Kapitel 27

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T I A N A
S T E W A R T

Keiner wusste, wo sich John West befand. Auch nach drei Wochen hatten wir keine Spur von ihm. Ich hatte Angst, dass ihm etwas zugestoßen war, die hatten wir alle.

Die Sommerferien waren vorbei und Ivy Sawyer und Hakeem Jackson mussten wieder nach Boston zurückkehren. Ivy, um ihr Stipendium an einer Kunstakademie anzunehmen und Hakeem, um ans College mithilfe eines Sportstipendiums, dank dem Football, zu gehen. Ich hatte Hakeem gezwungen nach Boston zurückzukehren und hatte ihm gesagt, dass John gewollt hätte, dass er unter keinen Umständen seine glorreiche Zukunft aufgab. Ivy hatte es hier in New York nicht mehr ausgehalten. Sie hatte John's Verschwinden am härtesten getroffen.

John, Ivy und Hakeem - sie alle waren mir ans Herz gewachsen und wir waren echte Freunde geworden. Ich befand mich noch immer hier in New York - alleine. Ich war 25 und ging schon lange nicht mehr auf's College. Als meine Chefin Rachel Jordan verhaftet wurde und Jake Cruise, oder besser gesagt Jack Curtis, JORDAN übernahm, wurde ich quasi arbeitslos. Meine Loyalität galt Miss Jordan. Sie war die einzige gewesen, die mich damals als ihre persönliche Assistentin eingestellt hatte.

Ich wurde immer nur mit meinem Vornamen Tiana angesprochen und das hatte einen ganz bestimmten Grund. Meine Eltern waren Schwerverbrecher gewesen. In ihren Akten war alles zu finden. Körperverletzung, Einbruch, Raub, Urkundenfälschung - einfach alles. Die Stewarts hatte man als das neue Bonnie und Clyde Paar angesehen und meine Eltern waren darauf stolz gewesen. Ich hatte die beiden nie verstanden.

Mom und Dad hatten sich damals für mich geschämt, dass ich studiert hatte und bei den „reichen Weißen" an einer Businessschool aufgenommen wurde. Sie waren nie stolz auf mich gewesen und als ich meinen Abschluss gemacht hatte, hatte man meine Eltern verhaftet. Ich hatte sie nie besucht. Sie waren in irgendeinem Gefängnis in Boston.

Rachel Jordan war die einzige Arbeitgeberin gewesen, die nicht vor meinem Nachnamen zurückgeschreckt war. Sie sagte, sie verstand Leute mit schwierigen Vergangenheiten, weil sie selbst eine hinter sich hatte. Miss Jordan war die einzige gewesen, die mich nicht verurteilt und mich in keine Schublade gesteckt hatte. Dafür schuldete ich ihr einiges. Wahrscheinlich hätte ich sonst nie einen Job gefunden. Ich hatte mich gewundert, dass die gefürchtete Geschäftsfrau von JORDAN mich überhaupt zu einem Bewerbungsgespräch nach meiner Bewerbung gebeten hatte, die ich ohne einen Prozent Hoffnung an JORDAN geschickt hatte. Rachel Jordan war dafür bekannt gewesen, dass sie ihre Assistenten wöchentlich wechselte. Ich war seit Monaten ihre Assistentin gewesen. Bei unserem ersten Treffen waren wir bereits auf einer Wellenlänge.

Ich hatte meinen Job geliebt und ich hatte Miss Jordan verheert, sie bewundert. Diese Frau war schon seit meiner Kindheit mein größtes Vorbild neben Beyoncé oder Michelle Obama gewesen. Ich hatte mich sehr geehrt gefühlt, an ihrer Seite arbeiten zu dürfen. Ich war mehr als glücklich, hätte ich mich nicht immer schlecht wegen Miss Jordan's Tochter gefühlt. Brooke hatte die tiefste Abneigung gegenüber mir gehegt und ich hatte sie verstanden. Sie und ihre Mom waren sich quasi fremd. Miss Jordan war zu irgendeinem Grund immer abweisend zu ihrer Tochter gewesen. Nie hatte sie Brooke ein Fünkchen Aufmerksamkeit gespendet - von mütterliche Fürsorge und Liebe mal ganz abgesehen. Ich hatte Brooke immer sagen wollen, dass es mir leid tat, aber war nie dazu gekommen und jetzt würde ich es nie mehr tun können.

Weil sie nicht mehr unter uns weilte...

Jetzt war ich hier die einzige in New York. Ich wollte John finden, aber zuerst wollte ich meine ehemalige Chefin besuchen. Es waren bestimmt zwei Monate vergangen, in denen wir hier gewesen waren, aber nie einen Termin für einen Besuch bei Miss Jordan bekommen hatten. Heute war es soweit.

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