Kapitel 27: Solanum lycopersicum

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Zu behaupten, dass Grandma Aignéis schlecht gelaunt war, wäre wohl die Untertreibung des Jahrhunderts. Das Morgenessen war dementsprechend auch keine sonderlich angenehme Erfahrung. Zuerst mokierte sie sich minutenlang darüber, dass es Brian wohl nicht für nötig hielt, zum Essen zu erschienen, anschiessend mussten wir uns eine Standpauke anhören, weil wir gestern das Abendessen hatten ausfallen lassen.

Als sie ihren Monolog über Familie und Zusammenhalt beendend hatte, stand Daireann von ihrem Platz auf. Auch auf ihrem Gesicht konnte ich eine steile Sorgenfalte sehen.

„Nun, ich habe leider eine Ankündigung zu manchen. Eigentlich hätte ich sie gerne gestern Abend gemacht..."

Sie liess den Satz im Raum stehen.

„Bei der Versammlung des Covens hat Merissa Zweifel daran geäussert, dass... dass ihr in die Voraussetzungen habt um an die Akademie zu gehen."

Ceara schnappte empört nach Luft, aber Daireann liess sie meinem Blick wissen, dass es klüger wäre, zu schweigen.

„Jedenfalls hat sie diese Zweifel auch gegenüber Kaitleen geäussert."

Meine Cousinen wurden plötzlich ganz weiss um die Nasen. Daireann schien meine Verwirrung zu bemerken.

„Kaitleen Moor. Die Vorsitzende des Hexenrates."

Nun wurde auch mir etwas mulmig zumute. Die Vorsitzende hatte die Höchste Position der Hexen inne. Ihr Wort war in der Hexenwelt Gesetz.

„Sie hat uns gestern darüber informiert, dass sie uns zusammen mit der Schulleiterin besuchen kommt. Heute. Um sich die Situation anzusehen."

Den letzten Satz spuckte Daireann aus als würde er ihr die Zunge verbrennen.

Das war schlecht. Sehr schlecht sogar.

„Wir werden den Unterricht ausfallen lassen. Die Ratsmitglieder werden im Laufe des Nachmittags eintreffen. Wenn es so weit ist, will ich dass ihr alle bereit seid. Ich will in den nächsten paar Tagen keine zusätzlichen Probleme."

Komischerweise sah sie dabei nicht uns Cousinen, sondern ihre eigenen Schwestern an. Bedelia starrte abwesend auf ihren Toast, Rhona faltete ihre Serviette zu immer kleinen Vierecken und meine Mutter versuchte Reul abzuhalten, ihren Speck vom Teller zu klauen. Doch keine von ihnen machte Augenkontakt mit Daireann. Rhona legte ihre Serviette zurück auf den Teller und liess ihren Blick durch den Raum schweifen und belieb dann bei ihrer Tochter hängen.

„Das bedeutete auch, dass ihr euch entsprechend kleidet."

Enya sah an sich herunter. Sie trug ein mit kleinen rosa Kätzchen bedrucktes T-Shirt und einen spitzenbesetzten Rock in einem süssen babyblau. Verwirrt suchte sie unseren Blick. Sie schien den Kommentar nicht auf sich zu beziehen.

Die Tür öffnete sich und mein Vater kam herein.

„Tschuldigung."

Er gähnte und küsste meine Mutter auf den Kopf bevor er sich neben sie setzte.

„Habe den Wecker nicht gehört."

Bedelia schnaubte.

„Natürlich."

Mein Vater sah sie kalt an.

„Willst du mir etwas sagen?"

Meine Tante schüttelte den Kopf.

„Nichts was du nicht schon selbst weißt."

Miene Mutter zog Reul auf ihren Schoss und funkelte ihre Schwester an.

Hexenstunde: Der ZirkelWhere stories live. Discover now