Kapitel 14

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Sams Sicht

Ich war auf 180. Die verdammte Göre war zu weit gegangen. Was erlaubt der sich, einfach über meine Familie zu urteilen, der hatte doch gar keine Ahnung! Ich hatte so dermaßen keine Lust mehr, weiter auf freundlich zu tun - sollte der sich doch meinetwegen aus seiner Einsamkeit ein Grab schaufeln.
Der Schlag hatte so gutgetan, endlich konnte ich meine Wut mal rauslassen. Und er hatte ihn ja wohl auch mehr als verdient. Außerdem hatte ich mich schon viel zu lange nicht mehr geprügelt. Als ich ihn dann an die Wand gedrückt hatte und die Oberhand hatte, fühlte es sich endlich so an, als hätte ich mal wieder die Kontrolle.
Als er dann so dicht vor mir war und mein Gesicht gemustert hatte, kam da noch ein anderes Gefühl in mir auf, aber ich war zu aufgebracht, um darüber nachzudenken.

„Oh nein, halt stopp junger Mann!" Dan hielt mich mit einem seiner kräftigen Armen davon ab, das Gebäude zu verlassen. „Du bleibst schön hier. Schon vergessen? Wir wollten heut' zusammen was trinken." Nicht der Scheiß schon wieder. Zugegeben, eigentlich fand ich unsere gelegentlichen Trinkrunden immer ziemlich amüsant, weil wir jedes Mal aufs Neue versuchten, den jeweils anderen abzufüllen. Aber jetzt war ich nun wirklich nicht in Stimmung. „Sorry Mann, nicht heute. Bin nicht in Stimmung", zischte ich.

Seufzend zog er eine Augenbraue hoch. „Wie schlimm hast du ihn zugerichtet? Bitte sag mir, dass er noch einigermaßen ansehnlich aussieht." Verwirrt sah ich ihn an. Woher wollte er denn wissen, dass ich ihm eine reingehauen hatte? Meine Frage schien mir ins Gesicht geschrieben zu stehen. „Alter, dein Gesicht...Schonmal wieder in den Spiegel gesehen? Er hat dich nicht verfehlt und so wie ich dich kenne, wirst du zurückgeschlagen haben." Sein vorwurfsvoller Ton entging mir nicht, da kam der Vaterinstinkt bei ihm durch - wenn es so etwas überhaupt gab.

Ich zog mein Handy aus der Tasche und öffnete die Innenkamera. Etwas schockiert musste ich feststellen, dass sein Schlag, den ich gar nicht so schwer in Erinnerung hatte, doch leichte Spuren hinterlassen hatte. „Mistkerl", zischte ich leise. Den Arm, mit dem Dan mich zurückgehalten hatte, legte er nun an meinen Rücken und schob mich in einen der spärlich beleuchteten Räume. „Mit Wut lässt es sich doch umso besser trinken." Grinsend drückte er mir ein Glas in die Hand, welches er direkt mit Bourbon füllte. Unser beider Lieblingsgetränk.

Na gut, dann würde ich halt doch den Abend mit ihm verbringen, viele Alternativen gab es eh nicht. Wir prosteten uns zu und leerten unsere Gläser prompt. Ich liebte dieses Brennen in der Kehle. Und der nächste hinterher. Und noch einer.
Dan hatte recht, mit Wut ließ es sich fabelhaft trinken.

Als ich am nächsten Morgen langsam wach wurde, war mir eins sofort bewusst: ich hatte einen Kater. Und zwar keinen leichten.
Verdammt, wie konnte das passieren? Ich bekam sonst nie, wirklich nie, einen. Und das, obwohl die Mengen an Alkohol, die Dan und ich uns reinkippten, alles andere als human waren. Zum Glück waren wir in diesem ekelhaft stinkenden Raum geblieben, hier war es nicht so hell. Moment mal, hatte der gestern auch so gestunken? Ich versuchte aufzustehen, was allerdings eher damit endete, dass ich vom Sofa fiel. Als ich dann erneut versuchte, aufzustehen und mich auf dem Boden abstützte, fassten meine Hände in etwas nasses. Zuerst dachte ich, wir hätten ein Getränk verschüttet, aber als sich meine Sinne auch mal wieder bereit erklärten, mitzuarbeiten, wurde mir bewusst, was es wirklich war. Fluchend rappelte ich mich auf und wischte die Kotze angewidert von meinen Händen ab. Gotteswillen, was hatten wir getan? So weit war es seit Ewigkeiten nicht bei uns gekommen.
Dan schlief noch tief und fest. Zwar auf dem Boden, aber ich vermied es trotzdem, ihn zu wecken, das würde nur wieder Ärger geben.

Murrend durchwühlte ich den Schrank im kleinen Bad und fand schließlich eine Schmerztablette. Gierig schluckte ich sie und trank Massen an Wasser aus dem Hahn.
Ich war so froh, wenn diese beschissene Entführung endlich ein Ende hatte und wir uns wieder eine menschenfreundlichere Bleibe suchen konnten. Das hier war zum Kotzen.

Nach einer eiskalten Dusche und einem leichten Frühstück sah die Welt schon ein ganz kleines bisschen besser aus. Zumindest bis mein Blick in den Spiegel fiel und ein großer blauer Fleck in meinem Gesicht mich darauf hinwies, dass ich noch wen zu füttern hatte. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es bereits halb eins war. Der Ärmste, da hatte er einfach kein Frühstück bekommen.
Gemächlich machte ich mich auf dem Weg zu ihm. Sollte er doch ruhig noch ein wenig warten.


Das Erste, was ich sah, als ich den kleinen Raum betrat, war sein nackter Rücken. Er hatte offenbar gerade geduscht, denn ihm liefen noch Wassertropfen aus den Haaren.

Gerade wollte er sich das Handtuch um seine Hüften abnehmen, als ich ihm mit einem kurzen Räuspern informierte, dass er nicht mehr allein war. Erschrocken drehte er sich um und hielt dabei krampfhaft das Handtuch fest. Shit, sein Bauch war geziert von einem riesigen blauen Fleck. Er hatte ihn verdient, rief ich mir ins Gedächtnis. Doch auch der Fleck verbarg nicht, dass er einen ziemlich guten Körper hatte. Naja, natürlich nicht so gut wie meiner. „Willst du mich noch länger bewundern?" Sein schelmisches Grinsen bewies mir, dass er rein gar nichts von gestern gelernt hatte.
„Ich hoffe doch wohl sehr, dass du heute bessere Laune hast." Nein, er schien tatsächlich nichts gelernt zu haben.

Er machte mich verrückt. Wie konnte eine einzige Person mich so auf die Palme bringen? Das schaffte sonst nicht einmal Brandon. Diese verwöhnte Göre hatte wirklich gar keinen Respekt vor mir und hören tat er auch nicht. Da war er einer der wenigen...eigentlich bewundernswert...Nein! Ich bewunderte den garantiert nicht.

„Darf ich erfahren, warum ich heute Morgen hungern musste?" Während er sprach knotete er sich das Handtuch fester um und griff nun nach meinem Pullover. Was war bloß falsch mit ihm, dass er den immer trug? Es war doch viel zu warm hier drinnen.

„Nun, wenn du wieder mit deinem Schweigen anfängst, geh bitte einfach wieder, damit ich mich umziehen kann. Es sei denn natürlich, du möchtest meinen Körper noch mehr bewundern." Wie so oft hatte er dieses Grinsen im Gesicht, das ich so sehr hasste. Zum Verrücktwerden!

„Wenn ich einen Körper bewundern will, sehe ich in den Spiegel." Hilfe, langsam klang ich ja schon fast wie der. Das war ihm anscheinend auch aufgefallen, denn er zog eine beeindruckte Grimasse. ,,So so...meinen Sarkasmus findest du also nervig, ja?" Bis auf ein genervtes Augenrollen ging ich gar nicht erst darauf ein, sondern kam zurück, zu seiner ursprünglichen Frage: ,,Das wird dich jetzt sicher besänftigen, weil es dir einen Grund gibt, dich über mich lustig zu machen, aber weil ich heute bessere Laune habe, erzähle ich's dir trotzdem. Ich habe den ganzen Morgen meinen Rausch ausgeschlafen und hatte trotzdem einen Kater, daher kein Frühstück für dich."

Es schien ihm schwer zu fallen, seine Entzückung zu verbergen. ,,Darauf fallen mir tatsächlich ziemlich viele gute Erwiderungen ein. Ich verkneife mir mal die ganz fiesen - ich habe nämlich auch ganz gute Laune", gab er sich großzügig.

„Du besäufst dich also abends allein, nachdem du von deiner Geisel verprügelt wurdest?" ,,Erstmal, hatte ich das gestern ein wenig anders in Erinnerung", ich deutete auf seinen blauen Fleck, „wie erklärst du dir sonst das? Und außerdem habe ich auch Freunde." Er besaß tatsächlich den Mut, als Antwort zu lachen. ,,Ach ja? Freunde...die Mehrzahl? Lass mich raten, der Freund gestern war der andere, der manchmal herkommt?" Mir fiel nicht schnell genug eine gute Erwiderung ein und so grinste er mich wissend an. Idiot.

Fill me with poisonWhere stories live. Discover now