Kapitel 12

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Sams Sicht

Es war gar nicht so schwer wie gedacht, Nettigkeit vorzugaukeln. Der Typ war etwas weniger anstrengend, wenn man freiwillig mit ihm redete, anstatt ihn zu ignorieren. Er würde ja nur doch wieder ewig rumnörgeln.

Die Zeit bis zum Mittag verging schnell, da ich Dan helfen musste ein paar Angelegenheit zu klären. „Brandon kommt gleich vorbei, hab' ihm gesagt, er soll uns 'was zu essen mitnehmen. Selbst dein Vater hat nach einer Pizza verlangt." Er warf mir einen vielsagenden Blick zu. „Aha", sagte ich misstrauisch, „Was hat den denn dazu gebracht? Und meinte er nicht, er will für ein paar Tage weg?" Dan zuckte ahnungslos die Schultern. „Pfft, ich kennen deinen Vater schon Ewigkeiten und trotzdem kann ich dir immer noch nicht sagen, was in dem Mann vorgeht. Ein ewiges Mysterium."

Meinen Vater richtig zu kennen, war tatsächlich unmöglich. Die meiste Zeit des Tages war er irgendwohin verschwunden. Ich wollte gar nicht wissen, in was er ohne mein Wissen alles verstrickt war. „Und was will Brandon schon wieder hier? Lass mich raten, der Kerl hat wieder Geldprobleme und erwartet, dass wir ihm helfen, wenn er uns dafür 'ne Pizza mitbringt." Ich konnte den Typen nicht ab. Eine ekelhafte Gossengestalt, die sich nur aus seinem Pizzaladenkaff heraus traute, wenn er irgendwo die Chance auf Geld witterte.

Für meinen bissigen Kommentar erhielt ich einen Klaps an den Hinterkopf von Dan. „Ey, hüte deine Zunge. Brandon mag ein schmieriger Kerl sein, aber er ist immer noch einer von uns klar?"

Mit „einer von uns" meinte Dan, dass er zu den wenigen Leuten gehörte, denen wir vertrauen konnten und im Ernstfall um Rat fragen konnten. Mein Vater hatte es sich in letzter Zeit mit vielen seiner Verbündeten verscherzt, was nicht gerade gut für uns war. Aber zum Glück waren wir noch nie in einen Ernstfall geraten, in dem wir auf Hilfe angewiesen waren. „Ja ja, mag sein." Brandons einziger Vorzug war, dass er ziemlich gut im Erstellen von Fake-IDs war. Aber die konnte man heutzutage fast an jeder Ecke bekommen. Zugegeben, Brandon war wirklich gut darin - trotzdem linderte das meine Ablehnung gegen ihn nicht.

„Halli Hallo, hat hier jemand Hunger?", hörte ich die furchtbar nervige Stimme von dem klappernden Roller, der uns entgegen kam, rufen. „Na endlich, wir sterben vor Hunger!" Dan lief eilig auf ihn zu und entriss ihm sogleich die Pizzakartons. Wenn es um Essen ging, wurde er oft etwas ausartend.

Mich bedachte Brandon nur mit einem ehrfürchtigen Blick und murmelte eine kurze Begrüßung, die ich mit einem schlichten Kopfnicken erwiderte. Der Kerl war vielleicht zwei oder drei Jahre älter als ich, doch jedes Mal, wenn er mich sah, hatte ich das Gefühl, er würde sich gleich in die Hosen machen. Eigentlich begründet, da ich kein Geheimnis aus meiner Abneigung gegen ihn machte und sein Körperbau deutlich schmächtiger war als meiner. An seinem abgemagerten Körper hingen lediglich vier dünne Stöcker, die seine Arme und Beine darstellen sollten.

„Brady, mein Freund, lang ist her!", hörte ich meinen Vater sagen. Er war also tatsächlich aus seinem Versteck gekrochen. Erfreut kam er angelaufen und zog Brandon in eine grobe Umarmung. Als er ihm freundschaftlich auf den Rücken klopfte, dachte ich, er würde gleich zusammenklappen. „Eigentlich heiße ich Brandon", murmelte er scheu, mein Vater bekam davon aber schon gar nichts mehr mit, da er bereits hinter Dan herlief, der die Pizza nach drinnen brachte.

