Die Spiele beginnen

44K 1.5K 395
                                    

Annika erwachte am nächsten Morgen tatsächlich mit schmerzenden Muskeln. Sie schloss daraus, dass sie außer Form war. Sie musste unbedingt einen Laufplan aufstellen. Nick hatte nicht Unrecht gehabt, als er am Vortag angedeutet hatte, dass eigenständiges Konditions- oder Krafttraining durchaus nicht schaden konnte.

Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass er ihr neuer Trainer war. Er war für sie der Inbegriff von Reichtum: arrogant, zu sehr von sich selber überzeugt und kalt. Handball war wahrlich der richtige Sport für ihn. Arroganz konnte man bei der Sportart nämlich immer gut gebrauchen, privat durfte man die Eigenschaft aber gerne abstellen.

Sie auch zweifelte auch an seinen Fähigkeiten als Trainer. Dass sie Muskelkater hatte, bedeutete noch lange nicht, dass er eine Prämie verdient hätte. Sie musste sich gedulden. In ein paar Monaten konnte sie mehr über ihn als Trainer sagen. Und wahrscheinlich auch über ihn als Person.

Sie schmunzelte kurz. Erleichtert dachte sie daran, dass sie ihn im Zug nicht angeschrien oder eine herabwürdigende Bemerkung geäußert hatte, als er sie, ohne sich danach zu entschuldigen, angestoßen hatte. Wäre das peinlich gewesen! Wahrscheinlich hätte er sich geweigert, sie im Team aufzunehmen. Eine gute Erziehung war hin und wieder also doch von Vorteil.

Mühsam kämpfte Annika sich durch den Schultag. Die letzte Stunde Mathe, in der nur Stoff vom letzten Jahr durchgesprochen wurde, nutzte sie, um sich einen Lauf- und Kraftaufbauplan zusammenzustellen. Ihre Wangen glühten förmlich vor Ehrgeiz. Sie wollte unbedingt einen fast unübertrefflichen physischen Zustand erreichen. Verwundert stellte sie fest, dass sie dabei vor allem daran dachte Nick zu zeigen, wozu sie fähig war, sie wollte sich unbedingt vor ihm beweisen. Er sollte auf keinen Fall einen schlechten Eindruck von ihr kriegen. Sie würde ihm noch zu verstehen geben, dass sie ab jetzt für das Schulteam nicht mehr zu entbehren war.

„Wieso schaust du so grimmig?", fragte Caroline flüsternd. Annika sah ihre Sitznachbarin lächelnd an.

„Ich stelle nur gerade einen Masterplan auf."

„Doch nicht für Mathe, oder?"

„Ne, für ein persönliches Trainingsprogramm."

„Kapier ich nicht. Nora sagte, dass sie jetzt schon ihre Hoffnung auf dich setzt für diese Saison."

„Mag sein, aber verbessern kann man sich immer. Und bei mir ist es mehr als dringend. Ich muss meinem Trainer unbedingt eins auswischen!" Annika konnte sich ein kurzes Kichern nicht verkneifen. Caroline schaute sie mit lachenden Augen verblüfft an.

„Du willst Nick eins auswischen?" Anscheinend kannte Caroline den Handballtrainer. Beide Mädchen hatten Mathe völlig vergessen und achteten gar nicht auf ihre Umgebung.

„Oh ja. Aber da muss ich dir erst einmal die Vorgeschichte erzählen. Als ich im Zug auf dem Weg hier her saß, ist mir da so ein total unfreundlicher Mann aufgefallen. Er hat mich sogar volle Kanne angestoßen, und sich daraufhin nicht einmal bei mir entschuldigt! Ich hatte einen brühend heißen Kaffee in der Hand! Und er hat mich nicht eines Blickes gewürdigt! Und jetzt..."

„Ms. Cullum, Ms. Parker, würden Sie uns bitte die Gunst erweisen und Ihre Aufmerksamkeit der Mathematik zuwenden?" Mr. Meyers schaute sie tadelnd an. Beide murmelten eine Entschuldigung. Als sich der Mathematiklehrer aber wieder der Tafel zuwandte, fuhr Annika mit ihrer Erzählung fort. Diesmal aber noch leiser und unauffälliger.

„Rate mal, wer dieser Mistkerl war?", fragte sie Caroline ohne sie anzuschauen.

„Keine Ahnung... Doch nicht etwa Nick?" Caroline schrieb an ihrem Hefteintrag weiter, tat so, als würde sie sich auf Mathe konzentrieren. Dabei war sie voll und ganz bei Annikas Geschichte. Diese wiederum nickte vielsagend.

Spiel der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt