Kapitel 29: Vaccinium vitis-idea

72 9 1
                                    

Zum Glück ließ Grandma Aignéis uns wissen, dass das Essen nun beginnen würde. Als wir endlich im Esssaal angekommen waren, setzten wir uns so schnell wir konnten auf unsere Plätze und versuchten möglichst unschuldig auszusehen. 

Das Essen war bereits aufgetischt worden und verbreitete einen beruhigenden Geruch. Mir lief das Wasser im Mund zusammen beim Anblick der vielen verschiedenen Gerichte. Vor mir war ein grosser Berg Ofenkartoffeln aufgeschichtet und Sharni hockt mit glänzenden Augen von einer ganzen Platte voller Yorkshire Pudding. Von der riesigen Preiselbeertorte in der Mitte der Tafel mal gar nicht gesprochen. 

Doch niemand machte Anstalten mit dem Essen zu beginnen. Unsere Mütter waren bis auf Tante Bedelia alle bereits anwesend. Wieder fehlte Brian, doch das hatte ich beinahe schon erwartet. Die Stimmung war noch immer angespannt. Niemand sprach ein Wort und die Uhr über der Tür, die mir in diesem Moment ehrlich gesagt zu ersten Mal auffiel, tickte ohrenbetäubend laut. Der Esssaal war sonst immer der lauteste Ort des ganzen Hauses... Grandma sah immer wieder verärgert zur Tür.

„Ich muss mich für meine Tochter entschuldigen."

Sie drehte sich zu Ceara, die gerade versucht hatte, ihre Haare irgendwie davon abzuhalten, in die grüne Erbsensuppe vor ihr zu fallen.

„Ceara, geh bitte deine Mutter suchen. Ich dulde solche Unhöflichkeiten nicht an meinem Tisch."

Doch bevor Ceara aufstehen konnte, ging die Tür auf und Tante Bedelia kam herein, einen weissen Umschlag in der Hand. Sie ignorierte Grandma Aignéis bohrenden Blick und setze sich schnell auf ihren Platz.

„Wir haben Post bekommen. Ich glaubte das könnte euch alle interessieren."

Sie nahm den weissen Papierbogen heraus und sah hinüber zu der Ratsvorsitzenden.

„Elin Blake ist gestorben."

Kathleen Moore regierte nicht sofort. Es war als würde sie nicht genau wissen, wie sie mit dieser Information umgehen sollte. Doch dann schlich sich ein feines Lächeln auf ihre Lippen und schloss kurz die Augen.

„Dann soll sie in Frieden ruhen."

Ich sah etwas verwirrt zu meinen Tanten, doch auch diese schienen keine Miene zu verziehen. Auch wenn Tante Rhona ein Funkeln in den Augen hatte, dass ich nicht genau einordnen konnte. Nur meine Mutter gab ihre Meinung kund.

„Arme Julia..."
Nun war es Reyna, die laut aufschnaufte.

„Julia Blake hatte die Chance gehabt, sich uns anzuschliessen."
Meine Mutter nahm eine Schluck von ihrem Wasser und ich konnte sehen wie sie innerlich auf Zehn zählte. Ich verstand gar nichts mehr. Warum machte das meine Mutter nur so wütend?

„Das weiss ich. Trotzdem sollte eine junge Frau in ihrem Altern noch nicht so viel Verantwortung tragen müssen."

Der Blick mit dem Reyna meine Mutter bedachte, hätte beinahe das Wasser in ihrem Glas gefrieren lassen. Doch nun schritt Grandma ein.

„Julia hatte ihre Chance gehabt. Auch wenn ich es keinem wüsche einen geliebten Menschen zu verlieren, hat sie diesen Weg alleine gewählt und nun muss sie mit den Konsequenzen leben."

Als sie mein verwirrten Blicke bemerkte, nickte sie zu der Ratsvorsitzenden.

„Kathleen wird es dir erklären können, Kira. Und es ist unhöflich, so zu starren."

Ich konnte mir gerade noch ein Augenverdrehen verkneifen. Doch Kathleen sah mich ernst an und setze zu einer Erklärung an.

„Die Blakes sind eine Familie von Halbbluten. Sie glauben, dass wir uns mit den Wesen der Anderswelt mischen sollen, um unsere Kräfte zu verbinden. Seit Generationen zeugen sie Kinder mit den Sidhe. Elin war das Oberhaupt der Familie und Julias Mutter. Doch sie hatte eine Erbkrankheit, etwas mit dem Blut wenn ich mich nicht täusche. Wir wussten schon lange, dass sie nicht mehr viel Zeit hat. Nun ist ihre Tochter das Oberhaupt der Familie. Wenn ich mich nicht irre ist sie etwa Fünfundzwanzig."
Meine Mutter verdrehte die Augen.

Hexenstunde: Der ZirkelWhere stories live. Discover now