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„Lass deine Kamera hier", sagte Jules.

Ich zog die Augenbrauen hoch.

„Komm schon. Ich verspreche dir, dass du es nicht bereuen wirst."

„Mir ist egal, was du heute geplant hast, aber ich lasse garantiert nicht meine Kamera hier."

„Dann darfst du später nicht jammern, wenn du sie verlierst", sagte Jules.

Seufzend brachte ich die Kamera zurück in unsere Wohnung.

Als ich zurückkam, grinste Jules mich an.

„Machen wir heute Bungee Jumping oder was ist dein wilder Plan?", fragte ich.

„Ich habe heute gar keinen Plan", sagte Jules und fuhr los.

„Jules. Du hast schon viel zu viel für mich gemacht. Du bist verdammt nochmal mit mir nach New York geflogen, weil ich meinen Kopf nicht unter Kontrolle habe. Ich stehe schon so für immer in deiner Schuld."

War es das, was mir solche Magenschmerzen bereitete?

Normalerweise war ich es, die anderen einen Gefallen tat, einfach mal so.

Immer wieder.

Aber Jules war inzwischen dazu übergegangen, mich zu verwöhnen wie ein kleines Kind.

Und ich würde ihr nie im Leben alles zurückgeben können, nicht, wenn ich weiter an ihrer Seite arbeiten und das Geld mit ihr teilen würde.

Eher würde ich Harrys private Fotografin werden müssen.

Ich blinzelte.

„Wenn man vom Teufel spricht", murmelte ich.

Jules, die mein Gemurmel nicht verstanden haben konnte, drehte sich strahlend zu mir.

„Es war seine Idee. Nicht meine. Du stehst bei mir also gar nicht in irgendeiner Schuld", sagte sie und kletterte geschickt aus dem Auto.

Ich schloss die Augen, um gegen den Schrei anzukämpfen, der sich in meiner Lunge gebildet hatte.

Sah sie es denn gar nicht?

Was für Probleme es mir bereitete, so viel von ihr zu bekommen?

„Herzlichen Glückwunsch", sagte Harry und drückte mich an sich, als ich endlich aus dem Auto gestolpert war.

„Danke", sagte ich und zog meine Mütze etwas tiefer.

„Ich konnte sie nur dazu überreden, die Kamera wegzulassen. Ich weiß noch nicht mal, ob sie schickere Klamotten hat", meinte Jules entschuldigend.

Unwillkürlich wanderte mein Blick nach unten.

Meine dicken Stiefel hatte ich nicht angezogen, weil sie nach unserem Ausflug in den Zoo schlammverkrustet waren, dafür hatte ich Lillys Sportschuhe geklaut.

Mein restliches Outfit war so wie immer: Leggins und Windjacke.

„Mit Kamera wärst du wahrscheinlich sowieso nicht reingekommen. Das mögen die hier gar nicht", sagte Harry.

Erst in diesem Moment realisierte ich, wo wir waren.

Harry nickte zur Tür.

Die Musik hatte schon lange mein Trommelfell zum Bersten gebracht, und ich war froh, dass er sich ohne Worte zu verständigen wusste.

Auf dem kleinen Hof standen nur wenige Silhouetten, einige mit glühenden Zigaretten in der Hand.

„Tu dir keinen Zwang an", sagte Harry, als er sah, wie die Stummel meinen Blick nahezu magnetisch anzogen.

Ich schüttelte den Kopf.

„Ich sollte sowieso damit aufhören", sagte ich.

Harrys Grinsen verriet, dass er diese Lüge so leicht durchschaute wie ich selbst.

„Ich mag dich", sagte er.

Ich zog die Augenbrauen hoch.

„Ganz im Ernst. Und deine Bilder sind auch echt gut. Und ich will mich bei dir bedanken. Du hast mir gegenüber Paparazzi die Augen geöffnet. Irgendwie."

„Freut mich", sagte ich und kickte einen Stummel in eine andere Ecke.

Ich musste hier weg.

Er öffnete den Mund, doch bevor er mehr sagen konnte, ergriff ich seine Hand und schüttelte sie.

„War schön, dich kennengelernt zu haben, Harry. Mein Leben ist immer noch haargenau so wie vorher. Nicht. Vielleicht werde ich auswandern. Also ... Ich nehme einfach mal an, dass wir uns nie wieder sehen werden. Weil du mir auch die Augen geöffnet hast. Paparazza ist nichts für mich. Viel Spaß noch mit meiner Konkurrenz", sagte ich.

Und ohne zurückzublicken drängte ich mich durch die Massen, bis ich wieder draußen stand.

paparazziWhere stories live. Discover now