Herr Holle Teil 1

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~So ein verdammtes Arschloch! Wie konnte er mir das nur antun!~, schreie ich wutentbrannt, als ich nach seinen Shirts greife, zum Schlafzimmerfenster maschiere und sie hochkant nach draußen auf meinen Vorgarten werfe.

Ich bin stinkwütend und verletzt und wütend! Am liebsten würde ich jemandem die Fresse polieren. Am liebsten ihm, aber das kann ich ja gerade nicht! Dann muss wohl sein Besitz dran glauben.

Auf dem kargen Gras vor meinem Haus liegen bereits mehrere seiner heiß geliebten Schallplatten und auch seine restlichen Hygieneartikel.

Ich will ihn einfach aus meinem Leben raushaben, weshalb ich alles loswerden will, was ihm auch nur ansatzsweise gehört hat oder mich an ihn erinnert. Die Schlösser sind bereits ausgetauscht, denn ich will ihn nie wieder sehen.

Wenn er sich doch noch hierher traut, kann ich für nichts mehr garantieren.

Bevor man mich falsch versteht, ich bin eigentlich kein Choleriker und bis auf ein paar kurze Aussetzer bin ich eigentlich ziemlich friedlich, aber bei so etwas kann ich einfach nicht ruhig bleiben!

Ich habe ihm vertraut. Sogar Mitleid mit ihm gehabt, als er von seinem Tyrannenboss und den vielen Überstunden erzählt hat.

Ich habe dieses Schwein sogar in den Arm genommen deswegen! Dabei hat er mich nur angelogen! Dieser feige Mistkerl!

Wütend schreie ich nochmals auf, als ich seine Sockenschublade packe, sie aus dem Schrank ziehe und schließlich mit Schwung in meinen Vorgarten auskippe.

Ich will mich gerade abwenden und weitermachen, als mich eine unbekannte Stimme aufhält~Wenn Sie schon dabei sind, Herr Holle, wie steht es dann mit weißen Weihnachten?~

Ich halte inne und sehe aus dem Fenster. Auf dem Gehweg steht ein hoch gewachsener schwarzhaariger Mann und sieht grinsend zu mir nach oben.

Lässig lege ich die Schublade auf den Boden und lehne mich dann weit aus dem Fenster, um nach oben in den grauen Himmel zu sehen.

Auch ich grinse leicht, denn bisher hat mich noch niemand Herr Holle genannt. Das ist witzig, passt aber auch irgendwie. Ich lasse es schließlich schneien, nur eben Klamotten und Wertgegenstände, statt Schneeflocken.

~Tut mir leid, aber mit der berühmten Weißen Weihnacht sieht es schlecht aus.~
~Was ist denn los?~

~Naja, es ist für einen Herr Holle schwer, ruhig zu bleiben, wenn ihn seine Frau Holle wochenlang etwas vorgespielt hat, während sie gleichzeitig mit jemand anderem fröhlich im Bett rumtollt.~, antworte ich leichthin, obwohl meine Hände vor Wut und Schmerz zittern.

~Ich verstehe. Kann man Herr Holle vielleicht helfen?~
~Hilfe könnte er gut gebrauchen, aber von einem Fremden? Er ist leider nicht so naiv wie Frau Holle, einfach einen Fremden zu sich nach Hause einzuladen.~

~Vielleicht wird es dann Zeit, das zu ändern? Immerhin könnte ich Herr Holle behilflich sein, während er es Kleidungsstücke und Schallplatten vom Himmel schneien lässt. Dann wird es eben eine bunte Weihnacht.~, beharrt er.

Ein kleines Kichern verlässt ungewollt meine Lippen. Mir gefällt es, dass er so hartnäckig   aber auch so entspannt ist. Als könnte ihn nichts aus der Ruhe bringen.

Er macht mich neugierig und vielleicht hat er ja Recht und es wird Zeit, einige Dinge zu ändern, alte Prinzipien über den Haufen zu werfen.

Aber andererseits ... Er ist mir immernoch fremd. Vielleicht ist das ja seine Masche: Einen auf freundlich und hilfsbereit machen, um mich später umzubringen und sich all mein Hab und Gut unter den Nagel zu reißen?

