Kapitel 34: Ilex aquifolium

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Doch dann ging alles schief. Gerade als ich die Verbindung zu Enya trennen wollte, durchzuckte mich ein scharfer Schmerz in meiner rechten Hand und ich schrie erschrocken auf. Das Bild vor mir verblasste und anstelle des Arbeitszimmers sah ich nun durch Finas Augen. Ich hatte keine Zeit zu reagieren, denn was ich vor mir sah liess meinen Atem stocken. Offensichtlich hatte Fina Ceara rechtzeitig warnen können, denn Fina rannte hinter meine Cousine durch den Gang des Kellers. Das würde aber bedeuten, dass Sharni bereits im Luftschutzkeller war. Und wenn sie da war, dann auch Lucan...

Die grauen Wände um mich herum wurden nur von einer einzelnen nackten Glühbirne erleuchtet und ich hatte Schwierigkeiten etwas zu erkennen. Ich konnte Finas Anspannung spüren, doch bevor ich mich daran gewöhnt konnte, alles aus ihrer Perspektive zu sehen, hörte ich schnelle Schritte hinter mir.

Ceara wollte gerade um die Ecke biegen, als die plötzlich gegen eine unsichtbare Wand prallte. Erschrocken keuchte sie auf. Hilflos musste ich zusehen wie eine dunkle Gestalt auf die am Boden liegende Ceara zustürmte. Doch diese reagierte schneller, als ich es ihr zugetraut hätte. Geschmeidig sprang sie wieder auf ihre Füsse und innert Sekunden hatte sie ihre Hände in helle Flamme gehüllt. Aus Finas Perspektive konnte ich sehen, wie die dunkle Gestalt aus dem Schatten trat und ich konnte nur mit Mühe einen Fluch unterdrücken.

Reynas hagere Gestalt wirkte in dem schummrigen Licht noch knochiger. Ceara fauchte wütend auf.

„Was soll das werden? Lassen sie mich sofort gehen!"

Sie schlug wütend gegen die unsichtbarer Mauer hinter ihr, die anscheinend aus Erdmagie zu bestehen schien.

„Das werde ich nicht! Ich will sofort wissen, was hier los ist."

Ceara schrie voller Wut auf.

„Da ist ein Sidhe der Grandma kontrolliert. Und er hat Sharni. Wir müssen sie retten!"
Doch Reyna lachte nur abfällig.

„Du wagst es mich so dreist anzulügen? Du bleibst hier, ich werde deine Grossmutter darüber informieren was du getan hast."

Doch Ceara hatte keine Geduld mehr. Sie hob langsam die Hände. Und dieses Mal erweckte sie wirklich die Toten. Eine Wand auf Geistern manifestierte sich zwischen meiner Cousine und der Ratshexe. Ich konnte aus Finas Perspektive nichts genaues erkennen, doch es waren sicherlich mehrere Duzend.

Erschrocken sah Reyna auf.

„Was? Das ist nicht möglich!"
Doch Ceara liess sie nicht weitersprechen. Ohne zu zögern liess sie eine Hand vorschnellen und mit einem gezielten Schlag gegen Reynas Schläfe schickte sie die Ratshexe ins Land der Träume. Sobald Reyna auf dem kalten Boden aufschlug, verschwand die Wand hinter Ceara und dieses stürmte weiter. Die Geister lösten sich im gleichen Moment zu Nebelschwaden auf.

Dann verblasste das Bild vor mir und ich war wieder in dem kleinen Zimmer über dem Übungsraum. Erschrocken schnappte ich nach Luft.

Mir wurde schwindlig und ich musste mich am Tisch aufstützen. Es dauerte einige Augenblicke, bis ich mich wieder so weit gefangen hatte, dass ich ohne Hilfe stehen konnte.

Ohne Nachzudenken schnappte ich mir den nun zerbrochen Spiegel vom Tisch. Dann konzentrierte ich mich auf Ceara. Doch ich hatte schon viel zu viel Energie verbraucht und alles was ich zu Stande brachte war ein helles Flackern. Frustriert schrie ich auf.

Eine Sekunde erlaubte ich mir, die Augen zu schliessen. Für meine Cousinen. Dann versuchte ich es nochmals. Das Bild auf dem Spiegel flackerte kurz, doch dann sah ich Ceara durch die Gänge des Kellers rennen. Ich ignorierte den stechenden Scherz in meinem Kopf und drehte mich zu der Tür. Den Spiegel vor mir ich der Luft haltend, rannte ich zum gefühlt hundertsten Mal an diesem Vormittag durch die staubigen Gänge. Ich ignorierte das Stechen meiner Lunge und der nun dumpf pochende Schmerz hinter meinen Augen. Ich konnte sehen, dass Ceara nur noch wenige Meter vor ihrem Ziel entfernt war.

Hexenstunde: Der ZirkelWhere stories live. Discover now