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„Du bist mir vielleicht eine."

Lilly grinste und fuhr mir durch die Haarstoppeln.

Ich zuckte mit den Schultern.

„Du hast eben immer recht", sagte ich.

„Manchmal wünschte ich, es wäre nicht so", grummelte Lilly und ging in den Flur, um die Tür aufzumachen.

Sie hatte Sophie eingeladen, damit wir meinen letzten Tag in London zusammen verbringen konnten.

Die Zwillinge hatten sich vor einer halben Stunde in ihrem Zimmer verbarrikadiert, um sich hübsch zu machen.

Lilly hatte nur die Augen verdreht und ihnen damit gedroht, dass sie danach selbst aufräumen müssten.

Dass das weder Lina noch Lena groß interessieren würde, hätte sie sich auch denken können.

Ich atmete tief durch, um die Tränen gar nicht erst zu provozieren, und umarmte Sophie, die eine Flasche Wein in der Hand hielt.

„Zur Alkoholikerin wollt ihr mich vor meiner Abreise also auch noch machen", grinste ich.

„Wir trinken den auch ohne dich", sagte Lilly schulterzuckend.

„Kommt gar nicht in die Tüte", sagte ich und griff nach der Flasche, um sie sicherzustellen.

„Und du lässt Lilly mit den Zwillingen also hier alleine", sagte Sophie und lehnte sich an den Kühlschrank.

„Sie hat doch dich."

Lilly lachte auf.

„Wenn sie das nicht den ganzen Tag sagen könnte, würde sie wahrscheinlich doch hierbleiben", sagte sie.

„Es ist auch so schon schwer genug. Von der perfekten Familie - mehr oder weniger perfekt - ziehe ich einfach mal zum Albtraum einer Mutter", seufzte ich.

„Du bist immer noch selbst dran schuld und daran wird sich bis morgen auch nichts mehr ändern", stellte Lilly klar und pikste Sophie in die Seite, um sie vom Kühlschrank zu verscheuchen.

„So schlimm wird es nicht sein", versuchte ich, mich selbst zu beruhigen.

Lilly und sogar Sophie zogen die Augenbrauen hoch.

„Es wird eine Katastrophe und das wissen wir beide", sagte Lilly. „Aber das soll dich nicht daran hindern, dein Leben zu leben."

Sie grinste schief und legte ihren Kopf auf Sophies Schulter.

„In einer Woche stehe ich sowieso wieder vor der Tür und hoffe, dass du mich wieder aufnimmst", sagte ich und verdrehte die Augen.

Sophie lachte.

„Und ich hatte gehofft, dass ich hier irgendwann einziehen kann. Nachdem ich aus Italien zurück bin", sagte sie.

Ich erstarrte.

„Was machst du denn in Italien?"

Lilly drehte sich schnell wieder zum Kühlschrank.

„Ich fahre mit meinen Geschwistern jedes Jahr für zwei Monate nach Rom, um meine Eltern zu besuchen. Die haben so ein altes, baufälliges Haus, und wir schauen immer, dass ihnen das Dach noch nicht auf den Kopf gefallen ist", grinste Sophie.

„Ich bleibe hier", sagte ich.

„Du hast deinen Flug schon bezahlt und die Wohnung gemietet. Von dem Geld bekommst du eh nichts mehr zurück. Außerdem habe ich dir doch gesagt, dass ich jetzt arbeiten gehe", meinte Lilly.

„Es ist doch viel einfacher, wenn wir alle zusammen wohnen und nicht doppelt Miete bezahlen müssen", sagte ich.

Lilly schloss den Kühlschrank, leise und bedacht, und sah mich für eine Weile nur stumm an.

„Das ist dein Leben, Anna. Hör auf, für andere mitzuleben. Solange du uns nicht vergisst, klappt das. Es wird Zeit, dass du mal an dich selbst denkst."

paparazziWhere stories live. Discover now