Kapitel 19: Cimicifuga europaea

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Ich wäre beinahe zu spät gekommen. Nach dem ganzen Drama mit Viona hatte ich den anderen Plan fast vergessen. So war es schon fast nach Mitternacht, als ich endlich über den frischgemähten Rasen Richtung Wald lief.

Vor der Mauer, welche das Ende des Schutzschildes markierte, blieb ich stehen.

Eine Bewegung zu meiner Linken liess mich erschrocken herumfahren. In den Grasbüscheln an der Mauer hatte sich eine kleine Gestalt versteckt. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich sie.

„Dandelion!"

Die kleine Blumenfee sah mitgenommen aus. Der Verband hatte sich gelöst und ihr Kleid hatte einen weiteren Riss bekommen. Doch trotzdem wirkte Dandelion nicht all zu verstört.

„Endlich! Weißt du wie lange ich schon auf dich warte?"

Ich schüttelte reflexartig den Kopf.

„Warten? Warum?"
Doch dann kam ich mir plötzlich äusserst dumm vor.

„Der Schild. Du kannst nicht raus."

Dandelion stöhnte theatralisch.

„Na endlich! Du bist langsamer als einen Nacktschnecke."

„Sind die langsamer als andere Schnecken."

„Keine Ahnung."

Sie strich sich die Haare aus dem kleinen Gesicht.

„Könntest du bitte etwas schneller machen? Ich habe keinen Lust, dass mich die wütende Geisterbeschwörerin hier findet."

Da konnte ich ehrlich gesagt nichts dagegen sagen. Ich sprach die Worte, die Dandelion mir vorgab und die kleine Fee flog, etwas wackelig, auf die andere Seite. Ich folgte ihr besorgt.

„Und was machst du jetzt?"

Dandelion zuckte mit den Schultern.

„Ich werde am besten wieder zurück in den Elfenhügel gehen. Ich sollte lange genug fliegen können. Und wenn nicht ist es im Wald für mich vermutlich sicherer als für dich."

Ich war mir nicht ganz sicher was genau sie damit sagen wollte, doch Dandelion hatte sich schon wieder in die Luft geschwungen und flog bereits auf den Wald zu.

„Dann also auf Wiedersehen."

Ich lächelte.

„Auf Wiedersehen."

Ich wartete noch einen Augenblick, dann machte ich mich auf die Suche nach dem Eingang in den Wald und meinen Cousinen.

Diese waren im Gegensatz zu mir pünktlich. Die drei standen in dünnen Jacken und langen Hosen in der kühlen Nachtluft und warteten mehr oder wenig geduldig auf mich.

Als ich endlich beim See ankam, war ich etwas ausser Atem. Ceara sah zwar nicht besonders erfreute aus, allerdings sagte sie auch nichts zu meinem zu spät kommen.

Ich sah hinauf zum zunehmenden Mond der uns bereits genügend Licht spenden konnte, so dass wir keine Taschenlampen brauchten. Der Geruch nach wilder Silberkerze und warmer Sommerluft beruhigte mich etwas. Ceara räusperte sich.

„Also dann. Sollen wir anfangen?"

Wir stellten uns in der gleichen Reihenfolge auf wie heute Morgen. Ceara atmete einmal tief ein und hob langsam ihre Arme.

„Ich rufe das Element Feuer."

Nichts passierte. Mit einem frustrierten Seufzer liess sie die Arme wieder sinken.

„Ok, so scheint das nicht zu klappen. Wie wäre es wenn wir es zuerst einzeln versuchen würden?"

Sharni sah etwas skeptisch aus, doch Enya stellte sich breibeinig hin und hob eine Faust in den Himmel.

Hexenstunde: Der ZirkelWhere stories live. Discover now