Kapitel 7: Sinapis arvensis

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Laut Viona lag ihr Zimmer zwar im hinteren Teil des Hauses, leider hatte ich keinen Schimmer wie ich das Zimmer erkennen sollte. Doch Viona hatte vorgesorgt und so blieben wir nach nur wenigen Minuten vor einer unscheinbaren Holztür stehen. Meine jüngste Cousine hatte kleine geflügelte Wesen gebastelt und mit Klebstreifen an die Tür geklebt. Vorsichtig strich ich über die farbigen Wesen, die alle von einem Ohr zum anderen lächelten. Brian neben mir sah mir schweigend dabei zu. Er sah aus als wollte er etwas sagen, doch dann öffnet er nur schweigend die Tür.

Viona sass auf ihrem rosafarbenen Bett und hatte Dandelion auf ihrer Hand. Diese war aufgestanden und hielt ihr mit quietschend hoher Stimme einen Vortrag über die Adelshäuser der Feen.

Vor lauter Erleichterung wäre ich fast über die Türschwelle gestolpert.

„Gott sei Dank, euch geht es gut."

Vier Augen starrten mich verwundert an.

„Ja. Was hast du denn erwartet?"

Anscheinend hatte ich mir umsonst Sorgen gemacht. Ich liess mich auf das mit Rüschenkissen vollgestopfte Bett fallen und strich Viona über den Kopf. Brian setzte sich neben mich.

„Gut gemacht. Tut mir leid, dass wir dich so lange allein gelassen haben."

Viona verdrehte nur die Augen. Dandelion sah eindeutig besser aus. Ihre Haut hatte wieder etwas Farbe angenommen und sie konnte ihre Flügel wieder bewegen. Nun erkannte ich auch, dass sie leicht grünlich schimmerte. Ihre Wunden waren mit winzigen Streifen aus einem Verband abgedeckt worden.

„Hat Viona das gemacht?"
Dandelion schüttelte den Kopf.

„Nein, aber sie hat sie zurecht geschnitten und mir diesen komischen Trank gegeben. Sie ist doch keine so schlechte Menschin."

Viona wurde rot und sah etwas an ihrer Hand vorbei. Sie konnte Dandelion anscheinend immer noch nicht sehen...

„Warte mal, Trank?"

Viona wich meinem Blick aus.

„Der aus dem Buch."

Sie zeigte auf ein Buch, das aufgeschlagen auf ihrem Pult lag. Das Buch war ganz klar kein Kinderbuch, der lederne Umschlag war bereits brüchig und als ich das Buch vorsichtig aufheben wollte, knackte es laut. Da ich nichts riskieren wollte, liess ich es einfach liegen. Auf den verblassten und abgegriffenen Seiten konnte ich wunderschöne Tuschzeichnungen von Feenwesen erkennen. Es sah aus wie die alten Botanikbücher aus dem Museum. Die Schrift war kaum noch lesbar und vermutlich noch mit einer Feder handschriftlich geschrieben worden.

Der Text handelte von verschiedenen Feenkrankheiten, von denen ich noch nie etwas gehört hatte. Ich sah griechischen Heuschnupfen, die Rosengrippe oder auch Marienkäferbisse.

„Wo hast du das denn her?"

„Von Grandma."

Das bezweifelte ich doch schwer.

„Viona, bitte sei ehrlich. Wo hast du das genommen?"
Wieder wich sie meinem Blick aus.

„Geht dich nichts an."
Ich seufzte.

„Ich verrate dich nicht, versprochen."

Viona sah mich noch einige Sekunden lang misstrauisch an. Dann zuckte sie mit den Schultern.

„Von dort."
Sie zeigte auf die Wand hinter ihrem Bett, die mit einer rosafarbenen Tapete mit riesigen Pfingstrosen beklebt war. Neugierig ging ich zur Wand und klopfte einfach mal an die Tapete. Brian folgte mir. Hinter mir hörte ich Dandelion leise kichern.

Hexenstunde: Der ZirkelWhere stories live. Discover now