Kampf der Giganten

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Annika überlegte ernsthaft das Handballtraining zu schwänzen. Es war gerade einmal etwas mehr als 24 Stunden her, dass sie gegen Rosewood ein Unentschieden erreicht hatten, und das hatte sie bei Weitem noch nicht bearbeitet. Für sie war das eine Niederlage, nichts anderes.

Und auf Nick hatte sie auch keine Lust. Sie hatte sich auf dem Nachhauseweg in das Auto von Nora gesetzt, sodass Nick schön alleine nach Hause fahren konnte. Eine Stunde mit ihm alleine hätte sie nicht überlebt. Er war mindestens genau so enttäuscht gewesen wie sie. Und sie konnte sich schon denken was für eine Standpauke später auf die Mannschaft wartete. Sie wusste, dass sie versagt hatten, sie brauchte wahrlich nicht es noch unter die Nase gerieben zu bekommen.

Sie schüttelte seufzend den Kopf, als sie das Klassenzimmer verließ und sich auf dem Weg zu ihrem Zimmer machte. Natürlich würde sie nicht schwänzen. Man musste nach einer Enttäuschung auch wieder aufstehen können.

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Als Annika einige Stunden später mit Nora die Sporthalle betrat, bereute sie sofort, dass sie nicht in ihrem Zimmer geblieben war. Nick war milde ausgedrückt sehr unzufrieden mit der Leistung vom Wochenende, was er deutlich zeigte. Erst hielt er eine zwanzig minütige Rede voll mit Kritik, Anweisungen, Vorschlägen und Flüchen. Danach waren intensive Übungen mit dem Ball angesagt. Es klang simpel, ja fast schon banal, aber es war eindeutig effektiv das Werfen und Fangen in verschiedenen Positionen, Richtungen und Geschwindigkeiten zu üben.

Danach mussten alle von jeder Position fünf Mal werfen. Wer nicht traf, machte fünf Liegestützen. Wenn man sich nicht konzentrierte, riskierte man also 150 Liegestützen. Und Nick war erbarmungslos. Annika hatte bei den dreißig Würfen nur vier verfehlt, weshalb sie nach dieser Übung noch sehr fit war.

"Cullum, gleiche Anzahl noch einmal", wies Nick sie plötzlich an. Annika schaute ihn halb empört an, doch bevor sie etwas erwidern konnte, fügte er hinzu: "Und zwar jetzt, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!" Ungläubig schüttelte sie den Kopf, verbiss sich jeglichen Kommentar und machte sich daran, ihre Liegestützen noch einmal zu machen. Sie schaute sich währenddessen um und bemerkte, dass Nick nur sie zu extra Liegestützen verdonnert hatte. Ob es daran lag, dass sie nicht so viele wie die anderen gemacht hatte, oder daran, dass er sie hasste, wusste sie nicht.

Die meisten Mädchen waren jetzt schon am Ende ihrer Kräfte, aber das war Nick herzlich egal. Er hatte noch jede Menge Muskel- und Konditionsübungen auf Lager. Als das Training eine Stunde darauf fertig war, stöhnte auch Annika erleichtert auf. Es war verdammt noch einmal Montag! Das war eh schon der härteste Tag der Woche, da brauchte man nicht auch noch so ein hirntotes Training.

Sie verabschiedete sich von Nora und den anderen und beeilte sich aus der Umkleidekabine. Sie zog sich im Gehen ihre Trainingsjacke über, Duschen und sich umziehen würde sie in ihrem Zimmer. Jetzt wollte sie einfach ihre Ruhe.

Sie lief die Treppen nach oben und während sie ihr iPhone aus ihrer Sporttasche holte, begab sie sich nach draußen in die kühle Abendluft.

"Wow, pass doch auf!", entfuhr es ihr, als sie unsanft mit jemanden zusammen stieß. Sie blickte von ihrem Handy hoch und starrte Nick an. Dieser schien genauso überrascht wie sie. Er bedachte sie mit einem undefinierbaren Blick und ging einfach weiter. Ohne ein Wort. Genau wie im Zug.

"Hey, du unerzogener Mistkerl", rief sie ihm hinterher und bereute sofort ihre Worte. Nick blieb stehen und drehte sich langsam um. Jetzt gab es eh keinen Weg zurück.

"Hat deine Mutter dir keine Manieren beigebracht?", fuhr sie aggressiv fort und schubste ihn hart gegen die Glasfront des Sportgebäudes. All in. Nick schaute sie erst perplex an, dann richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und stellte sich dicht vor ihr. Er war einen ganzen Kopf größer als sie, weshalb Annika ihren Kopf ein wenig in den Nacken legen musste.

"Du nimmst dir Freiheiten, die du nicht hast, Cullum", sagte er warnend. Annika spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte.

"Steck mal deine Arroganz sonst wo hin, Nick. Wenn man jemanden anrempelt, entschuldigt man sich! So schwer kann das doch nicht sein, dass du das nicht hinkriegst. Sonst bist du ja auch der allerbeste in allem", fügte sie sarkastisch hinzu.

"Es ist wahrlich nicht mein Problem, wenn du beim Gehen nicht auf deine Umgebungen achtest. Denn auch das scheint nicht eine deiner wenigen Stärken zu sein." Annika unterdrückte ihre Lust ihm eine Kopfnuss zu verpassen. Sie wusste, dass auch er auf die Episode im Zug anspielte. Dort hatte sie ihren Blick auf ihren Kaffee gehabt, nicht auf den Flur. Trotzdem verspürte sie wegen seiner Worte einen leichten Stich. Eine ihrer wenigen Stärken. Ihr war klar, dass sich hier gerade ein Machtkampf ausspielte, trotzdem fühlte sie sich gekränkt.

"Und wenn du noch einmal handgreiflich gegen mich wirst...", fing er kalt an.

"Was dann?", fragte sie ihn provozierend und schubste ihn noch einmal gegen die Brust. Blitzschnell packte er sie an den Armen und drehte den Spieß um. Unsanft knallte er jetzt sie gegen die Gebäudefassade und stand so dicht vor ihr, dass sie auf ein Mal alles an ihm wahrnahm. Seine kraftvollen, hellen Augen, seine pechschwarzen Haare, die ihm leicht in die Stirn fielen, seine Bartstoppeln, sein intensiver, männlicher Duft, die fast unbändige Stärke in seinen Armen, sein trainierter Oberkörper und sein Mund ganz nah an ihrem Ohr.

"Dann wirst du dieses Herzpochen und deinen Atemmangel nie wieder los", flüsterte er und ging. Sie beobachtete, wie er sich mit einer Hand durch die Haare fuhr und dann in der Dunkelheit verschwand. Erst dann holte sie tief Luft und merkte, wie ihr Herz hart und schnell schlug. Sie hatte unbewusst die Luft angehalten. Sie fasste sich an die Brust und plötzlich schoss die Röte in ihr Gesicht. Das alles war Nick nicht entgangen. Und er wusste eindeutig, dass ihr Körper wegen ihm so reagierte.

Sie schüttelte den Kopf und fasste sich an die Stirn. Was hatte sie sich nur gedacht, ihren Trainer so anzufahren? Das konnte sie doch nicht! Sie schämte sich für ihr Verhalten, denn ob sie wollte oder nicht, so war Nick in ihren Augen eine Autorität. Und sie hatte soeben für immer seine Gunst verloren. Dachte sie zumindest.

"Wie bescheuert bist du eigentlich?", flüsterte sie sich selber zu und ging dann endlich Richtung Hauptgebäude.

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Hey Leute! :D

Sorry dass ich für dieses Update so lange gebraucht habe, aber ich bin momentan dabei, meine Facharbeit zu schreiben. Nicht, dass ich schon Wesentliches zu Papier gebracht hätte ;-) Aber mein Kopf ist voll davon :b

Ich hoffe dieses Kapitel hat euch gefallen und freue mich über Feedback! Noch ein schönes Wochenende!

Tyskerfie <3 <3 <3

Spiel der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt