Zwei Wochen später...

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Lillys p.o.v.

Langsam bekam mein Leben wieder eine alltägliche Routine.
Morgens zu früh und zu müde aufstehen, was hauptsächlich daran lag, dass ich die meiste Nacht wegen Alpträumen, der Angst vor ihnen und der Sehnsucht nach Ben wach lag und erst kurz vor dem Klingeln des Weckers einschlief.
Dann Frühstück, und trotz der Distanz zu Ben am Tisch war das mehr als nervenaufreibend. All meine Sinne schienen sich ausschließlich auf ihn zu konzentrieren, kein einziges Zucken seinerseits entging mir.
Danach dann der Schulweg und dort war es dasselbe. Eine kleine Distanz und ein Gespräch mit Olivia konnten mich nicht von ihm ablenken. Es schien, als würde ich immer mindestens unbewusst alles von ihm mitkriegen, ob ich wollte oder nicht.
Und das quälte mich nur umso mehr.

Ein wenig Erleichterung fand ich in der Schule.
Zumindest in den Kursen, die ich nicht mit Ben zusammen hatte. Ich wurde vom Lehrer beziehungsweise vom Unterricht selbst abgelenkt, und wenn mich eine plötzliche Welle der Sehnsucht überschwemmte, kämpfte ich sie zugleich nieder.
Schlimmer war es, wenn wir uns im selben Raum befanden. Denn so war der Kraftaufwand noch viel höher, nicht an ihn zu denken.
Im Großen und Ganzen bestanden meine Tage nur noch aus einem einzigen Kräftemessen.
Es war erstaunlich, dass ich vor Überanstrengung noch nicht umgekommen war.
Aber vielleicht kam das noch. Denn so ausgebrannt und kraftlos wie ich mich fühlte, war ich vor einem tödlichen Burnout bestimmt nicht mehr weit entfernt. Und vielleicht...nein. Nein, nein, nein. Ich hatte mir solche Gedanken verboten. Und ich würde jetzt nicht wieder damit anfangen.

Es war traurig, aber an meinen Tagen bildete die Zeit mit Damien meinen Höhepunkt, so ungern ich es mir auch eingestand.
Aber Damien war einfach....nun ja, sagen wir so, sein immenses Ego und sein unglaubliches Aufmerksamkeitsbedürfnis ließen nicht zu, dass ich mich allzu lange bzw. überhaupt in den Gedanken an Ben verlor.

Und mit der Zeit....mit der Zeit fing ich tatsächlich an, dieser Zeit entegegenzufiebern. Ich wollte es nicht, sträubte mich gegen diese Gefühle. Aber ich konnte nichts dagegen tun. Dabei wäre die Welt so viel einfacher, wenn man die Kontrolle über seine Gefühle hätte. Wenn man selbst bestimmen könnte, was einen verletzte oder nicht.

Ich mochte Damien immer noch nicht. Konnte nicht vergessen, was er mir angetan hatte. Sein Anblick allein war wie ein Blick in die Vergangenheit, ein Blick, den ich nur äußerst ungern wagte.
Aber ich hatte keine andere Wahl. Dank meines Egoismuses musste ich Zeit mit Damien verbringen, denn ich hielte es einfach nicht aus, wenn er Victoria etwas antat.

Wenigstens hatte diese Zeit etwas Gutes: ich sah Ben nicht. Obwohl mich die Sehnsucht nach ihm verzehrte....es war besser, wenn wir Abstand hielten. Das hatte er schließlich selbst gesagt. Und er hatte Recht. Mit ihm im selben Raum zu sein, aber zu wissen, dass ich ihn nicht einfach berühren konnte....das war viel schlimmer, als räumlich weit voneinander entfernt zu sein.

Heute war Freitag und seit unserer "Trennung" waren zwei Wochen vergangen, zwei Wochen, die mir so unendlich lange vorgekommen waren wir zwei ganze Jahre.
Ich fühlte mich von all dem heißen Schmerz in meinem Herzen schon so zerstört, dass ich nicht wusste, wie es weitergehen sollte.
Aber wann hatte ich das schon jemals wirklich gewusst?

"Süße, vielleicht ist es an der Zeit, dass du deinen Eltern einen Besuch abstattest", sagte da Damien plötzlich, während ich gedankenverloren den Löffel in meinem Kaffee kreisen ließ.
Von seiner Aussage überrascht schnellte mein Kopf nach oben.

"Meine Eltern sind hier?", keuchte ich auf.
Meine Eltern. Wie lange hatte ich nicht mehr an sie gedacht? Nun, es war schon lange vor meiner Flucht aus Damiens Rudel gewesen, dass wir keine sonderlich gute Beziehung mehr geführt hatten.
Irgendwann hatte ich es nämlich nicht mehr ertragen, sie zu sehen.

I wanna be free, MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt