Wieder Montag

823 53 23
                                    

Lillys p.o.v.

Irgendwie ging das Wochenende vorbei und ich saß am Montag im Unterricht. Im Nachhinein konnte ich nicht sagen, wie ich es bis hierhin geschafft hatte.
Einerseits war da dieser unglaubliche Schmerz.
Ben war so nah und doch auch wieder nicht. Wir sprachen nicht miteinander, sahen uns kaum.

Denn ich verbrachte die meiste Zeit in meinem Zimmer und wenn ich mal unten war, dann war er meistens draußen im Wald.
Ich wäre ihm gerne gefolgt. Aber immer wieder, wenn ich einen Schritt auf die Terrassentür zu machte, hörte ich seine Stimme in meinem Kopf.

Wir brauchen Abstand zu einander, Lilly.

Immer wieder trat ich dann zurück, drehte mich schweren Herzens um und ging in mein Zimmer hinauf wie ein getretener Welpe.
Er wollte mich nicht bei sich haben.
Und so sehr es auch schmerzte, aber ich würde seinem Wunsch nachkommen. Das war das Mindeste, was ich ihm schuldete.

Tja und so ging das Wochenende rum.
Olivia tat ihr Bestes, um mich aufzuheitern.
Tat ihr Bestes, um mir zu helfen. Sie hatte im Internet sogar nach einem Psychologen gesucht, hatte sich die Adressen derjenigen aufgeschrieben, die am nächsten wohnten.
Ihrer Meinung nach brauchte ich einen Psychologen, der ein Werwolf war, sodass ich offen reden konnte.
Also hatte sie sich vorgenommen, zu jedem einzelnen Psychologen zu fahren, bis sie einen gefunden hatte, der ein Werwolf war.

Sie hatte Recht, ein Werwolf, der Psychologe war, war am besten für mich. Auch wenn mir die Vorstellung überhaupt, einen Psychologen zu besuchen und eine Therapie zu machen, nicht besonders gefiel.
Denn das bedeutete, dass ich mich wieder jemanden öffnen und all die Bilder der Vergangenheit hervorholen müsste. Das würde nicht gerade einfach werden. Ich war mir nicht sicher, ob ich das aushielt.
Andererseits konnte es so auch nicht weitergehen. Also würde ich es tun müssen, würde mich meiner Vergangenheit wieder stellen müssen.
Selbst wenn mir schon bei der Vorstellung übel wurde.

Dieses Wochenende tat ich allerdings noch etwas.
Ich befolgte Damiens Rat und dachte über alles nach.
Hatte mal wieder ein Gedicht angefertigt, um mir über alles klar zu werden und tatsächlich hatte es ein wenig geholfen.

Und schlussendlich hatte ich eine Entscheidung getroffen.
Ich würde weiter leben.
Denn als ich nachgedacht hatte, hatte ich mir eine Liste im Kopf gemacht, warum ich weiter leben wollte.
Anfangs war es schwer, aber schließlich sind mir mehr Dinge eingefallen als ich erwartet hätte.
Die Liste sah ungefähr so aus:

- Ben (ich konnte nicht riskieren, ihn mit meinem Tod zu verletzen, das hatte ich schließlich schon zu oft getan. Und vielleicht bestand ja doch noch Hoffnung für uns beide? Auch wenn ich mir da überhaupt nicht sicher war...)
- Victoria (Damien war keiner, der bluffte. Sie sollte nicht wegen mir leiden müssen)
- Olivia (wir waren jetzt wohl schon so etwas wie Freundinnen, und ich konnte es ihr einfach nicht antun, zu sterben)
- mein Rudel (sie alle hatten mich lieb aufgenommen und auch wenn wir nicht viel miteinander zu tun hatten, so waren sie doch meine Familie)
- Damien (ein Teil von mir, egal wie klein er auch sein mochte, weigerte sich, ihn siegen zu lassen, meine Vergangenheit siegen zu lassen)
- Emmi und Luca, die beiden kleinen Kinder im Rudel (keine Ahnung, warum, aber die beiden mochten mich. Und ja, ich mochte sie auch, auch wenn sie wie alle Kinder schon mal nerven konnten.)
- Marvel Filme (ich wollte die neuen nicht verpassen)
- leben (es gab so viele Schönheiten, die man im Alltag kaum wahrnahm, aber wenn ich so darüber nachdachte, ich wollte sie nicht missen)
- ...

Tja. Diese und noch mehr Gründe sind mir eingefallen, so viele wie ich es nicht erwartet hatte. Und vielleicht hatte Damien ja recht. Vielleicht steckte ja irgendwo in mir doch ein Fünkchen Stärke. Oder vielleicht bildete ich mir das nur ein, und in Wahrheit hatte ich dieses Gefühl nur, weil ich mich die letzten zwei Tage mit starken, kräftigen und motivierenden Rocksongs dauerberieselt hatte.
Selbst in meinem Zustand war das Lied Not gonna die tonight von Skillet wirksam. War doch auch wieder erstaunlich.

I wanna be free, MateWhere stories live. Discover now