„Natürlich, Meister. Wie Ihr befiehlt, Meister" Der blaue Dämon schlang seinen langen Affenschwanz um die Beine des Menschen und zog ihn, mit vielen Verneigungen in meine Richtung, aus dem Raum. Hinter ihm viel die Tür knallend ins Schloss.

***

Die Sonne begann gerade aufzugehen und die Welt in ein gräuliches Licht zu tauschen. Ich stand immer noch am Fenster und starrte auf das weite Gelände hinaus. Irgendwann mal waren hier elegante Gärten angelegt gewesen. Noch heute konnte man die Überreste der Bete sehen, wenn man genau hinschaute. Und dort hinten, in der rechten Ecke bei der Mauer, befanden sich noch die Fundamente eines großen Teichs mit Springbrunnen.

Diese Anwesen hatte einmal einer reichen Familie gehört, doch dank mir waren sie nicht mehr reich. Ein Lächeln erschien auf meinem Gesicht, als ich an diese schöne Zeit dachte. Es hatte Spaß gemacht dem letzten reichen Abkömmling der Familie, Zweifel in den Kopf zu sähen. Dank dieser brach er den Pakt, den sein Urururgroßvater mit mir geschlossen hatte. Von da an, waren die Zeiten für ihn und seine Nachkommen sehr bitter und alle Güter, die er besessen hatte, gingen in meinen Besitz über, darunter war auch dieses Anwesen. Solche Spielchen mit den Menschen, woraus wir immer - und mit immer mein ich auch immer - mit Profit heraus gehen, waren doch die Besten. Manchmal dauerten sie zwar über Jahre, aber wenn man unsterblich war, konnte man sich so etwas leisten.

„Darf ich dich was fragen, Corvin?" ertönte auf einmal Hektors leise, tiefe Stimme hinter mir, mit der er so viele Frauen haben konnte, wie er wollte.

Ich drehte mich zu ihm um und zog eine Augenbraue hoch. „Und das wäre?"

„Warum hast du vorhin gelogen? Ich habe die ganze Sache von allen Seiten begutachtet, aber ich konnte keinen Grund für diese Lüge erkennen."

„Mein Freund, muss für dich denn immer alles logisch sein? Kann man nicht einfach mal etwas tun, dass nicht logisch ist?"

Keine Reaktion. Er schaute mich nur weiter mit diesen grünen Katzenaugen an.

Ich seufzte. „Der Mensch, der in den letzten Tagen hier rumgestromert ist, gehört mir!"

„Aber du weißt nicht, ob er wiederkommen wird."

„Doch! Das war das einzige Klare, was ich gestern Mittag aufgeschnappt habe." ''Bis morgen dann also!'' Ja, bis heute dann!

„Du bist schwach. Du hättest beide nehmen können."

„Immer noch stärker als du, dass du das ja nicht vergisst!" gab ich kalt zurück.

„Nie, Corvin. Nie."

Etwas beschwichtigt fuhr ich fort „Du brauchtest die Energie, denn du wirst dich heute Abend zu diesem Freizeitpark hier in der Nähe aufmachen und neue Energiespender besorgen. Hast du mich verstanden?"

„Ja, Herr."

„Nimm dir einen der Wachen mit, der soll den zweiten Kleinlastwagen fahren. Füllt beide Autos mit so vielen Menschen wie es geht, ohne dass sie Schaden nehmen. Bis zum Morgengrauen seid ihr wieder hier!"

Hektor verneigte sich „Wie Ihr wünscht, Corvin. Gibt es noch etwas, oder kann ich mich zurückziehen?"

Erschöpft strich ich mir durch die Haare. „Nein, das war alles. Es ist wohl Zeit, dass wir uns beide zurückziehen. Larr soll das Chaos in der Zwischenzeit beseitigen."

Zusammen verließen wir das Arbeitszimmer. Draußen auf dem dunklen Gang war niemand zu sehen - Schlaue Dämonen. Bei meinen Stimmungsschwankungen heute, hätte ich wahrscheinlich jeden in die Hölle zurückgeschickt, der mir zwischen die Finger gekommen wäre. Sollten sie sich doch vor mir verstecken. So hatte ich wenigstens meine Ruhe.

Hektor nahm die nächste Treppe nach oben, welche zu seinem Zimmern unterm Dach führte. Mich zog es weiter den Gang hinunter. Statt zu meinem Quartier zu gehen, öffnete ich die Tür zur Bibliothek. Sie befand sich in der Mitte des kastenförmigen Haupthauses und reichte über alle drei Etagen. Im untersten Bereich standen überall meterhohe Regale mit Büchern. Zum zweiten und dritten Stockwerk führten kleine Wendeltreppen nach oben. An den Wänden befanden sich auch hier Bücherregale. Verbunden waren diese Regale durch einen Steg, der einmal um die ganze Etage drumherum ging. In dem freien Raum in der Mitte hing ein riesige Kronleuchter, der alle drei Stockwerke beleuchtete, wenn er an war.

Ich lehnte mich an das Geländer des Steges im dritten Stock und schaute einmal bis ins Erdgeschoss hinunter. Die Höhe war berauschend!

Vor zwei Sekunden stand ich noch mit beiden Füßen fest auf den Holzdielen, jetzt schwang ich mich elegant übers Geländer und sprang drei Etagen nach unten. Beim Landen zwischen zwei Bücherregalen ging ich leicht in die Kniee, um den Schwung des Falls abzufangen. Mit geschlossenen Augen stand ich ein Moment da und genoss die Nachwirkungen des Sprunges, bevor ich mich aufrichtete und in eine der hinteren dunklen Ecken ging, wo es Sessel zum Sitzen gab und ein paar Bücherhaufen sich angesammelt hatten. Ich war zu faul die gelesenen Bücher zurückzubringen und so lange ich hier noch sitzen konnte, störten mich die Haufen auch nicht. Und da keiner meiner Leute, außer Hektor, diesen Ort betreten durfte, konnte auch niemand für mich aufräumen.

Ich setzte mich und zog eins der Bücher, welches ich gerade las, aus einem Haufen anderer Bücher heraus. Entspannt lehnte ich mich in meinem Sessel zurück, ließ meine Sorgen fallen, dachte nicht mehr an meine Verpflichtungen und vertiefte mich in die Welt des Buches.

***

Die Geschichtsbücher der Menschen waren doch wirklich sehr amüsant. Wie sie die Fakten so hinbogen, dass keine Spur des Übernatürlichen drin vorkam. Napoleon zum Beispiel, soll von ganz alleine an die Macht gekommen sein. Als hätte der Zwerg das ohne Hilfe geschafft. Pah! Das war doch einfach lächerlich!

Napoleon hatte einen Pakt mit einem Dämon geschlossen, das war der wahre Grund, weshalb er es so weit gebracht hatte. Wäre er nicht so dumm gewesen und hätte den Pakt nicht gebrochen, wäre er wahrscheinlich noch bis zu seinem Tod Kaiser von Frankreich geblieben und nicht ins Nirgendwo auf eine Insel verbannt wurden.

Auch die Geschichte vom Aussterben der Dinosaurier stimmte nicht ganz. Es war die Schuld von einigen Feenkönigen, die sich um ein Territorium gestritten hatten. Der Jahrzehnte lange Streit hatte sich schließlich aufs Wetter ausgewirkt und riesige dunkle Wolken sowie heftige Schneestürme heraufbeschworen. Der Asteroid war erst vier Jahre später auf die Erde geknallt. Wie Menschen sich doch irren konnten, wenn sie die Augen vor dem Übernatürlichen verschlossen.

Mit einem Knall schloss ich das Buch, das ich gerade las und lauschte auf die lauten Geräusche, welche aus der Eingangshalle zu mir drangen. Kampfgeräusche.

Die Mittagsstunde war gerade vorbei und die meisten meiner Wachen waren im Schlafkoma. Der Mensch kannte sich scheinbar sehr gut mit uns Dämonen aus, besonders mit unseren Schwächen. Er gehörte anscheinend nicht zu der Sorte, welche die Augen vor allem Übernatürlichen verschlossen. Hoffentlich war er eine gute Nahrungsquelle!

Langsam erhob ich mich aus meinem Sessel und schlängelte mich durch die Bücherregale zu einem Ausgang in meiner Nähe. Als ich hinaus auf den Gang trat, umgab ich mich mit Schatten, um nicht gesehen zu werden und machte mich auf zur Quelle der Kampfgeräusche.

Am Durchgang zur Eingangshalle blieb ich stehen und schaute mir das Geschehen an. Die wenigen von meinen Wachen, die stark genug waren um das Schlafkoma zu besiegen, lagen kreisförmig und bewusstlos in der Halle herum. Das Zentrum dieses Kreises bildete eine Menschenfrau, die von Hektor umkreist wurde.

Sie war athletisch gebaut und hochgewachsen - mindestens ein Meter fünfundsiebzig - hatte dunkles, rotbraunes Haar - ähnlich dem Holz aus dem mein Schreibtisch bestand - dass auf dem Rücken zu einem langen Zopf geflochten war, der ihr bis zur Taille reichte. Sie trug Bluejeans, eine schwarze Strickjacke mit einem dunkelblauen T-Shirt darunter, schwarze Laufschuhe und einem Gürteln mit Waffen - hauptsächlich Messer und eine Pistole - um die Hüfte.

Als würde sie die Messer und die Pistole je gebrauchen im Kampf, dachte ich selbstironisch, als mir mein Fehler auf fiel. Ihre Hände leuchteten in einem reinen Weiß, eine viel bessere Waffe als irgendwelche menschlichen Messer und Pistolen. Ein deutliches Zeichen dafür, dass ich es nicht mit einem Menschen zu tun hatte.

„Ah, eine kleine Hexe!" sprach ich und löste mich aus den Schatten. Hellgraue Augen starrten mich überrascht an. Hektor nutzt diesen Moment der Unachtsamkeit zum Angriff. Die Hexe schaffte es zwar auszuweichen, doch sie trug einen tiefen Schnitt am rechten Oberarm davon. Erschrocken faste sie sich auf die Wunde. Wut erschien auf ihrem Gesicht, als ihr das Blut durch die Finger rann. Das Licht um ihre rechte Hand wurde plötzlich heller und eine Druckwelle fuhr durch den Raum.

Hektor stand näher an der Hexe, als ich und wurde unvorbereitet getroffen. Ihn schleuderte es geradewegs an die Wand neben der Haustür, wo er runterrutschte und benommen sitzen blieb. Ich schaffte es gerade noch so ein Schutzschild hochzuziehen und mich vor den Schaden ihrer starken Magie zu schützen. Ah, eine mächtige kleine Hexe, ich schmunzelte, dass würde ja interessant werden.

„Bist du fertig?" fragte ich gelangweilt, während ich mir imaginären Staub von der Lederjacke wischte. Unglaube blitzte in ihren Augen auf, als sie sah, dass ich überhaupt kein Schaden durch ihren Kraftzauber genommen hatte und mich auch kein Zentimeter von der Stelle bewegt hatte.

Doch sie handelte sofort, ein weißer Blitz zischte auf mich zu, während sie sich umdrehte und aus der Eingangstür flüchten wollte. Ohne lange Nachzudenken wehrte ich den Blitz ab und bewegte mich in Dämonengeschwindigkeit - schneller als das Menschliche Auge wahrnehmen konnte - fort, bis ich ihr den Weg zum Ausgang versperrte.

Schlitternd kam sie nur wenige Zentimeter vor mir zum Stehen und wich hastig ein paar Schritte zurück. Sie stolperte dabei und wäre fast noch auf ihrem knackigen Hintern gelandet. Kleine Schweißperlen hatten sich auf ihrer Stirn gebildet. Mit großen, ängstlichen, silberfarbenen Augen schaute sie mich an. Sie sah aus wie ein Hase, der dem Jäger genüberstand und nicht mehr wusste, wo er hinlaufen konnte - was in gewisser Weise ja auch stimmte.

Ich legte meinen Kopf schräg und wartete. Was die kleine Hexe jetzt wohl tun würde?

Zu meiner Überraschung, tat sie gar nichts. Jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Sie starrte mich konzentrierter an und ihre Finger bewegten sich in einen schnellen Rhythmus. Wollte sie mich ernsthaft verhexen? Mich, einer der mächtigsten Dämonen auf der Welt?

Erstaunt zog ich die Augenbrauen hoch. „Was wird das? Denkst du ehrlich, du könntest mich verhexen? Mich, in meinem eigenen Heim?"

„Probieren geht über Studieren, oder etwa nicht?" gab sie trotzig zurück und ließ ihre Magie los. Die Magie verpuffte ohne Schaden anzurichten. Als könnte eine kleine, junge Hexe, die ihre meiste Kraft eben in den Blitz gesteckt hatte, mir etwas antun!

Mit zwei großen Schritten hatte ich den Abstand zwischen uns beiden Überwunden. Bevor sie zurückweichen konnte, faste ich sie an den Schultern. Die Hexe zuckte zusammen, als ich auf ihre Wunde drückte. Jetzt war Schluss mit den Spielchen! Langsam neigte ich meinen Kopf zu ihr nach unten und küsste sie leicht. Sie verkrampfte sich spürbar unter meinen Händen. Doch auch bei ihr ließ der Moment der Entspannung nicht lange warten, nachdem ich begonnen hatte ihre Energie in mich aufzunehmen. Ihre Energie war so rein, so kräftig, so lebendig und sie füllte mich mit neuer, herrlicher Kraft. Ich musste mich dazu zwingen aufzuhören und die kleine Hexe nicht umzubringen. Schließlich brauchte ich sie noch für etwas anderes. Etwas sehr Wichtigem!

Ich löste mich von ihr und trat einen Schritt zurück. Als ich sie losließ, viel sie fast lautlos auf den Boden, wie eine Marionette, der man die Fäden durchgeschnitten hatte. Sie sah so zart, so zerbrechlich in diesem Zustand aus, dass ich es kaum glauben konnte, bis eben noch gegen diese Frau gekämpft zu haben.

„Corvin, hast du sie etwa getötet!" entsetzten klang aus Hektors Stimme. Er hatte sich, während ich mich von der kleinen Hexe genährt hatte, aufgerappelt und war zu mir getreten.

„Zweifelst du an meiner Selbstkontrolle, alter Freund?"

„Nein, natürlich nicht."

„Dann schallte dein verdammtes Dämonengehör an und überzeug dich selber von ihrem Herzschlag oder ihren Atemzügen."

„Sie ist zu kostbar, als dass du sie einfach umbringen würdest."

„Korrekt." Ich bückte mich und hob die Hexe auf meine Arme. „Ich sorge dafür, dass uns diese Kostbarkeit nicht abhandenkommt und du schaust nach, ob nicht noch mehr von denen hier herumstromern. Ich kann zwar keinen Eindringling mehr fühlen, aber sicher ist sicher."

Hektor nickte knapp und verschwand nach draußen, um meinen Befehl zu befolgen. Nach dem er durch die Tür war, wand ich mich um und ging auf dem Turm zu. Mit einen Energiestoß öffnete ich die Tür zum Turm. Von dort aus führte ein Treppe nach oben in die erste Etage und eine nach unten in den Keller sowie in den Kerker. Ich nahm die nach unten. Der Kerker würde für ein paar Tage das Zuhause der kleinen Hexe sein, bis ich sie halbwegs gezähmt haben würde. Mal sehen wie lange das dauern wird?

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