Kapitel 24

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Sams Sicht

Ich könnte sterben. Jetzt auf der Stelle. Seine Lippen fühlten sich genauso wunderbar an, wie beim letzten Mal. Ich war mir sicher, niemals vergessen zu können, wie es sich anfühlte ihn zu küssen. Es war wie ein Brennen, nein, ein ganzes Feuerwerk, das sich von unseren Lippen aus durch meinen gesamten Körper zog.

Seine Hände hatten sich um mich geschlungen, während meine eine Hand durch seine Haare fuhr. Auf einmal rutschte er auf meinen Schoß und mir entfuhr ein überraschtes Keuchen. Meine andere Hand strich über seinen nackten Rücken. Ich war mehr als froh, dass er nicht dazu gekommen war, sein T-Shirt wieder anzuziehen. Der Kuss wurde immer stürmischer, ich brauchte nur ganz leicht mit der Zunge über seine Lippen fahren und sofort öffnete er sie für mich. Rastlos fuhren meine Hände weiter über seinen Rücken und durch seine Haare, während er sich immer näher an mich heran presste.

Menschen sprachen oft von diesen Momenten, in denen die Zeit stillstand. Wenn sie etwas Wunderschönes, geradezu atemberaubendes, sahen oder erlebten. Oftmals meinten sie einen Sonnenaufgang, was ich nie verstanden hatte. Der Himmel verfärbte sich jeden Tag aufs Neue, irgendwann war das nun wirklich nichts Besonderes mehr. Doch jetzt verstand ich sie. Gilles war mein Sonnenaufgang und ich war mir sicher, dass ich nie müde davon werden würde, ihn zu küssen.

Trotzdem mussten wir uns irgendwann voneinander lösen, weil wir beide keine Luft mehr bekamen. Schwer atmend öffnete ich die Augen. Eine ganze Zeit lang sahen wir uns nur in die Augen, das Einzige, was man hörte, war unser Atem. Das Blau in seinen Augen schien zu glitzern. Er sah so schön aus. Ganz langsam stahl sich ein Grinsen auf sein Gesicht und ich konnte gar nicht anders, als ihn anzulächeln.

Ich. Lächelte. Ihn. An.

Es war, als würden meine Mundwinkel von einer höheren Macht nach oben gezogen werden, ich konnte nichts dagegen tun.

,,Wir sind schon ziemlich verkorkst hmm?", lachte er. Ich schüttelte den Kopf. ,,Halt die Klappe und küss mich lieber nochmal." Das ließ er sich nicht zweimal sagen.

Der Kuss wurde nicht so wild, wie die beiden bisherigen. Der hier war ruhiger und ... gefühlvoller. Das Feuerwerk war verschwunden und stattdessen kribbelte meine Haut wie verrückt unter seinen Berührungen. Viel zu schnell löste er unsere Lippen wieder voneinander und lehnte stattdessen seine Stirn gegen meine.

,,Das fällt jetzt definitiv nicht unter Albtraum." Schmunzelt fuhr er durch meine Haare. ,,Nein", antwortete ich , ,,so würde ich es auch nicht nennen." In diesem Moment gab es nur uns beide. Wir dachten nicht an die Welt um uns herum. Die einzigen Menschen auf der Welt waren wir. Gilles lächelte und mein Herz machte erneut einen Satz - in letzter Zeit tat er das nämlich ziemlich selten.

Schweigend blieb er auf meinem Schoß sitzen, keiner von uns sagte ein Wort. Wir hielten uns einfach nur fest und versuchten, den Moment hinauszuzögern, in dem wir uns mit der Wirklichkeit konfrontieren mussten. Doch nicht jetzt, jetzt wollte ich, dass er einfach genauso sitzen blieb und sich weiter an mich drückte. Mein Atem hatte sich wieder beruhigt, aber mein Herz schlug noch immer schneller. Ich fuhr leicht mit meiner Hand über seinen nackten Rücken und stellte zufrieden fest, wie er eine Gänsehaut bekam.

Doch natürlich konnten wir diese Blase nicht für immer aufrecht halten und so musste ich ihn irgendwann widerstrebend etwas zurückschieben, damit ich mit ihm sprechen konnte: ,,Ich muss gehen. Ansonsten platzt Dan hier gleich rein, weil er denkt, ich würde dir den Kopf abhacken." Als wenn ich das jemals tun könnte. Gilles erwiderte zwar mit einem okay, blieb aber, wo er war. ,,Es tut mir leid", vorsichtig schob ich ihn weg, ,,ich muss wirklich gehen. Ich komm nachher wieder, das weißt du doch." Seufzend stand er auf und zog sich nun doch das Shirt über, welches vorhin auf dem Boden gelandet war.

Etwas unschlüssig stand ich ebenfalls auf. Was sollte ich jetzt tun? Ihn nochmal küssen? Einfach gehen? Beide Optionen schienen mir nicht richtig. Gilles blieb ebenfalls etwas unbeholfen stehen. Ich griff nach seinem leeren Teller und der leeren Flasche und steuerte dann auf die Tür zu, drehte mich aber, bevor ich den Raum verließ, noch einmal um. ,,Bis dann." Wow, welch eine Glanzleistung. Von all den möglichen Optionen hatte ich mir definitiv die beste ausgesucht. Aber Gilles erwiderte ebenfalls nur mit diesen beiden Worten.

Ich fühlte mich, als würde ich durch die Tür nicht nur hinaus auf den Flur gehen, sondern auch wieder hinaus in die reale Welt. Eine Welt, in der mir deutlich bewusst war, dass ich einen großen Fehler gemacht hatte - wieder mal. Statt wieder wegzulaufen, blieb ich ein paar Minuten einfach auf der Stelle stehen und tat nichts, außer zu atmen.

Wie sollte das bloß weitergehen? So jedenfalls konnten wir nicht weitermachen. Das ging doch nicht, er und ich. Aber warum eigentlich nicht? Ein bisschen küssen störte doch niemanden, wir führten schließlich keine Beiziehung oder so etwas. Und solange ich aufpasste, dass Dan nicht mittendrin reinplatzte, weil ich zu lange weggewesen war, würde es ja auch niemand mitbekommen. Und wenn es niemand außer uns mitbekam, war es, als würde es gar nicht passieren. Außerdem würden Gilles Eltern sicherlich bald das Lösegeld zahlen, dann wäre er eh für immer aus meinem Leben verschwunden und es würde keine Rolle mehr spielen. Also konnte ich es jetzt auch genauso gut noch ausnutzen, dass er da war.

Es waren ja schließlich keine Gefühle involviert.


Fill me with poisonWhere stories live. Discover now