„Ey, Sammy." Ich hasste diesen Namen und das wusste Dan ganz genau. Genervt blickte ich zu ihm herüber. Er deutete auf die goldene Uhr an seinem Handgelenk. „Hast'e nicht was vergessen?" Ah ja, ich musste ja noch füttern. Schnell langte ich nach dem letzten Pizzastück und verschwand um Verband, Salbe und Essen zu holen.

Bei der Zelle angekommen stopfte ich mir das Pizzastück in den Mund, um eine Hand für den Scanner frei zu haben.
Da mein Mund voll war stellte ich die Sachen schweigend auf dem Tisch ab, um dann mein Pizzastück ordentlich essen zu können.

„Das ist nicht dein scheiß Ernst", wurde ich angefahren. Was hatte der denn jetzt? „Ich muss diese widerliche Pampe essen und dir fällt nichts anderes ein, als direkt vor meinen Augen eine verdammte Pizza zu essen?!" Ich kaute genüsslich zu Ende, um ihm dann antworten zu können: „Ich kann dir auch gar nichts mehr zu essen bringen, wenn die Pampe so widerlich ist." Darauf hatte er anscheinend mal nichts zu entgegnen.

Ich wischte mir die fettigen Hände an der Hose ab, um als nächstes nach dem Verband und der Salbe zu greifen. Ich setzte mich zu ihm auf die Liege und forderte ihn auf, mir seine Hand zu reichen. „Ich schaff' das schon allein", motzte er, allerdings mit wenig Überzeugung in der Stimme. „Oh ja ja, klar", murmelte ich sarkastisch und fing damit an, ihm den Verband abzuwickeln.
Seine Hand sah nicht mehr ganz so verkratzt aus, doch dafür war sie jetzt angeschwollen. Leise fluchte er. „Hättest du deine Hand nicht gegen die Wand gerammt, wäre das jetzt alles nicht", sagte ich gleichgültig. Als ich anfangen wollte die Salbe zu verteilen, fand er seine Stimme wieder und motzte erneut herum: „Ich schaffe das auch echt allein, ok?! Also gib schon her!" Unwirsch entriss er mir die Tube. Hastig verteilte er die Salbe und nahm mir dann auch noch den Verband ab. Belustigt sah ich seinem erbärmlichen Versuch zu, sich selbst den Arm zu verbinden. Als ich ihm den Verband abnahm wurde ich wieder angefahren: „Ich habe gesa-" „Jaja du schaffst das und so. Sieht man ja. Jetzt halt dicht und lass mich den verdammten Verband umlegen." Er grummelte noch ein wenig weiter verärgert vor sich her, ließ mich jedoch endlich den verdammten Verband anlegen.

„Wieso muss ich deine gebrauchten Klamotten anziehen, aber um einen Verband zu kaufen, fährst du extra in die Stadt?" Er schien sich wieder einigermaßen beruhigt zu haben. „Also erstens, bin ich nicht extra für den Verband in die Stadt gefahren und zweitens, hat mein Vater angeordnet, so wenig wie möglich für dich zu bezahlen. Er weiß nicht von dem Verband, geschweige denn von deiner Verletzung." „Aww, wie süß du bist. Du verarztest mich heimlich." Sein verdammtes Grinsen reichte über sein ganzes Gesicht.

„Oh und du hast das wahrscheinlich gerade gar nicht mitbekommen. So nett wie ich bin, weise ich dich aber darauf hin. Du hast mir gerade erzählt, dass dein Vater an der Entführung beteiligt ist. Ich schätze ja immer noch, es ist der Typ mit der Kamera von letztens." Entgeistert starrte ich ihn an. Hatte ich das echt getan? War ich so leichtsinnig gewesen? Innerlich verpasste ich mir mehr als eine Ohrfeige dafür. Er wusste schon viel zu viel über uns.

Fill me with poisonTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang