Wütende Würfe und anziehende Abwehr

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"Cullum, zu mir kurz, bitte." Überrascht und doch irgendwie nicht so sehr überrascht, drehte sie sich zu ihm um.

Sie ging einige wenige Schritte auf ihn zu und erwiderte seinen undefinierbaren Blick. Was kam jetzt? Noch eine Entschuldigung? Eine Provokation? Oder etwas komplett gleichgültiges?

„Was?", fragte sie ihn. Weder schroff, noch freundlich.

„Ich brauche dir nicht zu sagen, dass das...", er betonte es, als könne er eine detaillierte Bezeichnung ihres Kusses nicht über seine Lippen bringen, „am besten nicht rumgesprochen wird, oder?"  Er sagte es leise und seine Stimme ging Annika durch Mark und Bein. Sie schnaubte leicht und sah ihn verächtlich an.

„Für wie blöd hältst du mich?", fragte sie ihn und schüttelte leicht den Kopf.

„Das hat damit nichts zu tun", meinte er ruhig.

„Womit dann?" Sie sah ihm tief in seine hellen Augen und versuchte wie immer vergebens etwas daraus zu entnehmen. Es schien nicht so, als würde er antworten, weswegen sie sich einfach umdrehte und begann sich warm zu laufen.

Wieso um Himmels Willen sollte sie herumposaunen, dass Nick sie geküsst hatte? Wenn, dann nur um allen anderen klar zu machen, was für ein arroganter Arsch er war. Sie war so wütend, dass sie sich am liebsten die Seele aus dem Leib geschrien hätte.

Das Aufwärmen hatte sie nicht beruhigt, mit jedem Schritt war sie wütender geworden und war jetzt mehr als bereit, ihre Raserei im Spiel auszulassen. Sie spielte energisch, kraftvoll, fast aggressiv, aber immer darauf bedacht keine Grenzen zu überschreiten und ihre Teamkollegen nicht zu verletzen. 

Ihre Gegenspieler merkten schnell, dass sie heute nicht zu stoppen war, weshalb sie oft freien Wurf aufs Tor hatte. Sie legte all ihre Kraft und all ihre Wut in ihre Würfe und konnte so ein wenig abreagieren. Als sie zum zweiten Mal hinter einander jedoch den Pfosten traf, biss sie sich so hart in die Lippe, um einen wütenden Schrei zu unterdrücken, dass sie fast anfing zu bluten. Pfosten war einfach nicht gut genug. Vor allem nicht, da sie sich nur zu deutlich bewusst war, dass Nick sie konstant beobachtete, sie analysierte, versuchte sie zu lesen, sie beurteilte. Sie verurteilte.

Nach dem Spiel waren diverse Übungen mit dem Ball angesagt, die gleichzeitig als Muskel- und Konditionstraining dienten. Verbissen vollführte Annika jegliche Aufgaben, immer darauf bedacht, Nick nichts zum Kritisieren zu geben. Gleichzeitig würdigte sie ihn keines Blickes. Sie wollte ihn nicht ansehen. Sie wollte nicht, dass er sich wieder in ihre Gedanken nistete.

Als die Truppe eine kleine Verschnaufpause brauchte, nutzte Nick die Gelegenheit, um über das kommende Heimspiel am Samstag zu reden. "Mädels, Samstag kommt St. Albert's zu uns und es ist kein Geheimnis, dass ich erwarte, dass wir dieses Spiel gewinnen", fing er an und hatte somit die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Spieler.

"St. Albert's hat erst seit letztem Jahr ein Handballteam und ihr erinnert euch bestimmt daran, dass wir unser abschließendes Spiel gegen sie in der letzten Saison gewonnen haben." Die Mädchen nickten. "In unserer aktuellen Form können wir sie locker schlagen." Wenigstens Nick schien zuversichtlich. 

"Ich bezweifle, dass sie viele ihrer Spieler ausgewechselt haben, deswegen müssen wir uns auf eine robuste, aggressive Abwehr einstellen."

"Stimmt, das waren die ganzen fetten Mädchen", kommentierte Megan stöhnend und die anderen Mädchen lachten. Auch Nick grinste.

"Alle Spieler von St. Albert's wiegen mindestens das Doppelte wie wir", flüsterte Nora und jetzt verstand Annika auch.

"Sie mögen vielleicht ein wenig furchteinflößend aussehen und ihre Abwehraktionen werden bestimmt auch weh tun", redete Nick weiter, "aber sie sind langsam. Sie sind unendlich langsam. Und das müssen wir ausnutzen." Annika konnte sich schon denken, was jetzt kam.

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