Angespannt

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Bens p.o.v.

Ich mochte Schule nicht besonders. Klar, es gab ein paar Fächer, die waren ganz okay und sogar welche, die ich sehr gern mochte.
Und ja, ich sah auch meine menschlichen Kumpels.
Aber trotzdem, manchmal kotzte Schule mich einfach nur an.

So wie jetzt zum Beispiel. Ich wusste ganz genau, dass Lilly zu Hause war.
Nachdem sie einfach nach oben gegangen war, ohne etwas zu sagen, hatte ich mich im ersten Moment nicht rühren können. Aber dann, als wäre ich wie aus einer Trance erwacht, wollte ich ihr nach. Obwohl das wahrscheinlich nicht in ihrem Sinne gestanden hatte.
Aber wir mussten einfach darüber reden!

Nur hatte Alessandro, dieses Arschloch, mich aufgehalten.
Und verdammt, er war so tausendmal stärker als ich, dass es ihm auch gelungen war.
Glücklicherweise war wenigstens irgendjemand zu Lilly gegangen. Auch wenn das nur ein geringer Trost war.
Ich hatte nichts gegen Olivia, wirklich nicht, sie war toll, aber Lilly brauchte nun Mal ihren Mate bei sich, mich.
Sie konnten mich nicht einfach von ihr fernhalten.

Wie auch immer, heute war deswegen ein besonders ätzender Schultag.
Denn ich wäre am liebsten zu Hause bei Lilly als hier zu sein und dem Lehrer zuzuhören.
Schließlich war meine Anwesenheit zu Hause dringender als hier, oder?

Verdammt. Was alles noch viel schlimmer machte, war, dass der Unterricht sich heute zog wie ein besonders zäher Kaugummi.
Die ganze Zeit blickte ich auf die Uhr, aber ich schwöre, der Sekundenzeiger bewegte sich in Zeitlupe.
Wenn überhaupt. Manchmal kam es mir so vor, als habe er sich überhaupt nicht bewegt, als wäre er stehen geblieben oder so.

Im Nachhinein konnte ich nicht sagen, wie ich es durch den Schultag gebracht hatte, ohne auszurasten.
Die Pausen erschienen mir unnötig, ich wollte am liebsten durchmachen, damit ich endlich gehen konnte.
Okay, am allerliebsten wollte ich natürlich sofort nach Hause.
Nur schien das Alessandro zu wissen.
Denn jedes verdammte Mal, wenn Pause war und ich abhauen wollte, stand er plötzlich an meiner Seite.

Ich hatte sogar schon versucht, während des Unterrichts abzuhauen.
Ich meine, wie sollte er wissen, ob ich im Unterricht saß oder nicht, wenn wir keinen zusammen hatten?

Doch entweder hatte er eine verdammt gute Intuition oder irgendeine geheime Superkraft, von der ich nichts wusste, jedenfalls erwartete er mich bereits vor der Schule, wenn ich gerade entwischen wollte.
Und da ich mir noch einen letzten Rest Würde behalten wollte, versuchte ich nicht, vor ihm davonzurennen.
Wahrscheinlich hätte ich es vielleicht doch getan, schließlich würde ich für Lilly selbst meine Würde aufgeben, aber ich wusste genau, dass es nichts bringen würde.
Alessandro hätte mich schneller eingefangen als ich gucken konnte.

Ich mochte Alessandro, er war schließlich ein guter Freund, aber in letzter Zeit ging er mir nur noch auf die Nerven.

So saß ich also im Unterricht, die Zähne fest aufeinander gepresst und die Fäuste geballt.
Alles, um mich selbst daran zu hindern, sofort aufzuspringen und nochmals einen Fluchtversuch zu unternehmen.
Einen Fluchtversuch, der wieder scheitern würde.

Ich hasse dich, Alessandro, dachte ich wütend. Zwar wusste ich irgendwo ganz tief im Hinterkopf, dass Alessandro nur mein Bestes im Sinn hatte, aber es war nun einmal nicht das Beste, mich von meiner Mate fernhalten zu wollen!
Das musste er doch am besten wissen, oder? Schließlich hatte er am eigenen Leib erfahren, wie es war, von seiner Mate getrennt zu sein.
Ich glaube kaum, dass er das so schnell vergessen hatte. Oder je würde.
Aber wahrscheinlich war mein Fall ein anderer.

Ich verzog grimmig das Gesicht.
Er hatte ja keine Ahnung.
Im Moment war meine Wut so groß, dass ich ihn geradewegs noch einmal hätte angreifen können, wäre er hier gewesen.

Plötzlich ging die Klassentür auf.
Ich sah kaum auf, starrte nur weiter zur Tafel, ohne wirklich etwas zu sehen.
Hörte kaum, wie eine dunkle Stimme murmelte:
"Sorry, der Bus hatte Verspätung."

Die Lehrerin erwiderte irgendetwas. Es war mir egal. Hauptsache, der Unterricht ging irgendwann vorüber.
Mein Blick wanderte wieder zu der Uhr rechts über der Tafel.
Kaum eine Minute vergangen. Toll.

Wieder wanderte mein Blick zur Tafel.
Jemand mit schwarzer Jeans und schwarzem T-Shirt trat davor und ging lässig den Gang entlang.
Kurz ließ ich meinen Blick zu seinem Gesicht huschen.
Damien.
Na toll. Der hatte mir gerade noch gefehlt. Wenn er mich so sah....er würde wissen, dass etwas zwischen Lilly und mir war.

Ich konnte nicht riskieren, dass er das zu seinem Vorteil nutzen würde.
Also versuchte ich meine Muskeln zu lockern, mich entspannt wirken zu lassen.
Aber in den grünen Augen Damiens erkannte ich, dass er meine Angespanntheit bereits registriert hatte.
Und die Intelligenz in seinen Augen zeugte nur davon, dass er eins und eins zusammenzählen konnte.

Fast biss ich wieder die Zähne zusammen, konnte mich aber im letzten Moment noch davon abhalten.
Vielleicht war es doch noch nicht zu spät.
Jedenfalls war es allemal besser, die Fassade aufrecht zu erhalten, als ihm offen zu zeigen, dass es gerade nicht gut zwischen Lilly und mir lief.
Und das war noch stark untertrieben.

Damien setzte sich rechts neben mich an die Wand.

"Na, was geht?", fragte er lässig, als wäre alles cool.

Ich zuckte nur mit einer Schulter.
"Langweiliger Unterricht, sonst nichts. Hätte auch schwänzen sollen so wie du."

Bei dieser Aussage fasste sich Damien gespielt verletzt an die Brust.
"Geschwänzt?", flüsterte er fassungslos.
"Also bitte. Ich hatte erst bis zur fünften Stunde und der Bus ist wirklich zu spät gekommen."

Ich warf ihm nur einen vielsagenden Blick zu, der ihm genau verriet, was ich von dieser "Wahrheit" hielt.
Damien grinste nur zur Antwort.

"Also.", meinte er, während er sich zurücklehnte und den Blick nach vorne zur Tafel richtete.
"Was läuft da zwischen dir und Lilly?"

Keine Antwort würde ihm alles sagen.
Also musste ich nun meine Schauspielkünste ganz tief in mir drin hervorkramen.
Wenn dort welche vorhanden waren....
Doch bevor ich überhaupt etwas tun konnte, entschied mein Mund wohl vor mir.

"Das geht dich einen Scheiß an.", zischte ich.

Aus dem Augenwinkel erkannte ich, wie Damien eine Augenbraue hoch zog.
"So schlecht?", fragte er, während sich sein einer Mundwinkel leicht hob. Zufrieden. Triumphierend.

Meine Hände ballten sich wieder zu Fäusten.
Doch ich antwortete nichts. Am Ende würde das nur zu einem Streit oder Kampf zwischen mir und Damien enden.
Ich hatte schon genug mit Lilly zu regeln, da konnte ich mir nicht noch mehr Probleme aufhalsen.
Also hielt ich den Mund.
Auch wenn es mich alles an Selbstbeherrschung kostete.

Für eine lange Zeit war es still zwischen uns. Tatsächlich für eine sehr lange Zeit.

Plötzlich vibrierte Damiens Handy in seiner Hosentasche. Zu leise, als dass die Lehrerin es hören konnte, vor allem da wir in der letzten Reihe saßen.
Unauffällig holte Damien es hervor und tippte darauf herum.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich ein Lächeln auf seinen Lippen formte. Ein gefährliches Lächeln, siegesgewiss.

Ich war neugierig, was oder wer dieses Lächeln auf seinen Lippen auslöste.
Aber diese Neugierde wurde schnell von all den anderen Emotionen, die in mir gärten, vertrieben.
Ich hatte genug selbst zum Nachdenken.
Ich konnte mir nicht auch noch Damiens Angelegenheiten in den Kopf holen, die mich letztendlich nur von Lilly ablenken würden.

Und das konnte ich nicht riskieren. Lilly bedurfte es meiner ganzen Aufmerksamkeit. Sie stand bei mir ganz oben.

Wenn ich doch nur gewusst hätte, wer Damien geschrieben hatte....
Dann hätte ich so viel anders reagiert.
Wer weiß, vielleicht wäre dann alles anders verlaufen?

I wanna be free, MateWhere stories live. Discover now