Prolog

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Der Wind heulte durch die Felsen am Strand und liess die dunkle Sturmnacht noch etwas gespenstischer erscheinen. Die dunklen Regenwolken hatten den Mond vollständig verdeckt und die Nacht war so schwarz wie Tinte. Die Bewohner des kleinen Dorfes an der Küste hatten sich bereits beim ersten Donnerschlag in ihre Häuser zurückgezogen und sich hinter den steinerneren Mauern vor den Kräften der Natur versteckt, die hier, am hintersten Ende von Irland, noch immer eine tödliche Stärke besassen. Doch nicht alle Bewohner der kleinen Halbinsel waren so abergläubisch.

Jakob hatte sich trotz dem schlechten Wetterbericht erst etwas zu spät auf den Weg nach Hause gemacht. In seiner Stammkneipe hatten sie ihn ausgelacht als er gesagt hatte, er wolle heute noch nach Hause kommen. Das sei doch verrückt. Ob er denn von den Sidhe geholt werden wolle.
Doch Jakob hatte nur seinen Fischermantel geholt und sich mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen auf den Weg nach Hause gemacht. Sidhe. Dass er nicht lachte.

Der Pfad über die Klippen war schon bei Tag nicht gerade ungefährlich, doch in der kalten Sturmnacht war es purer Selbstmord diesen zu betreten. Zudem erzählte man sich, dass in den Felsen Wesen wohnten, die einsame Wanderer in der Nacht nur allzu gerne ins tosende Meer stiessen. Doch davon hielt Jakob nichts. Er hatte immerhin in Galway Mathematik studiert, bevor er zurückgekommen war um sich um seinen Vater zu kümmern, der die Reederei nicht mehr allein hatte führen können. Er war ein gebildeter Mann, der nichts von den alten Legenden hielt, die sich die Alten hier nur zu gerne immer und immer wieder erzählten.

Er zog sich den Mantel enger um die breiten Schultern und senkte den Kopf. Der kalte Regen stach wie tausende kleine Nadelstiche auf der Haut und langsam half auch der Fischermantel nichts mehr gegen die eiskalten Tropfen.

Innerlich verfluchte er sich, dass er drauf bestanden hatte, sich auf den Weg zu machen. Doch er würde sicherlich nicht mehr zurückkehren. Gerade als er auf den letzten Abschnitt des Weges kam, ein kaum meterbreiter Weg zwischen zwei Klippen, bemerkte er im Augenwinkel eine Bewegung.

Auf der Klippe vor ihm schien eine dunkle Gestalt zu stehen, ein weiter Mantel verdeckte sie jedoch vor Jakobs Blick.

Diesem wurde es plötzlich doch etwas mulmig zumute. Doch er schalt sich selbst einen Narren. Das war bestimmt nur einer vom Dorf, der den gleichen Fehler gemacht hatte wie er. Doch dann bewegte sich die Gestalt. Ohne zu zögern trat sie auf den schmalen Felsenpfad und kam schnurgerade auf Jakob zu. Die dunkle Gestalt bewegte sich in unnatürlich schnellem Tempo und Jakob schluckte leer. Doch noch immer erlaubte sich Jakob nicht, Angst zu haben. Immerhin gab es keine Sidhe!

Und so starb Jakob im Glauben, dass er sein Leben lang recht gehabt hatte. Nicht einmal die unnatürlich blauen Augen, das Letzte was der ungläubige Ire sah, bevor er ins Meer gestossen wurde, konnte ihn davon überzeugen, dass es die sagenumwogenden Wesen der grünen Insel wirklich gab. 

Hexenstunde: Der ZirkelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt