Amnesie Teil 1

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Das erste, was ich höre, als ich zu mir komme, ist ein Piepen. Ein penetrantes und regelmäßiges Piepen, welches an einen Wecker erinnert.

Träge öffne ich die Augen und sehe an eine weiße Decke. Ich fühle mich schlapp und ausgelaugt, aber ich will nicht wieder einschlafen und so versuche ich, wach zu bleiben.

Langsam drehe ich den Kopf und zische augenblicklich auf vor Schmerz.
Ok, das sollte ich vielleicht nicht tun.

Dennoch hat diese kleine Bewegung gereicht, um zu erkennen, dass ich an unzählige Geräte angeschlossen bin und eines davon dieses regelmäßige Piepen erzeugt.

Leise wird eine Tür geöffnet und ein Mann in einem weißen Kittel betritt mein Zimmer. Dass es mein Zimmer ist, kann ich nur vermuten, aber weil ich hier alleine bin, bin ich mir doch ziemlich sicher.

Der Fremde sieht mich an und kurz scheinen seine braunen Augen vor Erleichterung und Freude zu strahlen. Er lächelt mich freundlich an und meint~Endlich bist du wach! Wie geht es dir?~
~Gut, denke ich~, antworte ich mir kratziger Simme,~Aber ... Entschuldigen Sie, dass ich frage, aber wer sind Sie?~

Sein Lächeln erstirbt und ich bekomme das Gefühl, etwas Falsches gesagt zu haben.

Krampfhaft wühle ich in meinem Verstand, ob ich ihn schon mal irgendwo gesehen habe, aber da ist nichts. Nur eine diffuse Dunkelheit, wo eigentlich meine Erinnerungen sein sollten.

Aber wenn ich ihn nicht kenne, was habe ich dann falsch gemacht?

~Dafür musst du dich nicht entschuldigen. Ich bin Doktor Lightwood-Bane, dein behandelnder Arzt.~, stellt er sich vor und setzt sich lächelnd auf die Bettkante.

~Gibt es dafür eine Kurzform?~, frage ich verzweifelt, denn ich glaube nicht, dass ich mir den Namen mit meinem momentanen Gedankensalat merken kann.
~Denk dir etwas aus. Sei kreativ.~, rät er mir und funkelt mich mit seinen Augen belustigt an.

~Später. Hat man in meinem Kopf zufällig einen Presslufthammer vergessen?~, frage ich, traue mich aber nicht, mir an den Kopf zu fassen. Ich will es nicht noch schlimmer machen.

~Keine Sorge. Ich bin sicher, dass man ihn ordnungsgemäß ausgeschaltet hat~, versichert er mir grinsend,~Aber vielleicht sind es auch nur die Nachwirkungen deines Schädel Hirn Traumas.~
~Schädel Hirn was? Was ist überhaupt passiert?~

~Du hattest einen Unfall und hast dir dabei übel den Kopf gestoßen. Du lagst die ganze letzte Woche im künstlichen Koma, aber mit etwas Glück und Magie bist du bald wieder auf dem Damm.~
~Magie?~

Wieder lächelt er.

~Wie sonst, glaubst du, genesen hier alle Patienen?~
~Durch Medizin und Ruhe?~

Er wirft lachend den Kopf zurück und kurz, nur für einen Moment, lichtet sich der Nebel meiner Gedanken und ich sehe ein Bild.

Ein warmer Sommertag. Die Sonne knallt richtig und ich sitze auf einer rot weiß karierten Picknickdecke, so richtig klischeemäßg. Mir gegenüber liegt ein Mann, etwa in meinem Alter, aber ich sehe ihn nur verschwommen. Als wäre ich weitsichtig und hätte meine Brille vergessen. Aber sein Lachen ist dasselbe, tief, ehrlich und wunderschön.

Keuchend tauche ich wieder auf und merke, dass ich mich noch immer im Krankenzimmer befinde, aber dieses Mal wirkt es nicht halb so freundlich.

~Was war das?~, frage ich panisch.

Mein Herz galoppiert und ich bin vollkommen überfordert.
Das Piepen wird schneller und irgendwie noch nerviger, aber darauf achte ich kaum.

Ich weiß nicht, warum ich so panisch reagiere. Es ist einfach alles gerade so neu und das macht mir Angst.

Alles verzerrt sich um mich herum und die Farben verschwimmen vor meinen Augen.

~Hey beruhig dich!~

Der Doktor, ich brauche echt langsam einen Namen für ihn, umgreift sanft, aber bestimmt meine Oberarme und sieht mich eindringlich an. Sofort beruhige ich mich wieder und meine Sicht wird wieder klar.

Dann fange ich an, in seinen Augen zu versinken, die mit einem zarten Eyelinerstrich betont sind. Er ist mir so nah, dass ich sehen kann, dass sie nicht nur Braun sind. Unzählige grüne und goldene Tupfer überziehen ihre Oberfläche und funkelm hell wie Sterne oder wie Katzenaugen ...

~Da bist du ja wieder!~, stellt er erfreut fest,~Wo warst du denn bloß?~

~Ich ... weiß nicht. Da war plötzlich dieser Sommertag und diese Picknickdecke und .. ein Lachen, das genauso klang wie Ihres.~
~Eine Erinnerung~, stellt er fest,~Du hast dich einfach an etwas erinnert, was gut ist, denn so ist deine Amnesie nur temporär.~

~Temporäre Amnesie?~
~Vorüber gehender Gedächtnisverlust. Zack, und plötzlich weißt du nichts mehr von deiner Familie, Freunden, deiner Heimat, Job und über dich selbst~erklärt er ernst,~Aber keine Sorge, das kommt wieder. Vielleicht nicht alles, aber viel.~

~Ok.~
~Weißt du deinen Namen?~, fragt er unvermittelt.
~Sollten Sie das nicht wissen?~

~Oh, das weiß ich auch und ich weiß noch viel mehr über dich, aber ich will dich nicht spoilern~, antwortet er mit schelmisch funkelnden Augen, wie die einer Katze,~Es ist auch vollkommen in Ordnung, wenn du es noch nicht weißt und ...~
~Alec. Ich heiße Alec.~, unterbreche ich ihn, während ich dir Stirn runzle,~Aber das ist nur eine Kurzform. Eigentlich heiße ich ...~
~Alexander. Das ist gut, sehr gut.~, sagt er und wieder strahlen seine Augen.

~Wann kann ich mich an den Rest erinnern? Ich will wissen, ob ich Familie habe, Freunde, einen Hund ...~

~Ich hasse Hunde!~, stößt er angewidert hervor und verzieht sein Gesicht dabei so witzig, dass ich nicht anders kann als zu lachen.

Doch sofort verschlimmert sich der Schmerz in meinem Kopf und ich stöhne genervt auf.

~Ich glaube, das war genug für heute~, beschließt der Doktor und steht auf,~Es wird Zeit zu schlafen. Du musst dich ausruhen.~
~Aber ich bin noch gar nicht müde.~, antworte ich, obwohl das so was von gelogen ist.

Ich könnte auf der Stelle einschlafen und das scheint er auch zu merken, denn er wechselt hastig meine Infusion und deckt mich nochmals ordentlich zu.

Dann geht er zur Tür, aber kurz bevor er verschwindet, halte ich ihn auf. Mir ist endlich ein Name eingefallen.

~Ich glaube, ich nenne Sie Doktor Katzenauge.~, murmel ich noch, bevor ich endgültig in den Schlaf abdrifte.

Malec-One ShotsWhere stories live. Discover now