Klingt aufregend, wenn ich ehrlich bin, aber mir ist gerade alles lieber, als diese brennende Wut und dieser unterschwellige Schmerz.

~Dann kommen Sie mal rein. Die Tür ist auf der anderen Seite.~, sage ich schließlich und entferne mich dann vom Fenster.

Vor Vorfreude und Aufregung hüpfe ich beinahe die Treppen hinunter und bleibe vor der Haustür stehen. Kurz blicke ich in den Spiegel, um zu überprüfen, ob ich einigermaßen vorzeigbar aussehe.

Natürlich nicht. Meine Haare sind verstrubbelt, da ich mit meiner Hand zu oft durch sie hindurchgefahren bin und mein Make Up ist ebenfalls leicht verschmiert.

Als ich ein Klopfen höre, zucke ich erschrocken zusammen und fluche leise. Ich wäre am liebsten nochmal kurz ins Bad geschlüpft, um mich zu richten. Schließlich will ich nicht, dass der Fremde bei meinem Anblick gleich wieder die Flucht ergreift. Wer würde schon gerne einer Vogelscheuche helfen?

Aber jetzt bin ich wohl gezwungen, es darauf anzulegen.
Ich atme also nochmals tief durch, bevor ich mit einem kleinen Lächeln die Tür öffne.

Oh Fuck.
Vor mir steht der Fleisch gewordene Traum eines Manns: Groß, muskulös und mit herrlich verwuschelten Haaren, die aber nicht, wie bei mir, wie ein halb fertiges Vogelnest aussehen. Nein, es sind scheinbar so richtig flauschige Haare, die einen nur so anschreien: Fass mich an!

Und zur Krönung des Ganzen sind seine Augen tiefblau. Ein wunderschönes Blau, bei dem ich allein vom Ansehen beinahe eine Gänsehaut bekomme.

Mein Herz schlägt rasend schnell und ich befürchte, gleich zu kollabieren, wenn er mich weiterhin so intensiv mustert.
Ich vergesse, dass ich wie aus dem Bett gefallen aussehe und auch mein Zorn rückt für einen Augenblick in den Hintergund.

Da sind nur unserer Blicke, die sich ineinander verhackt haben, und die ganzen unausgesprochenen Worte und Gefühle dazwischen.

Die Zeit scheint für einen Augenblick still zu stehen und ich halte die Zeiger mit aller Kraft fest, doch irgendwann entgleiten sie mir und ich bin zurück in der mehr oder minder grausigen Realität.

~Ich bin Magnus~, stelle ich mich vor,~Wenn du mir schon hilfst, sollten wir uns zumindest richtig vorstellen.~

Auch er scheint sich aus seiner Trance zu befreien, denn nun zieht er spöttisch die Augenbrauen hoch und verschränkt die Arme vor der Brust. Wenn das seine Oberarme nur nicht so gut betonen würde ...

~Vielleicht sollte ich doch wieder gehen. Ich wurde schließlich unter falschen Vorwänden hierhergelockt. Was ist, wenn du ein Serienkiller bist und das hier deine Masche ist?~, fragt er und grinst dabei schelmisch.

~Gerade könnte ich zwar echt zum Serienmörder mutieren, aber ich denke, für diesen Job ist die Nachbarschaft nicht gerade geeignet~, antworte ich und deute demonstrativ auf die Nachbarhäuser,~Willst du vielleicht reinkommen?~

~Gerne.~
Dann geht er an mir vorbei und streift Mantel und Stiefel ab.
~Wie heiß du eigentlich?~

Er lächelt mich an und ein kleiner Teil von mir schmilzt dahin, aber der andere ist schon wieder im Hier und Jetzt angelangt und dementsprechend gelassen.

Eben so gelassen, wie man eben sein kann, wenn man gerade frisch betrogen wurde und plötzlich ein mehr als attraktiver Mann im eigenen Haus steht.
~Alec.~

Malec-One ShotsWhere stories live. Discover now