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Newt blickte zu den Wänden, die sich erstaunlich schnell schlossen. Und allem Anschein nach befand Minho sich noch immer im Inneren. Für einen kurzen Moment erlebte Newt ein Déjà-vu.

Es war anders, als die Momente, in denen eine Erinnerung plötzlich zu ihm zurückzukehren schien. Oder eine Erinnerung sich als falsch herausstellte. Diesmal hatte er das Gefühl, so eine Situation schonmal erlebt zu haben, nur kehrte keinerlei Erinnerung zu ihm zurück.

Er hasste es. Manchmal glaubte er, alle Erinnerungen zu besitzen. Bis ihm einfiel, dass die Menschen in seinem Leben eher wie ungreifbare Gestalten aus einem längst vergessenen Traum schienen. Es war genauso wie bei seiner Ankunft im Labyrinth, nur diesmal wusste er, wen er vergessen hatte.

In letzter Zeit gewannen sie immer mehr an Gestalt. Langsam. Nacheinander. Unbewusst. In den unerwartetsten Momenten. Meist realisierte er gar nicht, dass er eine Erinnerung freigeschaltet hatte, bis jemand ihn darauf hinwies oder einfach nur überrascht aussah.

Dann hatte er das Gefühl, seine Erinnerungen gar nicht erst verloren zu haben. Newt wusste, dass einige Erinnerungen für immer verloren waren. Einige Ereignisse oder sogar Personen waren unwiderruflich aus seinem Gedächtnis verschwunden. Er konnte es nicht erklären, aber er fühlte es. Einige Erinnerungen waren blockiert. Er wusste, sie sind da, aber er konnte sie noch nicht erreichen, wenn er es denn überhaupt jemals wieder tun könnte.

Andere hingegen- an ihrer Stelle befanden sich tiefe Lücken. Es war nicht wie bei den blockierten Erinnerungen, die Ähnlichkeiten mit den Momenten hatten, in denen man ein bestimmtes Wort auf der Zunge hatte, aber einfach nicht drauf kam. Damit hatte er sich abgefunden.

Doch in diesem Moment wünschte Newt sich sehr, dass irgendeine Erinnerung auftauchen würde, die erklären würde, warum ihn diese Panik ergriff, die ihm beunruhigend bekannt vorkam. Er konnte sie natürlich darauf schieben, dass Minho sein bester Freund gewesen war und sein Unterbewusstsein das besser verstand als er selbst.

Doch als er verwirrt seine Hand hob, an deren Nägeln er bis eben geknabbert hatte, um eine Träne von seiner Wange zu wischen, wusste er, dass ihm eine elementare Erinnerung fehlte, die das erklären konnte.

"Was zum-" Er schüttelte verwirrt den Kopf. "Newt?" Er warf Thomas einen Seitenblick zu und runzelte die Stirn, als er seinen besorgten und überraschten Blick sah. "Was? Habe ich ein drittes Auge bekommen? Wieso siehst du mich so an?"

"Was? Nein, das- wie würdest du überhaupt-", Thomas schüttelte den Kopf. "Warum weinst du?" "Tommy, sehe ich so aus, als würde ich das wissen? Bei meinem Glück sind meine Tränendrüsen geschädigt." "Weißt du, damit könntest du sogar Recht haben." "Sehr beruhigend."

Die Wände schlossen sich krachend und Newt zuckte zusammen. Er kniff seine Augen zusammen und hielt sie kurz geschlossen. Abgesehen davon, dass laute Geräusche ihn kurzzeitig desorientierten, hatte er wieder dieses Gefühl, bereits in einer solchen Situation gewesen zu sein. Ehrlich, sein Überleben schien ihm mehr ein Fluch als ein Segen zu sein.

Als er seine Augen wieder öffnete, erschien ihm die Welt verschwommen. Newt versuchte, sie wieder in Fokus zu bringen. Das passierte öfter als ihm lieb war. Thomas hatte Recht, sein Gehirn war wirklich angefressen. Er zuckte zusammen, als jemand ihn am Arm berührte, doch es war nur Thomas, der ihn stabilisierte.

Newt bekam die Welt wieder in seinen Fokus und hörte auch die Geräusche um sich herum deutlicher. Der Junge neben ihm diskutierte mit Dr. Paige, die beschwichtigend auf ihn einredete. Ihr Blick fiel auf Newt und er beantwortete ihre stumme Frage, ob alles in Ordnung sei, mit einem kurzen Nicken. Diesen Blick bekam er von ihr oft genug, um zu wissen, was er bedeutete.

The Blood RiddleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt