Kapitel 26

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B R O O K E
J O R D A N

Drei Wochen später...

DAS LEBEN IST NUR EIN TRAUM hatte ich gestern in der Form eines Graffitis an einer Mauer gelesen. Ich hatte mich gefragt, ob damit etwa gemeint war, dass das Leben zu schön war, um wahr zu sein - was für ein Bullshit. Die grellen Buchstaben hatten in meinen Augen gestochen, weil diese Worte nicht stimmten. Am liebsten hätte ich eine Spraydose geschüttelt und über die Worte den Satz DAS LEBEN IST DIE HÖLLE gesprüht, denn nur das entsprach der Wahrheit und nichts anderes. Der Fall war immer tiefer als der Aufstieg. Mein Leben fühlte sich wie ein Traum an, als ich mit John zusammen war, aber das war nicht die Realität gewesen. Früher oder später würde jeder von uns seinen eigenen persönlich zugeschnitten Absturz erfahren. Eine Hölle, aus der man nicht mehr rauskam. Ein Teufelskreis. Bei mir waren es die Drogen. Viel zu jung hatte ich mich auf eine abhängige Ehe eingelassen.

Vor mir sah ich nur bunte Pillen und weißes Pulver. Das war alles, was mir wichtig war. Es waren ein paar Wochen vergangen und ich war jetzt clean, aber spätestens in einem Monat würde ich wieder rückfällig werden. Vor etlichen Jahren als ich 13 war, hatte ich einen Ehevertrag mit den Drogen unterschrieben. Ich war mit ihnen verheiratet und würde ihnen nie entfliehen können. Das war mein Schicksal.

Andere Leute plapperten davon, dass ihre Bestimmung eine gesunde Familie, eine glückliche Beziehung oder Reichtum und Erfolg seien, aber das war nur der Schein, den wir uns ausdachten. Weil wir dachten, dass wir etwas Besonderes sind, obwohl jeder von uns so unbedeutend wie jeder Grashalm in einer unendlich weiten Wiese ist. Die Wahrheit ist, dass sich niemand an dich erinnern wird. Niemand. Unser Leben war so schnell vorbei, wie der Docht von einer Kerze abbrannte. In der nächsten Sekunde würde man die nächste Kerze anzünden und die abgebrannte Kerze wegwerfen, als hätte es sie nie gegeben. Keine Kerze konnte unendlich brennen, auch kein Leben. Alles hatte ein Verfallsdatum. Wenn man allerdings wie ich einen Deal mit dem Teufel eingegangen war, kam man öfter in Versuchung mit seinen Fingerspitzen den Docht zu zerdrücken und die Flamme so früher als vorgesehen zu löschen.

Diana hatte mich mal gefragt, ob ich in einer Art Parallelwelt leben würde, weil ich immer so düstere Gedanken in mir trug. Ich hatte mit einem simplen Ja geantwortet, weil es nichts als die Wahrheit war. Wenn ich mich alleine fühlte, war ich immer auf diese dunkle Seite abgedriftet, die mich umschlang und schließlich verschluckte. Manchmal hatten mir die Sterne am Himmel Halt gegeben, um mich nicht vollständig verschlucken zu lassen. Heute beschützten sie mich nicht mehr. Wahrscheinlich weil ich den Glauben verloren hatte.

Menschen, die sagten, dass das Leben ein Geschenk sei, waren naive Lügner. Das Leben war die Qual, eine Probe durchzuhalten. Jeder Psychologe, der meinte, dass alles wieder gut werden wird, verstand euch nicht. Leute sagten, sie helfen dir, doch das konnten sie nicht. Jeder musste seinen eigenen Kampf mit sich selbst ausmachen. Die Psyche war zerbrechlich. Wir waren nur Passagiere in unseren Körpern, keinen Einfluss darauf habend. Ich wünschte, ich wäre nicht als Rachel Jordan 's Tochter geboren. Das hätte meine 18 Jahre auf dieser Erde wesentlich einfacher gemacht.

Ich war wie eine Schiffbrüchige in einem tosenden Meer. Ich wünschte, ich würde ertrinken, aber das Leben war wie das Meer - aufbrausend, quälend. Es ließ dich nicht los. Ich war kein Vampir mit Bonuskraft, kein Marvel Held mit Retterinstinkt und auch keine Prinzessin mit einer Gabe, die einem Fantasyroman entsprungen war. Ich war einfach nur ein Mensch. Ein Mensch wie wir alle. Ein Lebewesen, das ohne sein Gehirn nichts wäre. Sonst wären wir schon längst Raubtieren zum Opfer gefallen. Sie alle wären stärker und schneller als wir gewesen und hätten uns ausgerottet. Unsere Spezies wäre ausgestorben, wenn wir nicht dieses Teil in unseren Köpfen hätten. Ein Gehirn war nützlich, keine Frage, aber wenn man es wie ich mit toxischen Substanzen verächzt hatte, war es dein schlimmster Feind, weil es dich dazu zwang falsche Entscheidungen zu treffen und die Menschen in deinem Umfeld zu verletzen. Ich hasste mich dafür und das würde ich immer tun.

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