Gefühlstraining

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4 Tage, 4 Updates - was geeeeht? :b
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Sie zog ihre Jacke aus, als sie den runden Gegenstand in ihrer Jackentasche spürte. Als sie die kleine Kastanie hervorholte und begutachtete, überkam sie das Gefühl etwas verloren zu haben, was ihr unerwartet und überraschend geschenkt worden war.

Sie legte die Kastanie auf das Fensterbrett bei ihrem Bett, schnappte sich ihr iPhone und begab sich zum Speisesaal. Caro sah sie schon von Weitem und sprang auf, um ihr entgegen zu laufen. Sie umarmten sich lange und lachend und gingen gemeinsam zu den anderen zurück.

"Du hättest dich schon mal melden können", sagte sie ein wenig vorwurfsvoll, als Annika auch Rebecca und Verity begrüßt hatte, und sie alle wieder saßen.

"Ich hatte mein Handy die meiste Zeit aus", erklärte sie entschuldigend. Sie hatte eh kaum Empfang gehabt. "Aber jetzt kann ich euch ja alles live und in person erzählen", grinste sie und merkte, wie froh sie doch war, wieder von diesen wunderbaren Mädchen umgeben zu sein.

"Aber erst brauchst du was zu essen!", kam es fürsorglich von Rebecca. Die anderen waren schon bei der Hauptspeise angelangt, weshalb Annika die Vorspeise übersprang.

"War die Zugfahrt anstrengend?", fragte Verity sie. Annika zögerte kurz. Sie konnte genauso gut jetzt gleich mit der Sprache heraus rücken.

"Ich bin nicht mit dem Zug gefahren. Nick hat mich mitgenommen."

Drei überraschte Augenpaare waren auf sie gerichtet. "Nick? Du warst doch in Schottland!", kam es verwirrt von Caro.

"Nick auch", fiel Annika gleich mit der Tür ins Haus. "Da will man Urlaub haben und einfach alles vergessen, unter anderem den eigenen Trainer, der einem gewaltig auf die Nerven geht, und dann stellt sich heraus, dass seine Schwester und sein Schwager die besten Freunde von meinem Großonkel und meiner Großtante sind", sagte sie sarkastisch, konnte aber selber hören, dass ihre Abneigung Nick gegenüber bei Weitem nicht mehr so echt klang, wie noch vor den Herbstferien.

"Alles von vorne, bitte!", sprach Rebecca ihr selber und den anderen lachend aus der Seele. Also fing Annika mit der Einladung bei Mike und Camille an, wie Nick plötzlich aufgetaucht war, wie sie nachts im Regen spazieren waren, wie sie ihn im Laufe der Woche mehrmals gesehen hatte und schließlich erwähnte sie den Ball. Den Kuss ließ sie schön außen vor. Sie wusste noch nicht, ob sie jemandem davon erzählen würde. Die anderen lachten und ärgerten Annika, gaben ihren Senf dazu und fanden die Ironie in der Situation zum Sterben.

"Aber es war so komisch, die ganze Woche war er ausgesprochen höflich und nett. So habe ich ihn noch nie erlebt", beendete Annika ihren Bericht und sprach laut ihre Bedenken aus.

"Ich habe ja immer gesagt, dass Nick eigentlich ein ganz Lieber ist", kam es lächelnd von Caro. "Sonst würde Gabriel wahrscheinlich auch nicht mit ihm befreundet sein."

"Oh, wie gehts euch beiden denn?", neckte Annika grinsend, doch Caro schüttete nur kichernd den Kopf und bekam ganz rote Wangen. "Und wie waren eure Ferien?", fragte sie dann in die Runde. Sie wollte jetzt nicht mehr über Nick sprechen. Es ermüdete sie, über ihn zu reden. An ihn zu denken. Für ihn zu fühlen.

Sie lauschte den Erzählungen der anderen, freute sich für sie, versuchte mitzufiebern und lebte sich so gut wie möglich mit ein. Trotzdem war sie abwesend, diffus und verwirrt. Sie hatte eine schwarze Kugel im Bauch, die sich schmerzhaft drehte. Sie verstand nicht, was diese Kugel symbolisierte. Sie wollte es nicht verstehen, sie wollte es verdrängen.

Auf dem Weg zurück ins Zimmer, zog Caro Annika zur Seite. "Hey Schatz, was ist los? Irgendwas stimmt doch nicht, oder?"

Erstaunt über Caro's Feingefühl, blieb Annika stehen und atmete tief ein und aus. Eine weiße Wolke zeichnete sich vor ihrem Mund ab, sie stieg hinauf und benebelte ihren Blick. Ihre Sinne. Ihre Gedanken. Die Wolke löste sich vor ihr auf und mit einem Schlag wurde ihr bewusst, dass sie Nick vermisste, sich nach seiner Anwesenheit sehnte. Sie fühlte es, als hätte er mit ihren Gefühlen gespielt, darauf herum getrampelt und sie nachher alleine leiden lassen. Sie war auf sich in dieser Situation alleine gestellt. Sie musste selber versuchen zu verstehen, was passiert war und wieso. Er hatte das ganze Gefühlschaos ihr überlassen. Ohne ihr eine Erklärung zu geben.

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