Kapitel 4: Salvia apiana

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Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug, wusste ich für einige Sekunden nicht mehr, wo ich mich befand. Doch ein einziger Blick auf den Baldachin meines Himmelbettes genügte und ich stöhnte leise. Ein winziger Teil von mir hatte sich gewünscht, dass der ganze gestrige Tag nur ein schlechter Traum gewesen war. Doch dann fühlte ich mich undankbar. Ich war endlich hier. Nur weil der erste Tag etwas holprig gewesen war, bedeutete das nicht, das es nicht besser werden konnte.

Mit brummendem Kopf kletterte ich aus dem viel zu hohen Bett und schlurfte zur Badezimmertür. Die Fenster meines Zimmers liessen sich nicht vollständig öffnen, was dazu geführt hatte, dass ich in der Nacht kaum frische Luft abgekriegte hatte.

Prompt stiess ich mit dem Fuss gegen einen der am Boden liegenden Bücherstapel und fluchte laut auf. Ich war eindeutig noch nicht wach.

Leise vor mich hin schimpfend stellte ich mich vor das muschelförmige Waschbecken im Badezimmer und liess mir das kalte Wasser über die Hände laufen. Danach band ich mir die langen Haare einfach hoch und spritze mir etwas Wasser ins Gesicht. Jetzt fühlte mich wenigstens etwas erfrischt.

Da ich noch nicht alle meine Kleider ausgepackt hatte, zog ich einfach nochmals das Gleiche wie gestern an. Während ich mir das Top über den Kopf streifte, versuchte ich die letzten Fetzen des Albtraumes zu vergessen, welche noch immer in meinem Kopf umherspukten.

Ich kannte diesen Albtraum nur zu gut. Es war die Erinnerung an den Tag, an dem Grandma Aignéis mit dem Brief der Akademie aufgetaucht war. Das war der Tag gewesen, an dem die Streitereien begonnen hatten.

Ich öffnete die Tür und trat auf den hellen Gang. So wie es aussah gehörte Grandma Aignéis der gesamte erste Stock, dort hatte sie nicht nur ihr Arbeitszimmer sondern auch ihr eigenes Schlafzimmer im hinteren Teil. Der zweite Stock war genau gleich eingeteilt wie der dritte und wurde von meinen Tanten bewohnt. Wie ich selbst hatte meine Mutter das Zimmer links neben der Treppe, doch ihr war ich gestern aus dem Weg gegangen.

Auch heute versuchte ich möglich schnell an dem zweiten Stock vorbei zu gehen. Als ich am Ende der Treppe ankam, bogen Ceara und Enya um die Ecke.

Enya winkte mir zu, doch Ceara ignorierte mich einfach. Enya verdrehte zwar die Augen, aber sie kommentierte das Verhalten ihrer Cousine nicht.

„Guten Morgen. Gut geschlafen?"
Heute waren ihre Augen mit einer Schicht aus grünem und orangem Liedschatten geschminkt und sie hatte über ihr blaues Kleid einen gelben Schal geschlungen, obwohl es schon jetzt ziemlich warm war.

„Ja, danke."

Ich versuchte nicht zu offensichtlich auf die ungewöhnliche Kleiderkombination zu starren.

„Ich weiss nicht genau wo wir hinsollen."

Enya lächelte mich breit an.

„Kein Problem. Ich zeige es dir."

Dann griff sie nach meinem Arm und zog mich die Treppe hinauf.

„Stimmt es,  dass du noch nie Magie benutzt hast?"

Ich nickte langsam. Enya schüttelte verständnislos den Kopf.

„Das macht doch keinen Sinn..."

Ich konnte ihr nicht einmal wiedersprechen. Doch Enya schien zu bemerken, dass ich nicht über das Thema reden wollte.

„Nun ja, dann wird es heute ja ein spannender Tag für dich."

„Das hoffe ich doch... Aber fehlt nicht noch jemand?"

Wir hatten den ersten Stock erreicht.

„Natürlich, du kennst Sharni ja noch gar nicht. Du wirst sie mögen."

Hexenstunde: Der ZirkelWhere stories live. Discover now