Alte Bekannte Teil 4

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Er hat sich verändert.

Er scheint noch mehr in die Höhe gewachsen zu sein und ist jetzt locker 1.85. Damit ist er mehr als einen halben Kopf größer als ich.
Auch ist er viel durchtrainierter, seine Schultern sind breiter, sein Bizeps größer und unter dem engen Shirt kann man die Andeutungen eines Sixpacks erkennen.

Sein Stand ist selbstbewusster, nicht mehr ganz so zurückhaltend und unsicher wie früher. Auch seine Gesichtszüge sind markanter geworden, sodass seine Wangenknochen hervorstechen. Seine Haare sind aber noch immer ein einziges, fluffiges Durcheinander und auch seine Augen strahlen so freundlich und warm wie immer.

Gerade unterhält er sich mit einem blonden Mann, der mir wage als Andrew Underhill bekannt ist.
Aber mir ist es egal, ob ich störe, dazu ist mein Verlangen, endlich Antworten zu bekommen, zu groß.

Also tippe ich Alec kurz auf die Schulter und warte, bis er sich zu mir umgedreht hat. Sofort verschwindet sein Lächeln und auch der Ausdruck seiner Augen verhärtet sich.

Plötzlich wirkt er nicht mehr so freundlich, sondern regelrecht bedrohlich. Dennoch habe ich ein Recht auf Antworten und so räuspere ich mich, bevor ich sage~Alexander. Wie geht es dir?~
~Es ging mir gut, bis du aufgetaucht bist.~, antwortet er unterkühlt und ich zucke leicht zusammen.

Habe ich etwas falsch gemacht? Warum ist er plötzlich so unfreundlich zu mir?
So kenne ich ihn nicht.

~Ok~, meine ich und versuche, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich sein Kommentar verletzt,~Wo warst du all die Jahre, wenn ich fragen darf?~
~In Los Angeles und da hätte ich vermutlich bleiben sollen~, murmelt er nachdenklich,~Entschuldige mich.~

Mit diesen Worten lässt er mich einfach stehen und verschwindet Richtung Toiletten.

Ich verstehe die Welt nicht mehr.
Was habe ich ihm denn getan, dass er so kalt reagiert?
Also ich für meinen Teil habe mir unsere erste Begegnung nach der Highschool anders vorgestellt, zwar nicht einfacher, aber definitiv nicht so.

Mir kommt es so vor, als wäre Alec plötzlich ein Fremder. Ein Fremder, der mich nicht wirklich leiden kann und mich das auch spüren lassen will.

Das ist aber nicht der Alec, den ich kenne.
Mein Alec ist ein liebevoller Kerl, dessen größte Freude es ist, seine Mitmenschen glücklich zu machen. Er hat sich immer mehr um andere gesorgt als um sich selbst und er war immer sehr fürsorglich.

Dieser Alec ist nicht der, der mir immer die Hausaufgaben gebracht hat, wenn ich krank war oder mir stundenlang Gesellschaft geleistet hat, wenn mein Vater mal wieder Arbeiten war.

Das war nicht der, der mich mit Eis überrascht, wenn ich meine Mandeloperation hinter mir habe und mit dem ich stundenlang Serien schauen kann.

Das ist einfach nicht derjenige, mit dem man kuscheln kann und der einen zum Shoppen begleitet, obwohl er nichts mehr hasst als das.

Was ist bloß mit Alexander passiert?

Ich weiß es nicht, aber ich bin generell niemand, der so leicht aufgibt, also laufe ich ebenfalls zu den Toileten, bleibe aber im Gang stehen, um dort auf ihn zu warten.

Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnet sich die Tür und Alec kommt heraus.

Kurz sieht er mich an, bevor er den Blick stur geradeaus wendet und an mir vorbeirauschen will, aber ich stelle mich ihm in den Weg.
Man könnte das vielleicht mit einer Maus vergleichen, die sich einem Güterzug in den Weg stellt, aber zum Glück rennt Alec mich nicht um, sondern bleibt direkt vor mir stehen.

Kurz kann ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüren und eine Gänsehaut überzieht meinen Nacken.
Davon lasse ich mir aber nichts anmerken, sondern stemme stadessen die Hände in die Hüften und starre ihn eindringlich an.

~Warum bist du so zu mir?~
~Wie bin ich zu dir?~, fragt er, aber ich weiß, dass er mich nur auf die Palme bringen will, damit ich ihn ziehen lasse. Ich hasse nämlich ständige Nachfragen, aber ich schlucke einen bissigen Kommentar hinunter. Jetzt ist nicht die Zeit dafür.

~So unfreundlich und feindselig. Als hätte ich deine alte Gitarre zerstört, die du nie benutzt hast.~, antworte ich und unterdrücke ein Lächeln bei der Erinnerung.

Alecs Mom wollte immer, dass ihr Sohn ein Instrument spielte, aber Alec wollte das nie. Immer, wenn er dann zu einer seiner Gitarrenstunden ging, war er insgeheim bei mir und wir haben gemeinsam gezockt. Das waren noch Zeiten ...

~Sei nicht immer so kindisch, Magnus. Lass mich vorbei.~
~Nein. Erst, wenn du mir die Wahrheit sagst.~, antworte ich stur.

Er täuscht an, nach rechts zu gehen und will dann links an mir vorbei, aber ich bin zu geladen, um auf diesen Trick hereinzufallen, was ihn frustriert aufstöhnen lässt.

~Welche Wahrheit?~
~Warum bist du ohne ein Wort des Abschieds verschwunden? Was ist damals passiert? Was habe ich dir getan?~, frage ich vorwurfsvoll.
~Was du mir getan hast? Du hast nichts getan! Das ist es ja gerade!~, schreit er plötzlich und wieder zucke ich zusammen.

Mein Alexander hätte nie die Stimme gegen mich erhoben.
Alec war eigentlich immer ein besonnener und ruhiger Typ. Er schreit nicht.
Das hat sich wohl geändert.

~Was? Ich verstehe nicht ...~, beginne ich verwirrter als vorher, aber er unterbricht mich schon wieder.
~Genau! Du verstehst rein gar nichts! Du bist so blind, Magnus!~

Ich sehe ihn weiterhin irritiert, aber auch verletzt an.

Seine blauen Augen, die Augen, in denen ich mich stundenlang hätte verlieren können, starren mich hart, kalt und zornig an.

Einmal mehr habe ich das Gefühl, dass Alec ein Fremder für mich geworden ist. Er mag sich zwar äußerlich zum Besseren verändert haben, aber dafür hat er leider seine liebenswerten Eigenschaften eingebüßt.

Jetzt brodelt er nur so vor Zorn und unterdrückter Wut.

~Ich war in dich verliebt, Magnus. Schon bei unserer ersten Begegnung ist mein Herz zu dir geflogen, aber du hast es nicht gesehen und bist mehrmals draufgetreten~, gesteht er mir müde,~Und ich kann dich noch nicht einmal dafür hassen, konnte ich nie, werde ich nie. Ich hätte dich im Kino nicht wiedersehen sollen.~

Mit diesen Worten drängt er sich an mir vorbei und flieht förmlich aus dem Restaurant.
Ich bin zu überrascht und verwirrt, um ihn aufzuhalten.

Alexander ist in mich verliebt?

Das habe ich nie mitbekommen.
Das ist aber nicht das einzige, das mich gerade beschäftigt.

Ich hätte dich im Kino nicht wiedersehen sollen.

Heißt das, er ist mein Engel?
Es wäre plausibel, wenn ich so darüber nachdenke.

Das Gefühl von Sicherheit kam mir gleich so vertraut vor.
Ich bin ja vielleicht dumm!

Und Alec hat das die ganze Zeit mit sich mitgeschleppt?

Ich fühle mich schlecht, aber gleichzeitig wächst in mir das Bedürfnis, ihn zu finden und mit ihm zu reden. Dieses Geständnis reicht mir nicht.

Zwar kann ich mir denken, warum er verschwunden ist, aber ich muss es von ihm selbst hören. Und ich muss ihm sagen, wie wichtig er mir ist, dass ich möglicherweise ähnlich empfinde, auch wenn es mir erst jetzt aufgefallen ist.

Ich muss zu ihm!

Also renne auch ich aus dem Restaurant und bleibe mitten auf dem Gehweg stehen. Die Sonne geht gerade unter und die Laternen sind bereits an, aber sie schenken mir vorerst keine Erleuchtung.

Wo ist er hin?

Ich weiß es nicht, aber er kann noch nicht weit sein.
Ich könnte ... plötzlich habe ich doch eine Idee, als häte man die Glühbirne über meinem Kopf endlich eingeschaltet.

Ich weiß, wo er sein könnte. Also renne ich los und hoffe, dass es noch nicht zu spät ist.

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