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Mehr als erleichtert atmete ich deutlich hörbar aus, als ich sah, wer den Pfeil abgeschossen hatte und ließ mich gegen den Baum hinter mir fallen, als meine Knie wegsackten.
Luke, James und Ashton traten hinter einer Felswand nur wenige Meter vom mir entfernt hervor.
Während Ashton sich kurz wegdrehte und etwas in ein kleines Gerät sprach,
biss ich mir auf die Lippe um zu vermeiden, dass ich schon wieder anfing zu weinen und rannte auf Luke zu, um ihn zu umarmen. Aus meinem Augenwinkel bemerkte ich noch wie James und Ashton auf die drei leblosen Körper zugingen, bevor ich meinen Kopf auf Lukes Brust vergrub.
Dieser schien erst nicht so begeistert erwiderte die Umarmung dann aber vorsichtig.

„Es tut mir leid.", flüsterte ich.
„Ich weiß, Zwerg.", sprach Luke genauso leise.

So sehr ich mich dagegen wehrte, löste er sich nur kurz darauf von mir und wandte sich ebenfalls den dreien auf dem Boden zu.
Ich hingegen drehte mich zu James, der mich von sich aus in eine Umarmung zog.
„Alles ok bei dir?" Ich nickte, obwohl mir bewusst war, dass ich log, und er wischte mir die Tränen weg.

„Sind die tot?", fragte ich abfällig in Richtung der drei scheinbaren Leichen, um vom Thema abzulenken. James schüttelte den Kopf.
„Nur betäubt." Weiter Mitglieder der roten Garde kamen mit und mit langsam aus dem Wald.
„Aber das heißt, dass sie wissen, dass ich hier war. Wenn sie aufwachen, werden sie realisieren was passiert sein muss und können der Regierung Bericht erstatten.", schlussfolgerte ich leicht panisch.

James wollte ansetzen um mir zu antworten, zögerte aber dann.
„Luke?", fragend wandte James sich an den auf dem Boden Knienden.
Ashton hatte die Pfeile aus den Männern gezogen und war damit beschäftigt sie gründlich zu reinigen, leicht angeekelt von dem Blut an ihnen. Luke hingegen schien konzentriert und seine Ader funkelte deutlich sichtbar, blickte aber auf, als er seinen Namen hörte.

Ich spürte, wie James auf mich deutete.
Luke schien kurz nachzudenken, nickte aber dann mit einer undeutbaren Miene.
„Sie werden, wenn sie aufwachen nicht mal wissen, wie sie überhaupt hier hin gekommen sind.", murmelte er leise und wies auf Lukes schwarz funkelnde Ader.
Trotz James' Erklärung brauchte ich einige Sekunden um zu realisieren, was hier gerade passierte. Er benutze sein Elex. Außer mir und James schien ihm keiner vom den anderen großartige Beachtung zu schenken. Die Luft um uns herum knisterte elektrisch geladen, aber nach nur wenigen Sekunden war das Schauspiel vorbei und Luke stand wieder auf. Ich merkte deutlich, wie er jeglichen Blickkontakt mit mir vermied als er an mir vorbeiging. Er fischte einen dunklen Verband aus einer Jackentasche und begann ihn um seine Handgelenke zu wickeln.

„Na dann, machen wir uns auf den Rückweg.", versuchte James gespielt fröhlich die bedrückte Stimmung aufzuheitern.
Ich war unendlich dankbar dafür, dass mir keiner der anderen großartige Fragen stellte. Vermutlich hatte ich mich allerdings mit dieser Aktion nicht gerade auf ihre gute Seite geschlagen, weshalb sie überhaupt nicht mit mir reden wollten. Sie hätten ihren Tag wahrscheinlich lieber mit etwas anderem verbracht als mich im Wald zu suchen, weil ich mich nicht unter Kontrolle hatte. Der Rückweg verlief deutlich schneller, als ich gedacht hatte. Vielleicht lag es auch daran, dass die anderen den Weg kannten und ich hingegen stur und blind einfach in irgendeine Richtung losgelaufen war. Die Sonne war bereits kurz davor aufzugehen, als wir den Lüftungsschacht runterkletterten.

Die Gänge waren zum Glück wieder leer. Als ich mich von James verabschieden wollte, der mir den ganzen Weg über nicht von der Seite gewichen war, und zu meinem Zimmer gehen wollte, ließ Luke, der bisher mit Ashton vor gegangen war, sich zu uns zurückfallen und zog mich am Handgelenk mit zu den Räumen der roten Garde.
Ich hielt kurz die Luft an sagte aber nichts, sondern ließ mich einfach nur mitziehen. Für die nächste Zeit hatte ich erstmal genug Chaos gestiftet.

Die meisten ließen sich erschöpft im Besprechungsraum fallen, zögerlich über was ich tun sollte folgte ich Luke, der den Gang mit den Zimmern und kurz darauf sein eigenes Zimmer betrat.

Etwas unbehaglich und verloren blieb ich im Türrahmen stehen und beobachtete, wie Luke seinen Rucksack in die Ecke schleuderte.
„Mach die Tür zu.", wies er mich an ohne sich umzudrehen.
„Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?", er ließ sich auf sein Bett fallen und fuhr sich genervt durch die Haare.
Ich blickte auf den Boden. Ich hatte gehofft, dass mir Fragen noch einige Zeit erspart blieben.
Darüber bewusst, dass egal was ich sagen würde, es keine richtige Antwort gab, zuckte ich zunächst nur mit den Schultern.
„Nichts?", gab ich zu und blickte wieder vom Boden auf.
Er musterte mich kurz kalt.

„Wenn du duschen willst.", er deutete auf die hinterer Tür. „Ich leg dir Sachen hin." Das ließ ich ihn nicht zweimal sagen und verschwand dankbar im Badezimmer.

Das Wasser tat unglaublich gut und wirkte nahezu hypnotisierend, wie es auf meine Haut prasselte. Viel zu lange stand ich einfach nur da ohne mich zu bewegen.
Ich war in diesem Moment einfach nur glücklich.
Ich schlüpfe in die Trainingshose und den Pullover den Luke mir gegeben hatte und trat wieder in sein Zimmer.

Er schien in der Zwischenzeit auch irgendwo geduscht zu haben, das seine Haare nass waren.
Er hatte nur eine Jogginghose an und lag, auf einem kleinen Gerät etwas tippend, auf seinem Bett.

Als er mich jedoch bemerkte, legte er es beiseite.
„Training fällt heute erstmal aus. Vielleicht machen wir heute Abend noch was." Ich nickte mehr als begeistert und versuchte währenddessen ein Gähnen zu unterdrücken, was mir aber laut Lukes Gesichtsausdruck anscheinend misslang. Er stand auf und setzte sich an seinen Schreibtisch.

„Versuch was zu schlafen. Wirst du brauchen, wenn ich mir überlege dich doch noch umzubringen.", er grinste, doch ich merkte, dass es keine ehrliches Grinsen war. Normalerweise schien es belustigt, schadenfroh und leicht ironisch, doch jetzt wirkt es eher wie eine aufgesetzte Maske, die er nutze um entspannt zu wirken. Sein angespannter Kiefer aber verrieten ihn unter anderem. Ich lächelte leicht zurück, während ich mir die Decke unters Kinn zog.

„Luke?", er zog eine Augenbraue hoch.
„Danke.", sagte ich leise. Es entstand eine kurze Pause und er blickte für einen Moment auf den Boden.
„Mach das nie wieder." Ich runzelte sichtbar die Stirn. „Was?"
„Dich bei mir zu bedanken."

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