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E V E L Y N 

"Nicht in den Worten suche die Wahrheit, sondern in den Augen."

Gestern war ein solch schöner Tag. Ein ruhiger Tag. Mary hatte uns Geschichten erzählt, wir haben alle laut gelacht. Haben gemeinsam zu Abend gegessen. Mason hatte uns etwas von seiner Kindheit erzählt, wir haben gespannt hingehört und immer wieder geschmunzelt. Haben köstlich Wein getrunken. Zachary hatte mit mir gekuschelt und liebevolle Wörter ins Ohr geflüstert.

Doch das ist schlagartig Vergangenheit.

"Prost. Freue mich eine solch schöne Mitarbeiterin in der Firma zu haben." Mary lächelte Viktoria sanft an, sie unterhielten sich angeregt. Verzweifelt sah ich auf mein Essen. Ich hätte doch in meinem Zimmer bleiben sollen. Nun musste ich mir anschauen, wie Viktoria alle um den Finger wickelte. Jeder gefiel ihr.

Ich hatte Zachary lange amgefleht mich mitzunehmen. Und das hatte ich nun davon. Wir saßen in einem teuren Restaurant. Mason unterhielt sich mit Zachary. Mary mit Viktoria. Und ich war das fünfte Rad am Wagen.

Zittrig glitten meine Finger zum Weinglas, denn ich zu meinen Lippen führte.

Ich hatte mir doch eigentlich vorgenommen Zachary die Wahrheit zu erzählen, aber irgendwas hielt mich davon ab. Hatte Angst vor seiner Reaktion. Aber ich verdiente nun das schlechte Gewissen.

Ich hatte die wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren.

"Kann ich auf die Toilette gehen?" Zachary nickte desinteressiert und lachte mit Mason. Ich unterdrückte meine Trauer und stand auf. Viktoria schreckte auf und sah zu mir. Grinste, aber es war kein freundliches. Ihre Augen funkelten geheimnisvoll. Als wüssten sie etwas.

Ich lief schnell ins WC und lehnte mich gegen die Wand. Die Frauen blickten mich alle besorgt an, sprachen mich aber nicht. Sie trugen ihre Schminke nach und redeten angeregt über ihre Dates.

"Ist alles in Ordnung, kleine?"

Eine Frau, nicht größer als ich, legte behutsam ihre Hand auf meinen Oberarm, als sie meine Tränen erblickte.

"Irgendwie nicht." Schluchzend senkte ich meinen Kopf und schloss meine Augen. Ich durfte nicht weinen. Ich musste aufhören. Ich musste stark bleiben. Ich konnte nicht immer weinen und die schwache spielen, auch wenn ich es war...

"Was ist los, magst du es mir sagen? Vielleicht habe ich einen Ratschlag für dich." Sie lächelte und zauberte mir damit auch ein lächeln aufs Gesicht.

Seufzend blickte ich der brünette in die Augen.

"Ich weiß es doch selbst nicht. Mein Freund hat eine neue Mitarbeiterin und...und...ich habe das Gefühl, dass er...naja...er..."

"Ich versteh schon. Angst. Arme Maus. Wenn ich du wäre, würde ich dieser Frau klar machen, dass er deiner ist."

Sie lächelte beruhigend und löste sich wieder von mir.

"Ich muss leider wieder los, bevor er mein Date traurig wird." Sie lächelte verliebt. "Aber lass dich von dieser Frau nicht klein machen."

Und schon war die Frau verschwunden.

Ich solle mich nicht klein machen, sondern ihr klar machen, dass Zachary meiner ist?

MINE | ✓Where stories live. Discover now