Herzensmusik Teil 1

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~Hey, Magnus! Lang nicht gesehen.~, begrüßt mich Maia.

Aber eigentlich schreit sie mich eher an, denn es ist sehr laut in ihrer Bar Huntersmoon.

~Ich hab eine Auszeit gebraucht, aber ich lass mir doch dein Music for life Event nicht entgehen!~, schreie ich grinsend zurück.

Einmal im Monat kommt immer ein Musiker, bekannt oder nicht, vorbei, um hier live seine Musik vorzuspielen. Was als entspannte Runde unter Freunden angefangen hat, ist jetzt der Geheimtipp in New York und nicht selten spielen hier echte Berühmtheiten.

Es gibt auch oft ein Motto, an das man sich bei seiner Kleiderwahl orientieren kann, aber niemand muss etwas tun, das er nicht will. Kommt man jedoch zum Motto passend gekleidet, bekommt man einen freien Drink, was viele dazu ermutigt, über ihren Schatten zu springen.

Ich liebe diese Abende und war auch schon von Anfang an dabei, aber die letzten Monate war ich im Urlaub, sodass ich wirklich viel verpasst habe.

Ich hätte zwar durchaus noch länger bei meinen Großeltern in Indonesien bleiben können, aber es zog mich einfach zurück nach New York, denn die Stadt, die niemals schläft, ist meine Heimat, auch wenn sie mir viel Leid beschert hat. Ich glaube, dass meine Wunden nun endlich verheilt sind, sodass ich wieder die Orte besuchen kann, die mir viel bedeuten, wie diese Bar.

Plötzlich steht ein bunter Cocktail vor meiner Nase, der im völligen Kontrast zu meinem Oitfit steht, denn heute ist das Motto Black & White.

Ich nehme dankbar einen Schluck und genieße das leichte Brennen in meiner Kehle. Dann lehne ich mich wieder zu Maia rüber.
~Wer ist es denn heute?~
~Überraschung!~

Ich verdrehe die Augen. Das hat sich also auch nicht geändert. Nur Maia, als Besitzerin, weiß, wer beim Music for life Event auftritt. Für alle anderen ist es eine Überraschung.

Dennoch frage ich sie jedes Mal. Ich will oft eben wissen, was auf mich zukommt, damit ich mich darauf vorbereiten kann.
Überraschungen sind eigentlich schon lange nichts mehr für mich, aber wir wollen mal nicht so sein.

~Magnus! Warum hast du mich nicht angerufen?~, fragt eine bekannte Stimme und kurz darauf sehe ich, wie sich meine beste Freundin Catarina durch die Menschenmenge drängt.

Sie trägt einen weißen Hosenanzug, der an ihrer dunklen Haut förmlich zu strahlen scheint. Hinter ihr bemerke ich Ragnor, mein bester Freund und ihr Verlobter, so weit ich das richtig in Erinnerung habe.

Ich kann aber nicht länger darüber nachdenken, da ich bereits in eine feste Umarmung geschlossen werde, die mir die Luft zum Atmen raubt.

~Ich hätte wissen müssen, dass ihr auch da seid. Ansonsten hätte ich euch natürlich gleich Morgen früh angerufen.~
~Gut siehst du aus.~, meint Ragnor grinsend.

Lächelnd sehe ich an mir herab. Ich liebe Mode und habe meinen eigenen Stil, aber ich liebe auch Maias Mottos, die sie teilweise wegen mir überhaupt ins Leben gerufen hat, weshalb ich mich natürlich immer passend kleide. Heute ist es ein perlweißes Jacket über einem schwarzen Hemd. Dazu eine schwarze Anzughose und meine weißen Lacklederschuhe.

~Du aber auch. Sag bloß, Cat hat dir deine Anziehsachen rausgelegt?~, frage ich ihn neckend, denn ich weiß um Ragnors katastrophalen Modegeschmack.

Früher gab es noch jemanden, der nie wusste, was er zu so etwas anziehen sollte, aber bevor die Erinnerungen mich überwältigen können, nehme ich noch einen großen Schluck. Ich weiß, Alkohol ist keine Lösung  aber er unterdrückt meine Gedanken ganz gut.

~Du bist unmöglich.~
~Ich weiß und deshalb liebst du mich auch. Gib's wenigstens zu!~
~Jungs! Wir sind hier, um Spaß zu haben, nicht um den größten Bitchfight in der Geschichte des Huntersmoons auszutragen.~, beschwichtigt Cat uns und wir verdrehen zeitgleich die Augen.

~Heute ist es wohl ein Pianist.~, überlegt Ragnor und zeigt zur Bühne, die mitten in der Bar aufgebaut ist.

Tatsächlich wird gerade ein Klavier mithilfe einer Rampe auf die Bühne geschoben und dort abgestellt.

Ich spüre einen kleinen Stich im Herzen, als ich das Klavier sehe, aber ich ignoriere diesen gekonnt.

~Ich bin gespannt, welcher.~, gebe ich zu, als plötzlich die Lichter ausgehen. Nur das Klavier auf der Bühne wird noch beleuchtet und ich sehe einen schwarzen Haarschopf dahinter hervorluken, aber es ist zu voll, als dass ich Einzelheiten erkennen könnte.

Tatsächlich sind so viele Menschen hier, dass die Bar förmlich aus allen Nähten zu platzen scheint und ich kann froh sein, einen Platz an der Bar zu haben, auch wenn meine Sicht von hier aus mehr als sclecht ist.

Es kommt ohnehin viel mehr auf die Musik an.

Doch als der Pianist die ersten Töne spielt, fällt mir das Lächeln quasi aus dem Gesicht und mir wird schlecht.

Als er dann auch noch anfängt zu singen, ist es vorbei mit meiner anfänglichen Euphorie.

Loving and fighting
Accusing, denying
I can't imagine a world with you gone
The joy and the chaos, the demons we're made of
I'd be so lost if you left me alone

Mit aschfahlem Gesicht sehe ich zu Maia, die sich schuldbewusst auf die Lippe beißt.

~Es tut mir so leid, Magnus. Er wollte unbedingt ...~
~Passt schon.~, sage ich schwach.

Dann stehe ich auf und dränge mich Richtung Ausgang, die besorgten Rufe hinter mir   ignoriere ich einfach.

Ich brauche frische Luft, sonst kotze ich hier gleich allen vor die Füße.

Warum musste er auch gerade jetzt zurückkommen?
Hätte er nicht im Nirvana bleiben können?

Die Erinnerungen beginnen mich einzuholen, mich zu überrennen und ich falle förmlich auf den Gehweg vor der Bar.

Nur gerade so halte ich mein Gleichgewicht und taumel weiter. Man könnte meinen, ich wäre betrunken, aber das stimmt nicht. Es sind nur die Erinnerungen und der Schmerz, die auf meinen Schultern lasten und mich in die Knie zwingen, sodass ich mich an der Außenmauer des Huntersmoons zu Boden sinken lasse.

Alles stürzt auf mich ein und ich habe Angst zu zerbrechen, weshalb ich meine Beine eng an meinen Körper ziehe und so fest umklammere, dass meine Fingerknöchel weiß hervorstechen.

Ich versuche mich zu wehren, aber meine inneren Dämonen sind plötzlich wieder so stark. Ich habe gedacht, dass ich sie besiegt hätte, in meiner Auszeit in Indonesien, aber das stimmt nicht. Sie haben nur auf den richtigen Moment gewartet, um wieder zuzuschlagen und der Augenblick, an dem ich Alexanders Stimme wieder höre, ist ihre Sternstunde, um wieder über mich herzufallen.

Malec-One ShotsWhere stories live. Discover now