Alte Bekannte Teil 1

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Das ist keine gute Idee.
Warum nochmal bin ich hier? Achja, ich habe mich von Cat bequatschen lassen. Ich sollte lieber umkehren, solange es noch nicht zu spät ist.

Das denke ich mir, während ich um die Ecke biege und die Fassade eines großen Kinos vor mir sehe.

Ich habe gleich ein Date.
Ok, das hört sich sogar noch gut an, aber ich bin noch nicht fertig. Ich bin auf einem Date mit jemanden, den meine beste Freundin für mich ausgesucht hat, über eine Datingapp.

Davon habe ich erst heute erfahren und eigentlich wollte ich nicht hingehen. Zwar sieht
Mortal-Cup-Stern nicht schlecht aus, aber sonst kenne ich nur seine Antworten, die er meiner Freundin geschickt hat.

Doch schlussendlich hat mich eben jene doch überzeugt. Sie hat ja auch irgendwo recht, wenn sie sagt, dass ich mal wieder unter Leute müsste und einmal meinen Job als Architekt hinten anstellen soll.

Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht dafür rächen werde, dass sie mich, ohne mein Wissen, bei dieser bescheuerten App angemeldet hat.
Vielleicht verschwindet ihr Eisvorrat auf wundersame Weise oder noch besser, ihr Kaffeevorrat? Das wäre bei Cat, die als Krankenschwester arbeitet, wirklich fatal.

~Bist du zufällig magic_glitter?~, fragt mich eine Stimme.

Während ich mich zu ihm umdrehe, verfluche ich Cat für diese Namenswahl.
Meine beste Freundin muss mich echt hassen.

Vor mir steht ein junger Mann etwa in meinem Alter und mit salzweißen Haaren. Seine dunklen Augen funkeln und bilden einen starken Kontrast zu seiner hellen Haut.

~Ja und du bist dann wohl Mortal-Cup-Stern?~, frage ich ihn im Gegenzug.
Er grinst und fährt sich einmal durch die Haare.
~So sieht's aus. Und wie heißt du im realen Leben?~

~Ist es ok, wenn ich das erst am Ende unseren Dates sage?~
Das mag zwar ziemlich bescheuert klingen, aber, sagen wir mal so, meine letzten Beziehungen liefen nicht besonders gut und meine Gutgläubigkeit wurde oft ausgenutzt. Dem will ich jetzt vorbeugen.

~Klar, ich bin Sebastian.~
~Ok, Sebastian, in welchen Film willst du?~

Wenig später gehen wir mit Popkorn und Getränken beladen in den dunklen Kinosaal. Sebastian wollte unbedingt eine Dokumentation über die Tiefsee sehen, was mich überrascht, aber in positiver Hinsicht.

Ich bin wirklich alles andere als langweilig, aber ich liebe Dokus über alles und ich wollte diese ohnehin anschauen.

Der Kinosaal ist nahezu leer, als der Vorspann beginnt und ich lehne mich entspannt im Kinosessel zurück.
Schon jetzt kann ich meine Finger nicht vom Popkorn lassen und ich frage mich, warum das eigentlich nur im Kino schmeckt. Warum ist es zu Hause nie so warm und gezuckert?

Ich weiß es nicht, aber ich will auch nicht weiter darüber nachdenken, immerhin fängt jetzt der Film an.
Die erste Viertel Stunde ist wunderbar. Sofort bin ich mitten im Geschehen und beobachte jede Frequenz fasziniert.

Doch als sich plötzlich Sebastians Hand auf meinen Oberschenkel legt, ist es vorbei mit dem Spaß.

Meine Muskeln spannen sich an, während ich langsam seine Hand ergreife und sie wieder zurück zur Armlehne führe. Ich spüre absolut nichts bei dieser Berührung. Weder ein Kribbeln noch ein Gefühl von Wärme. Da ist einfach nichts.

