Der Kampf

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Lillys p.o.v.

Ich hatte instinktiv gehandelt, hatte instinktiv die Hand gehoben, den Blick auf den Wolf gerichtet und nach seinem Geist gegriffen.
Ich hatte es vor nicht allzu langer Zeit so oft getan, dass ich nicht nachzudenken brauchte.
Und als der Wolf sich knurrend auf mich stürzen wollte, da ....hatte ich es einfach getan.
Automatisch.
Ohne nachzudenken.

Und nun lag sie - denn es war eine Werwölfin - auf dem Boden, und stieß ein lautes Jaulen aus angesichts der quälenden Bilder, die ich in ihren Geist fluten ließ.
Illusionen. Aber das wusste sie nicht. Für sie waren diese Bilder real.
Für sie sah es so aus, als würde ein schwarzer Wolf ihre Tochter zerfleischen, vor ihren Augen und sie konnte nichts dagegen tun. Denn sie selbst war in Silberketten gefesselt.
Dann nahm ich aus ihren Erinnerungen noch das Bild ihres Mates und zeigte ihr schreckliche Bilder von zersplitterten Knochen, blutenden Wunden, aufgeplatzter Haut...
So viel Schmerz, so viel Pein.
Und doch war das hier so vertraut.
Wie oft hatte ich das hier schon getan, nicht Fremden gegenüber, sondern meinen eigenen Freunden?

Ich war ein Monster gewesen.
Und so wie es aussah, hatte sich daran nichts geändert.
Ich war immer noch ein Monster.
Vielleicht sogar ein schlimmeres als jemals zuvor.
Denn ich hatte auch Ben mit mir in den Abgrund gezogen.
Er mochte eine Suizidgefährdete lieben können.
Aber eine Foltermeisterin?
Nein. Das konnte er bestimmt nicht.

Dieser eine Moment, als ich an Ben dachte, war ein Fehler.
Ich hatte meinen eigenen Schmerz den Qualen der Wölfin noch hinzugefügt, quasi weitergeleitet.
Und ich merkte es erst, als es zu spät war.
Als der Geist der Wölfin mir aus meinen geistlichen Händen glitt.
Erschrocken riss ich die Augen auf, versuchte, es noch zu verhindern, nahm all die Bilder weg, ließ sie wieder die Realität sehen.

Aber es war zu spät.
Ihr Geist entschwand. Wo zuvor Licht und Farbe gewesen war, war nun nur noch Leere. Eine beängstigende Leere, die mich bis auf die Knochen schockierte.
Für einen Moment verstand ich es nicht. Wollte es nicht verstehen.
Doch etwas in mir wusste ganz genau, was gerade geschehen war.
Ich hatte diese Werwölfin getötet.
Sie war tot.
Wegen mir. Ich war schuld.
Ich hatte sie getötet.

Nein. Nein, nein, nein.

Ich bemerkte nicht, wie alles um mich herum ins Chaos fiel.
Merkte nicht, wie ein dunkler Schatten an mir vorbeihechtete und mit einem knurrenden Etwas kollidierte.
Bemerkte nicht das Wutgeheul, das ein Wolf ausstieß.

Ich bemerkte nicht einmal das Gesicht, das sich vor meines schob.
Ich war wie erstarrt, und in meinem ganzen Inneren hallte nur ein einziger Gedanke wider:

Nein. Nein nein nein.

Ich war ein Monster und nun sogar eine Mörderin.
Aber ich wollte das nicht.
Diese Wölfin...ich hatte sie doch nicht töten wollen.
Ich hatte sie nur daran hindern wollen, mir weh zu tun.
Ich hatte ...

"Lilly", flüsterte mir eine Stimme eindringlich zu.
Aber ich nahm es kaum wahr.
Vor meinem inneren Auge sah ich noch immer, wie die Wölfin starb. Ich hatte ein Leben geraubt. Hatte gemordet.
Ich hätte mich von ihr töten lassen sollen.
Ich verdiente den Tod, nicht diese Wölfin.
Ich hätte...

"Lilly, sieh mich an", sprach diese Stimme wieder. Ich kannte sie von irgendwoher. Sie war vertraut. Sogar meine Lieblingsstimme.
Meine Lieblingsperson. Ben.

Ich riss die Augen auf und da sah ich ihn plötzlich vor mir sitzen, die Hände an meinen Wangen und den ozeanblauen Blick eindringlich auf mich gerichtet.
Er war hier.
Warum?
Er sollte mich loslassen. Mich sterben lassen.
Er hatte kein Monster als Mate verdient, keine Mörderin.
Er sollte nicht so nah bei mir sein.
Was, wenn ich auch ihn umbrachte?

I wanna be free, MateDove le storie prendono vita. Scoprilo ora