Alte Bekannte Teil 5

1.1K 89 35
                                    

Ich sollte echt an meiner Kondition arbeiten, meint meine eine Gedankenstimme.

Das denke ich mir, während ich hechelnd und halb sterbend durch die Straßen von New York renne.

Aber Sport ist soo anstrengend, widerspricht meine andere Gedankenstimme.

Klappe, befehle ich beiden, bevor ein echtes, inneres Streitgespräch ausbrechen kann.

Keuchend biege ich in die Gasse ein. Sie ist dunkel und an den Seiten stapelt sich der Müll bereits. Auf der rechten Seite ragt eine rostige Feuertreppe in die Höhe.

Das ist mein Ziel.

Ich steige keuchend die Treppe nach oben bis ich im zweiten Stock ankomme und da ist er. Alexander.

Er sitzt am Rand und umklammert die rostigen Stäbe das Geländers, während seine Beine einfach in die Tiefe baumeln. Seinen Kopf hat er gegen das Geländer gelehnt und er ignoriert mich so lange, bis ich mich seufzend, wie ein sterbendes Walross, neben ihn fallen lasse und ebenfalls meine Beine in die Tiefe hängen lasse.

~Was willst du noch von mir?~, fragt Alec müde. Jegliche Wut ist aus seiner Stimme verschwunden und er wirkt einfach ausgelaugt und erschöpft.

Mehr denn je erinnert er mich an den Alec von früher. Wir beide hatten nicht gerade die Traumfamilie, denn während Alecs Eltern Helikoptereltern waren, wie sie im Buche stehen, war meine Mom tot und mein Dad ... darüber wollen wir lieber nicht sprechen.

Jedenfalls war das hier unser Rückzugsort. Immer wenn einer von uns es nicht mehr im Elternhaus aushielt, hat er dem anderen eine SMS geschickt und wir haben uns hier getroffen. Das war immer unser Platz an dem wir einfach nur wir selbst sein konnten.

Ich war nicht mehr hier, seitdem Alec New York verlassen hatte. Es hatte sich falsch angefühlt.

Jetzt wieder hier zu sitzen, lässt in mir viele schöne Erinnerungen an heiße und kalte Tage aufploppen, doch ich dränge sie zurück.

Gerade zählt nur, dass das mit Alec und mir wieder ins Reine kommt.

~Die ganze Geschichte, bitte. Ich will es einfach nur verstehen.~

Alec seufzt.
~Naja, ich war quasi schockverliebt, als du in der ersten Stunde in die Klasse geplatzt bist, völlig außer Atem, aber immer noch mit einem Lächeln auf den Lippen. Ich habe mich in dieses Lächeln verliebt -ich wusste schon lange, dass ich schwul war, du hast mir nur den endgültigen Beweis geliefert. Allerdings habe ich auch die Anderen gesehen. Jedes Mädchen hat dich begafft und da wusste ich, dass ich nie eine Chance haben würde. Deshalb habe ich mich riesig gefreut, als du mich zu deinem besten Freund erwählt hast. Ich konnte in deiner Nähe sein und das war mir genug. Mir hat es gereicht, der beste Freund von Magnus Bane zu sein. Aber dann kam Camille und ich lernte, was Eifersucht ist. Jedes Mal, wenn du von ihr geschwärmt hast, hat es mir innerlich das Herz gebrochen. Genauso, wenn du mir von deinen Erfahrungen mit ihr erzählt hast. Ich habe sie gehasst, dich aber nicht. Du glaubst nicht, wie schlecht ich mich gefühlt habe, als du zu mir kamst und mir unter Tränen gesagt hast, dass sie dich betrogen hatte, denn ich war glücklich. Zwar hat es mich verletzt, dich so zu sehen, aber ich war glücklich, dich wieder bei mir zu haben. Aber mir wurde auch klar, dass es mir doch nicht reicht, nur dein bester Freund zu sein. Und dann kam er.~

~Will.~

~Genau. Es war schlimm, Magnus, denn im Gegensatz zu dir, hat er sofort bemerkt, dass ich mehr für dich empfinde und er hat mir das gnadenlos unter die Nase gerieben. Immer, wenn du nicht hingesehen hast, hat er einen Kommentar fallen lassen. Wie schön du seist. Wie leidenschaftlich und willig. Ich habe mich von dir entfernt, weil ich gemerkt habe, dass du auch immer unerreichbar für mich bleiben wirst. Ich war eifersüchtig auf Will, weil er das haben konnte, was ich nie bekommen würde. Dich. Ich war auch eifersüchtig auf Camille, denn sie kam in den Genuss deiner Liebe und ich nicht! Als Will dann zu mir kam und mir gesagt hat, dass du ihn liebst, ist mir der Kragen geplatzt. Ich habe meine Koffer gepackt und bin zu Imogen, Jace' Großmutter, nach LA gezogen. Ich habe nur meinen Geschwistern davon erzählt und sie schwören lassen, es für sich zu behalten. Dennoch hast du mich einfach nicht losgelassen. Ich hatte Beziehungen, One Night Stands, unzählige Dates, aber keiner war wie du. Vor eineinhalb Wochen bin ich dann zurückgekommen. Ich habe gedacht, ich bin über dich hinweg, aber das war ich nicht. Kaum war ich in New York, haben mich die Erinnerungen schier übermannt. Aber ich wollte auch nicht zu dir, nicht nachdem ich dich im Stich gelassen habe. Dennoch wollte ich mich dir zumindest nahe fühlen und so bin ich ins Kino gegangen.~

~Du weißt, dass ich Dokumentationen liebe.~, werfe ich ein.

Alec nickt verzweifelt, sieht mich aber nicht an.

~Genau, also bin ich in die Doku über die Tiefsee gegangen und dann habe ich dich gesehen. Du hast dich kein Stück verändert. Aber da war auch dieser Typ und als er dich begrapschen wollte, als er sich nehmen wollte, wonach ich mich schon jahrelang sehnte, da sind mir die Sicherungen durchgebrannt. Du hast mich nicht erkannt und ich habe es genossen, dir nah zu sein. Bei den Engeln, es hat sich so gut angefühlt, dich wieder im Arm zu halten und dieses Mal nicht freundschaftlich. Einmal musste ich mich nicht verstecken. Als der Film dann aber langsam zu Ende ging, bekam ich Panik. Wie würdest du wohl reagieren, wenn du erfährst, dass ich es bin. Nur Alec und nicht der Traumtyp von nebenan. Ich wollte keine Enttäuschung in deinen wunderschönen Augen sehen und so bin ich wieder abgehauen. Eigentlich wollte ich nicht zu diesem Klassentreffen, aber Jace hat mich gezwungen. Und als ich dich dort gesehen habe, so stark und schön wie eh und je, da konnte ich einfach nicht mehr. Ich will doch nur, dass diese ganzen Gefühle aufhören.~, beendet er seine Erzählung.

Noch immer sieht er zu seinen Fußspitzen, die haltlos in die Tiefe hängen.

Wenn er doch nur wüsste, wie schön er gerade aussieht, außen wie innen.

Plötzlich ist mir alles klar. Ich habe für alles eine Erklärung, nur er hat sie nicht. Er hat mir gerade sein Herz geöffnet und dieses Mal habe ich nicht vor, es erneut zu brechen.

Malec-One ShotsWhere stories live. Discover now