Nur scheint Sebastian meine Geste nicht zu verstehen, denn schon wieder liegt seine Hand auf meinem Oberschenkel und beginnt diesen zu streicheln.

~Lass das!~, zische ich warnend, bevor ich in eine Schockstarre verfallen kann.
~Warum denn?~, haucht er an mein Ohr und ich bekomme eine Gänsehaut, aber keine von der angenehmen Er-ist-mir-nah-und-ich-will-mehr-davon Sorte, sondern eine von der Im-dunklen-Wald-siehst-du-einen-Axtmörder-LAUF Variante.

~Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, dass ich mit dir in diese langweilige Doku gehe, um sie wirklich anzusehen~, murmelt er weiter und ich schlucke hart,~Aber andererseits sind mir die Schüchternen und Gutgläubigen lieber. Sie sind immer so leidenschaftlich.~

Mit diesen Worten wandert seine Hand weiter nach oben und ich sehe panisch nach links und rechts, aber hier ist niemand, der mich retten könnte.
Dennoch murmel ich flehend~Lass es. Bitte.~
~Mhmm, ob du auch im Bett so bettelst?~, fragt er nachdenklich und ich kneife die Augen zusammen.

Natürlich ist das kein Albtraum, aus dem ich einfach aufwachen kann, aber alle anderen Körperfunktionen scheinen vor Schock und Angst wie gelähmt.

Ich verfluche mich selbst, überhaupt auf dieses Date gegangen zu sein. Wäre ich doch bloß zu Hause auf dem Sofa geblieben! Ein Schokoeis und eine neuen Serie auf Netflix, wer braucht da schon soziale Kontakte?

Als letzte Möglichkeit fange ich an zu beten. Eigentlich bin ich nicht gläubig, aber das heißt ja nicht, dass man in einer echten Notsituation nicht zu einem Engel beten kann, damit das Ganze ein Ende nimmt.
Mir schlägt das Herz bis zum Hals, während ich einseitige Tauschgeschäfte abhandle und einfach nur hier weg will.

Und, als hätte man mich tatsächlich gehört, ergießt sich eine klebrige Flüssigkeit über Sebastian, der seine Hand rasch zurückzieht und fluchend aufspringt.
Ich atme erleichtert auf und wische mir die paar Tropfen weg, die auch noch meinen Arm erwischt haben und stelle fest, dass es sich bei der Flüssigkeit um Fanta handelt.

~Was soll der Mist?!~, fragt Sebastian entrüstet und verwundert drehe ich mich um.

In der Sitzreihe hinter uns steht ein Mann mit einem leeren Becher in der Hand.
Offenbar ist das mein Schutzengel.

Weil es im Kinosaal so dunkel ist, kann ich ihn nur als blauen Schemen erkennen, aber mir reichen seine breiten Schultern und seine Größe, um zu wissen, dass er sich durchaus gegen andere behaupten kann.

~Er hat doch gesagt, dass er nicht will. Und wenn du nicht willst, dass ich dich beim Personal melde, verschwindest du jetzt wohl besser. Es gibt nämlich auch Leute, die diese Dokumentation sehen wollen.~, weist er Sebastian ruhig in seine Schranken.

Die Stimme des Fremden ist tief und angenehm, sodass mir dieses Mal ein angenehmer Schauer über den Rücken läuft.

Sebastian hingegen knurrt gefährlich, macht sich dann aber laut fluchend vom Acker.
Erleichtert seufze ich auf. Das war ganz schön knapp gewesen.

Ein Knarren erregt meine Aufmerksamkeit und ich sehe zu, wie der Mann seine Sitzreihe verlässt und die zwei Treppen zu meiner hinuntersteigt. Dann kommt er langsam auf mich zu und ich fage mich, was er will.

Dieses Mal ist da keine Angst oder Panik, ich bin schlichtweg neugierig auf das, was jetzt kommt.

Malec-One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt