Kapitel 40

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M I C H A E L
F O R B E S

Was passierte, war nicht richtig. Es war falsch. So falsch. Ein junges Mädchen, das gerade erst erwachsen wurde, war in meinen Armen gestorben. Ihr Name war Madison Harper. Das hatte sie nicht verdient. Madison Harper war der Kriminalität zum Opfer gefallen. Sie war eine von den Guten. Es hätte nicht so kommen dürfen. Sie war durch die Hand derer gestorben, die ich unterstützt hatte, nur weil ich meinen Neffen rächen wollte.

Ich war ein schlechter Mensch.

Die Nacht war dunkel und ich stand vor einem Fenster. Durch das Licht vom Inneren sah ich ein luxuriöses Wohnzimmer. Riley Jordan saß mit einem kleinen Mädchen auf dem Schoß auf einem Sessel. John West und Brooke Jordan saßen eng umschlungen auf dem Sofa gegenüber. Ihre Hände waren wie zusammengeschweißt, als befürchteten sie, dass sich der andere jeden Moment in Luft auflösen könnte. Neben ihnen saß ein anderes Paar. Ein blondes Mädchen und ein braunhaariger Junge. Auf einem anderen Sessel saß TJ, der Sänger aus New York. Das hier war sein Haus. Er lachte gerade über etwas, das der Braunhaarige gesagt hatte.

So sah es aus, wenn man glücklich und dankbar war. Ein Glück, das ich gleich zerstören musste. Es war meine Pflicht ihnen von Madison Harper's Tod zu erzählen. Ich musste es tun. Als sie vor ein paar Tagen angeschossen wurde, hatte ich sie in ein Krankenhaus gebracht, aber es war zu spät gewesen. Sie hatten nichts mehr für sie tun können. Das Mädchen war schon lange tot gewesen. Ich hatte mir eingebildet, man könnte sie retten, aber das war nur eine Illusion gewesen.

Das einzige, was mir noch richtig erschienen, war ihr die Halskette abzunehmen, die sie getragen hatte. Ich dachte, dass der Junge, an den ihre letzte Worte gerichtet waren, die Kette vielleicht gerne haben würde. Es machte mir Angst dem Jungen, der Madison geliebt hatte, diese Nachricht zu überbringen. Aber zuerst musste ich das hier hinter mich bringen.

Die eine Stimme in mir sagte, dass Sky sie sowieso getötet hätte und ich es nicht hätte verhindern können. Die andere Stimme sagte mir, dass wenn ich schneller zum Auto gerannt wäre, Sky das Mädchen vielleicht nicht getroffen hätte. Wie ich es auch hindrehte, es machte keinen Sinn. Madison war tot. Man konnte an dieser tragischen Tatsache nichts mehr ändern.

Schließlich nahm ich all meinen Mut zusammen und klopfte gegen das Fenster.

Ein paar zuckten zusammen und TJ stand auf. Er sah zu seiner Mom, Riley, die ihm zunickte. Riley und ich kannten uns bereits. John, Brooke und ich uns ebenfalls.

TJ öffnete das Fenster. „Wer sind Sie?"

„Michael Forbes", antwortete ich.

„Er ist sauber, TJ", rief Riley. „Na ja - zumindest fast", fügte sie mit scharfer Stimme hinzu.

Ihr Sohn musterte mich misstrauisch. Eine tiefe Furche hatte sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet, aber er ließ mich durch.

Brooke sprang auf. „Was haben Sie hier zu suchen?!" Ihre Augen waren ängstlich aufgerissen. John hatte schützend seinen Arm an ihren Rücken gelegt. „Er hat mit meinem Dad gemeinsame Sache gemacht, er - "

„ - Das weiß ich bereits", sagte Riley. „Er war bei deiner Mom, Brooke. Er hat die Seite gewechselt."

„Wie? Einfach so?", mischte John West sich ein. Er sah mich mit einem so bösartigen Blick an, sodass ich das Gefühl hatte, er würde sich gleich auf mich stürzen.

„Ihr könnt mir vertrauen. Es gibt wichtigeres zu klären", sagte ich und schaute zu Boden. „Ich war im Quartier in Boston. Da, wo ihr eure Freundin Madison Harper eingeschleust habt."

Das blonde Mädchen erhob sich. „Woher wissen Sie von Madison?" Ihre Stimme zitterte.

„Weil ich bei ihr war."

„Wo ist sie? Wir konnten sie seit Tagen nicht erreichen!", rief das Mädchen aufgebracht.

„Sie - sie hat es nicht geschafft."

„Was meinen Sie damit?"

„Ihre Identität wurde aufgedeckt."

Der braunhaarige Junge, der neben der Blonden saß, ergriff das Wort: „Wie konnte das passieren? Niemand kennt sie dort."

Wenn sie doch nur wüssten. Damals an der Wall Street, wo ich auf John, Tiana, Hakeem und ihr, Sky, gestoßen war, hatte ich es bemerkt. Dass Sky nicht die war für die sich ausgab. In diesem Moment hatte ich realisiert, dass Sky nicht ihr richtiger Name war, sondern Ivy. Schon damals hatte mich ihr Blick eingeschüchtert. Sie hatte sich wie ein ängstliches Ding hinter John und Hakeem versteckt - die perfekte Schauspielerin. Doch sie hatte mich mit einem mahnenden Blick angeschaut, ja keine Andeutungen zu machen, dass ich sie kannte. Das hatte sie so geschickt angestellt, sodass keiner von ihren Freunden es hatte sehen können. Dieses Mädchen spielte ein falsches Spiel. Wie eine Psychopathin führte sie zwei Leben.

„Was ist jetzt? Wo ist Madison?", fragte John. „Ist sie eingesperrt? Hat man sie gefangen genommen?"

„Wer hat sie überhaupt erkannt?", fragte der Braunhaarige.

„Eure Freundin Sky - oder wie ihr sie nennt - Ivy", antwortete ich trocken.

„Was?", fragte der Junge spöttisch. „Wir haben jetzt wirklich keine Zeit für Scherze, Sir."

„Ihr voller Name muss wohl Ivy Sky Sawyer sein. Sie ist ein und dieselbe Person, aber sie führt zwei Leben. Das Mädchen hat euch etwas vorgemacht. Sie ist Jake's Tochter."

Alle wandten sich zu Brooke.

„Ich - ich wollte es euch noch sagen. Ich habe es völlig vergessen, wegen dem ganzen Stress und der Belastung", sagte Brooke und schluckte. „Ich habe damals meinen Dad belauscht. Es stimmt. Ich konnte mich nicht mehr an sie erinnern, aber ihr Gesicht kam mir so unheimlich bekannt vor. Jetzt, wo Michael es gesagt hat, kommt alles zurück. Es ist Ivy. Damals war sie es gewesen, die mich mit Drogen abgefüllt hat. Es ist wahr."

John und der andere Junge sahen sie mit aufstehendem Mund an. Sie leugneten es. Sie konnten es nicht wahrhaben.

Ich fragte mich, wie lange es dauern würde, bis sie all das verarbeitet hatten. Menschen waren falsch. Früher oder später würden sich alle als falsch herausstellen. Aber ich konnte nicht den Moralapostel spielen, denn ich selbst hatte auch eine Person betrogen und angelogen. Dass ich Rachel so ausgenutzt hatte, würde ich mir nie verzeihen können, denn ich wusste, dass nicht nur ich mehr empfunden hatte... 

◇◇◇◇◇◇◇

So, das war das erste Kapitel unserer Lesenacht! Ich weiß, dass es sehr kurz war, aber ich fand diese Länge in der Situation sehr passend.

Ich weiß nicht wirklich, ob ich Michael mögen oder hassen soll😂 Wie geht es euch? Irgendwie mag ich ihn doch, vor allem wegen seiner Vorgeschichte und seinen Beweggründen. Eigentlich hatte ich nie geplant, dass er eine so große Rolle in der Story spielen wird, aber es ist jetzt so gekommen und es fühlt sich irgendwie richtig an, auch wenn ich nicht wirklich genug Zeit hatte viel über ihn zu schreiben.

Es geht weiter...

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