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Newt. Er war hinter der Scheibe, scheinbar tief in Gedanken. Er hatte frische Kleidung an, seine Haare waren kürzer und sein Gesicht war ihnen nur zum Teil zugewandt. Trotzdem erkannte ihn jeder. 

Thomas konnte nicht anders, er starrte wie ein Idiot auf die Scheibe. Oder eher auf denjenigen, der dahinter war. Langsam wandte er seinen Blick ab und sah zu Sonya.

Tränen standen in ihren Augen, doch sonst hatte sich in ihrem Gesicht nicht viel verändert. Brenda stand verwirrt da und sah fassungslos auf Newt. Minho stand auf Thomas' anderer Seite. Sein Gesicht war unlesbar. Er schien hoffnungslos von der Situation überfordert, unentschieden, welche Emotionen er verspüren sollte.

Zumindest bis seine Augenbrauen sich plötzlich gefährlich seinen Augen näherten und seine Finger knackten. Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt.
"Was macht Newt hier?" Thomas hätte schwören können, dass er noch nie einen dramatischeren Umdreher gesehen hatte. Beinahe musste er lachen, doch die Situation ließ es nicht zu.

"Er hilft unserer Forschung."
"Aber- er war infiziert! Wir haben mit eigenen Augen gesehen, wie er komplett cranky und aggressiv geworden ist. Wir haben ihn zurücklassen müssen, damit er uns nicht erschießt! Es kann nicht sein, dass er hier ist!"

"Nun, das ist er. Es war eine wirklich riskante Sache. Verschiedenste Faktoren haben dazu beigetragen, dass sein Immunsystem den Virus bekämpfen, nahezu besiegen konnte. Einige davon sind noch nicht für uns nachvollziehbar. Aber das war nicht der einzige Grund. Die Kugel, die eigentlich tödlich sein sollte, hat einen Bereich getroffen, den der Virus wohl als sowas wie Verbreitungsstätte benutzt. Dort vermehren sich die Zellen, um dann das Gehirn weiter zu befallen. Das konnte für einen geringen Zeitraum verhindert werden, nur leider hat der Virus später angefangen, sich an anderen Orten zu vermehren, wenn auch langsamer und in abgeschwächter Form. Das Retten von Newts Leben war die wohl schwerste Operation, die je durchgeführt wurde. Wir sind ziemlich stolz, es geschafft zu haben."

"Einen Moment, Doktor Paige. Das ist ja alles wundervoll, aber von welcher Kugel reden Sie da bitte?"
Harriet kreuzte ihre Arme und sah Ava abwartend an. Thomas wurde von Panik ergriffen. Er wusste, wovon sie sprach. Und er wusste, dass er es möglichst geheim halten wollte.
Aus reinem Impuls begann Thomas zu reden, bevor Ava Paige auch nur die Chance auf eine Antwort hatte.

"Doktor Paige, ist es möglich- können wir mit Newt reden?"
Ava sah Thomas für einen Moment an, dann seufzte sie.
"Es könnte da ein Problem geben."
Minho und Sonya fragten wie aus einem Mund: "Welches!?"

"Wir konnten zwar sein Leben retten, aber das war nur möglich, weil wir den Gegenstand, mit dem wir eure Erinnerungen blockiert haben, genau in dem Bereich plaziert hatten, der getroffen wurde. Der Virus sucht sich bei jedem einen anderen Ort, um seinen Fortbestand zu sichern. Wir haben den Gegenstand entfernt und nachdem wir Newt aus dem Koma rausbekommen haben, war er nicht mehr derselbe. Er scheint sich an alles zu erinnern. Namen, Orte, Erlebnisse. Aber er scheint zwischen dem allen keine Verbindung finden zu können. Er weiß, dass er Freunde names Minho und Thomas hatte und er erinnert sich an alle Erlebnisse mit ihnen. Aber er weiß nicht, wer sie sind. Nur, dass sie seine Freunde waren. Das ist etwas kompliziert, aber ich denke, ihr versteht was ich meine."

Thomas blickte zu Minho. Sie beide Schienen dasselbe zu denken: Ähnlich hatte sich das Aufwachen im Labyrinth angefühlt.

"Ja, das tun wir. Also, Sie meinen, er würde sich an unsere Namen und gemeinsamen Zeiten erinnern, aber nicht an uns als Personen?"
"Ja."
"Krass." Aris hockte sich hin und stützte seinen Kopf auf seine Hände.

"So kann man es auch beschreiben. Das ist allerdings noch das kleinere Problem." Minho lachte daraufhin  trocken auf.

"Was könnte ein größeres Problem sein, als die Tatsache, dass wir Newt zurückhaben, aber gleichzeitig auch nicht?"
"Die Tatsache, dass er jetzt wirklich verrückt geworden zu sein scheint."
"Wie bitte?"
"Der Virus ist in seinem Körper fast gar nicht mehr zu finden. Aber Newt hat psychische Probleme, von denen wir nicht sicher sind, ob sie verschwinden werden, sobald sein Gehirn vollständig regeneriert. Seht mal, wir hätten nicht alles daran gesetzt, ihn aus seinem Koma zu wecken, wenn es nicht relevant für seine Heilung wäre. Ginge es nach uns, würde er noch immer Zeit haben, um sich zu erholen. Wir suchen gegenwärtig nach einer Möglichkeit, ihn wieder ins Koma zu führen."

"Meine Erinnerungen können mich täuschen, aber war das nicht schon immer möglich?"
"Nun, wir haben es hier mit einem besonderen Fall zu tun. Den Weg, den wir normalerweise nutzen würden, können wir nicht nehmen, weil es für ihn gefährlich sein könnte."
"Weil er im Moment schwach ist?"

"Das ist es nicht. Es besteht eher die Gefahr, dass sein Körper anfängt, das Mittel zu bekämpfen. Uns ist noch unklar, wie das möglich sein kann. Wir wissen nur, dass es eine ungewöhnliche Genmutation ist, wie wir sie noch nie zuvor gesehen haben.  Sein Immunsystem und dessen Funktionsweise ist einzigartig. Wir können ihn nicht auf traditionellem Wege behandeln."

"Kurz gesagt war Newt die ganze Zeit euer größte Triumph, aber keiner hat es gewusst."
Ava schürzte ihre Lippen.
"Wir haben durchaus von seiner Besonderheit gewusst, nur war sie damals nicht so signifikant. Sie scheint sich weiterentwickelt zu haben. Zudem ist sie auf Newt beschränkt."

Thomas wandte sich wieder zur Glasscheibe. Newt hatte sich gewendet, sein Gesicht war nun ganz zu sehen. Er wirkte passiv, so als wäre er nicht richtig wach. Außerdem schien er noch immer tief in Gedanken zu sein, weit entfernt von der Gegenwart.

Der blonde Junge hob seinen Kopf und ließ seinen Blick über die Glasscheibe wandern, durch die er von seiner Seite aus nichts sehen konnte. Wusste er von seiner Besonderheit? Wusste er überhaupt irgendwas? Wie er hier gelandet war, warum er noch lebte, dass der Virus ihn nahezu verlassen hatte?

Thomas stellte Ava diese Frage.
"Wir haben es ihm erklärt, mehr als ein Mal sogar, aber ich bin mir nicht sicher, ob er auch wirklich zugehört und es verstanden hat."
Sonya seufzte und zog damit Thomas' Blick auf sich. Sie stand mit der Stirn an das Glas gelehnt, Aris' Hand ruhte auf ihrer Schulter.
"Können wir uns irgendwo hier ausruhen?"
"Natürlich. Das waren viele Informationen und ihr habt einen langen Weg hinter euch. Folgt mir!"

Eigenartiger Weise befanden sich die Räume für Thomas und seine Begleiter ebenfalls im Untergeschoss. Am anderen Ende zwar, aber immernoch im Untergeschoss.

"Wir haben zwei Zimmer für euch. Das eine ist kleiner und befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite. Ruht euch aus, ich komme morgen wieder!"
"Morgen?"
"Ja, die Sonne ist bereits untergegangen."
Minho nickte. Ava verließ wortlos den Raum.

"Also...wir haben nur zwei Zimmer?"
"Doktor Paige meinte, der zweite Raum sei kleiner. Noch kleiner als das? Traurig.", stellte Aris fest.
"Dann nehmen wir Mädchen wohl das kleinere Zimmer. Gute Nacht!" Sonya und Brenda folgten Harriet aus der Tür.

"Dann gute Nacht euch allen. Vielleicht ist das alles hier bloß ein Fiebertraum.", murmelte Minho.
Er nahm eines der äußeren Betten ins Visier und warf sich drauf. Seine Schuhe landeten noch auf dem Boden, dann schien er schon eingeschlafen zu sein.

The Blood RiddleTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang