Lilien in London

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Nervös lief Annika in ihrem Zimmer auf und ab. Sie überprüfte im Spiegel ihre Frisur und sah dann aus dem Fenster über die Dächer Londons. Dann setzte sie sich auf ihr Bett und betrachtete ihre frisch lackierten Fingernägel, ohne auch nur eine Sekunde zur Ruhe zu kommen.

In dem Moment vibrierte ihr Handy. Schnell nahm sie es vom Nachttisch und las die Nachricht, die ihr ein Lächeln entlockte.

Bis gleich

Kein Kosenamen, kein Herz, kein Nichts. Trotzdem fing ihr Puls an schneller zu rasen, denn sie wusste, welche Gefühle hinter dieser Nachricht steckten.

Gleich würde Nick kommen. Und ihre Großeltern das erste Mal so richtig treffen.

Aufgeregt atmete Annika tief durch. Seit vier Tagen war sie wieder in London, seit vier Tagen hatte sie Nick nicht gesehen. Der Abschied war ihnen ungemein schwer gefallen. Endlich hatten sie zueinander gefunden, da schien jede Trennung einfach nicht zu ertragen.

Außerdem waren es berauschende, glückliche Tage gewesen, die sie in Cornwall verbracht hatten. Und das galt nicht nur ihnen selber. Das Zusammensein mit Gab, Simon und Caro hatte sie als Bande zusammengeschweißt.

Sie hatten schon in Cornwall ausgemacht, wann sie sich wieder sehen würden und Annika hatte am Abend ihrer Rückkehr Diana und William Bescheid gegeben, dass er kam. Ihre Großmutter hatte es schweigend hingenommen, ihr Opa hatte gar nicht mehr aufhören können, zu grinsen.

Lange hatte Diana ihre böse Miene auch nicht aufbehalten, denn jetzt ging es darum, dass der Sohn der Brightons den besten Eindruck vom Hause Cullum erhalten sollte. Deswegen hatte Diana die letzten Tage ein wahres Festmahlzeit geplant, frische Blumen für die ganze Wohnung organisiert und sich selber und Annika ein neues Kleid gekauft. Annika hatte mehrmals versucht, ihr diesen Quatsch auszureden, aber ihre Oma hatte nicht hören wollen.

Denn, so sagte sie, würde Nick mit Sicherheit seinen Eltern bis ins kleinste Detail von ihnen, ihrer Wohnung und dem Ablauf des Abends berichten. Und deswegen sollte alles perfekt sein.

Irgendwann hatte Annika es aufgegeben, zu versuchen, ihre Oma davon zu überzeugen, dass es Nick ziemlich egal war. Vielleicht war es seinen Eltern mittlerweile auch egal, nur schien Diana noch in der Vergangenheit festzustecken.

Langsam stand sie wieder auf und sah sich in ihrem Zimmer um. Es war das erste Mal, dass sie jemanden so nah an sich ranließ, der ihr so viel bedeutete. Nick würde sie besser und besser kennenlernen, ihre Vergangenheit, ihre Familie, ihre Geschichte.

Im Grunde hatte sie noch nie jemanden so nah an sich rangelassen. Doch es fühlte sich gut an. Auch obwohl dieses Gefühl fremd für sie war.

Sie verließ ihr Zimmer und begab sich zu ihrem Opa, der im Wohnzimmer auf der Couch saß und in der Zeitung las. Er konnte manchmal einen ganzen Tag an dem Ding sitzen, dachte Annika grinsend, als sie sich neben ihn setzte.

"Na, bist du aufgeregt?", fragte er, ohne seinen Blick von der Zeitung zu wenden.

"Ja", gestand sie. "Und nein. Ich meine, ich bin mir in meiner Sache mit ihm sicher, egal was ihr zu ihm sagt."

Jetzt faltete William die Zeitung zusammen und sah sie an. "Und so gehört es sich auch", lächelte er sanft. "Ich hoffe aber natürlich, dass wir uns gut verstehen, damit ihr euch auch zusammen hier wohl fühlt. Ich habe schon eine Tochter verloren, ich will nicht, dass es wieder passiert", sagte er leise und Annika schluckte.

Sie wusste, dass ihr Opa nie etwas gegen die Beziehung ihrer Eltern einzuwenden gehabt hatte, es war Diana gewesen, die mit allen Mitteln versucht hatte, das Verhältnis zu verhindern.

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