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"'Du sollst doch keine dummen Fragen stellen. Natürlich kenne ich gute Verstecke.' Ein einfaches Ja hätte durchaus genügt. Eigentlich ist es um einiges wahrscheinlicher, dass du etwas Nützliches in deinen Kitteltaschen hast, als dass du hier ein Versteck kennst-"

"Bist du fertig?", unterbrach ihn Minho schnaufend. "Nein. Wann hast du es bitte geschafft, hier etwas auszukundschaften? Seid ihr nicht von einem komplett anderen Ort gekommen?" Newt duckte sich unter einem tief hängenden Ast und stützte Minho, der auf dem unebenen Untergrund leicht schwankte.

"Sind wir auch. Erinnerst du dich an den Angriff vor einiger Zeit? Nun, davor bin ich am Waldrand langgelaufen und habe das Gebäude aus der Ferne gesehen. Ava hatte damals ein Dorf erwähnt, dass irgendwo im Wald liegen müsste, also bin ich einige Tage später wieder laufen gegangen, diesmal sogar mit Abmeldung. Und voilà, hier steht ein Bunker."

"Wenn da jetzt Infizierte drin sind, überlasse ich dich ihnen einfach." Minho rollte mit den Augen. "Dann wären deine ganzen Mühen aber umsonst gewesen. Der Graue Mann und eine junge Wissenschaftlerin sagst du? Jede Wette, dass es sich um Doktor McLain handelt, sie schien reichlich genervt von mir."

Newt zuckte mit den Schultern. "Nachvollziehbar." "Hey!" Er erblickte den Bunker, von dem Minho geredet hatte. Das Gebäude war niedrig, moosbewachsen und fiel zwischen den vielen Bäumen kaum auf. Es wirkte ruhig, doch ganz trauten sie beide dem Frieden nicht.

Wortlos verringerten sie ihr Tempo und gaben sich Mühe, möglichst wenige Geräusche zu erzeugen. Das Gehölz unter ihnen knackte, doch in der Hütte war keine Bewegung erkennbar. Sie erreichten das Gebäude und Minho blickte vorsichtig durch den Spalt der angelehnten Tür.

"Ich sehe nichts. Der Raum scheint leer.", flüsterte er und blickte wieder zu Newt. "Dann klopfen wir an und wenn niemand öffnet, laden wir uns einfach selbst ein." "Was?" Der blonde Junge rollte mit den Augen. "Mach einfach etwas Krach und wenn nichts geschieht, dann sollten wir reingehen können."

"Wie du meinst." Minho hob einen Stein vom Boden auf und warf ihn gegen die angelehnte Stahltür. Der Stein prallte klirrend an ihr ab und Newt zuckte zusammen, die Hände über seine Ohren schlagend. Nachdem der Ton verklungen war, nahm er seine Hände langsam wieder runter und blickte zu Minho.

"Nicht...so viel Krach." "Entschuldige." Er verzog entschuldigend das Gesicht und zerrte seinen blonden Freund etwas weiter von der Tür weg. Sie warteten einige Sekunden. Dann noch ein paar. Nichts geschah.

"Scheint sicher zu sein." Minho zog die Tür unter einiger Anstrengung auf und blickte ins Innere. "Hier ist es düsterer als in-" "Ist dort nun jemand drin oder nicht?" Newt drängte sich an dem kräftigen Jungen vorbei und trat ins Innere.

"Hey, du hättest wenigstens einen Ast oder so mitnehmen können!", rief Minho ihm hinterher und hob den von ihm geworfenen Stein auf. Noch während er sich aufrichtete, erklang ein Krachen aus dem Bunker. Newt fluchte lautstark.

"Ich habe den Lichtschalter gefunden." Minho blickte ins nun erleuchtete Innere und entdeckte Newt erst auf den zweiten Blick. Dann brach er in Gelächter aus und erntete einen genervten Blick von Newt, der zwischen einer Menge Konserven auf dem Boden lag, das von ihm umgestoßene Regal an der Wand lehnend.

Kurz darauf bereute Minho sein Lachen, als es in einen Hustenanfall umschlug. Newt rappelte sich auf und begann, alles wieder an seinen Platz zu bringen.

"Weißt du, ich frage mich, wieso du die Explosion überlebt hast." Minho schnaufte. "Vielen Dank auch, die Liebe mir gegenüber ist wirklich grenzenlos."

"Nein, das meine ich nicht.", antwortete Newt ernst. Er warf dem anderen Jungen einen Seitenblick zu. "Die Explosion war darauf ausgerichtet gewesen, dich umzubringen. Es sei denn, der Rauch und das Feuer wurden miteinbezogen, aber dann ist es trotzdem eigenartig, wieso du vergleichsweise... uh... nicht beschädigt?..." Newt brach verwirrt ab.

"Unverletzt?", half Minho aus. "Ja, genau, das. Entschuldige, manchmal entgleiten Wörter mir irgendwie. Jedenfalls ist es eigenartig, dass du doch relativ unverletzt bist."

Minho zuckte mit den Schultern. "Bedenke, dass ich kaum aus dem Raum gekommen wäre, wenn mir niemand geholfen hätte. Wäre ich etwas näher an der Quelle dran gewesen und komplett überrascht von der Explosion, hätte sie mich in einen längeren Knock-Out geschickt. Dann wären meine Überlebenschancen so schnell gesunken, wie meine Sympathie gegenüber WICKED."

"Was meinst du? Willst du mir sagen, du bist neulich Hellseher geworden und hast den Vorfall vorausgesehen?"

"Nein, aber zum einen arbeite ich reichlich schnell, also war ich von dem Gerät schon wieder weggetreten und zum anderen habe ich kurz vorher ein Geräusch gehört, das mich dazu bewegt hat, in Deckung zu gehen. Weit bin ich nicht gekommen, aber scheinbar weit genug. Und davon, WICKED zu trauen, war ich schon immer reichlich weit entfernt, wer schickt denn plötzlich einen absolut unausgebildeten Jugendlichen zu einem wichtigen Experiment, um nach dem Rechten zu sehen?"

Newt stellte die letzte Konserve zurück und sah sich in dem Bunker um. "Meistens denke ich, du hast mehr Glück als Verstand, aber vielleicht hast du ja beides. Sieh mal, Taschenlampen. Solche habe ich schon ewig nicht mehr gesehen." Er griff in die Kiste in einer Ecke des Bunkers, wobei sein Blick auf den Boden daneben fiel.

"Das sind eigenartig gerade Risse." Minho kniete sich neben ihn und schob eine andere Kiste zur Seite, wobei eine kleine Einkerbung im Boden sichtbar wurde. Sie schoben allen Kisten zur Seite und Minho griff in die Vertiefung. Die Falltür schwang auf.

Mit einer Taschenlampe in der Hand beugte Newt sich vor. "Sieht wie ein Lager aus. Allerdings sind an den Seiten noch weitere Türen." "Nun, dann haben wir im Notfall ein weiteres Versteck. Lass uns das Licht ausschalten, bevor jemand es entdeckt." Minho klappte die Falltür wieder zu und streckte sich nach dem Lichtschalter aus.

Dann ließ er sich neben Newt auf den Boden fallen und fuhr sich über den zum Glück nicht mehr blutenden Hinterkopf. "Was machen wir jetzt? Irgendein Plan?"

"Um so weit zu denken, hatte ich leider keine Zeit.", erwiderte Newt. Er drehte die Taschenlampe in seinen Händen. "Zum Lager zurück können wir eher nicht, in den Komplex erst recht nicht. Hoffentlich sind unsere Freunde erstmal sicher."

"Sollten sie. Eigentlich hatte die Mitarbeiterin es ja nur auf dich abgesehen." Kurz trat Stille ein, dann seufzte Minho. "Was machen wir jetzt? Warten, bis wir gefunden werden? Doch zum Lager zurückkehren? Ich denke, dort würden sie uns zuerst suchen."

Newt schaltete die Taschenlampe in seinen Händen ein und aus, sichtlich in Gedanken. "Es gibt etwas, was ich gerne tun würde.", setzte er schließlich an und griff an den Gürtel, den Minho bisher nicht bemerkt hatte. Im Licht der Taschenlampe hielt er ihm etwas entgegen.

"Was ist das? Ein Notizbuch?" Newt nickte. "Ava hat es mir gegeben. Es ist das Buch, in das ich immer geschrieben habe, nachdem ich damals weggelaufen bin. Die Einträge reichen bis zum Tag meines eigentlichen Todes." Er zögerte und biss sich kurz nachdenklich auf die Lippe.

"Ich möchte Keisha finden."


The Blood RiddleWhere stories live. Discover now