36

1.9K 98 27
                                    

„Nenne mir einen Grund. Einen Grund, wieso du das getan hast."

Selbst mit ihren langen Beinen konnte Jules nicht mit mir mithalten.

Jedes Mal, wenn sie aufschloss, ging ich noch einen Schritt schneller, bis ich beinahe rannte.

„Du gehst kaputt ohne ihn. Merkst du das nicht? Merkst du nicht, wie du langsam wahnsinnig wirst? Und das alles nur, weil du einmal mit ihm geredet hast."

Ich blieb abrupt stehen.

„Du siehst Gespenster, Jules. Ja, ich habe Dinge überhört, die ich nie wissen wollte. Ja, ich werde ihn nie wieder so sehen können wie zuvor. Ich werde auch nie wieder Fotos von ihm machen oder veröffentlichen. Aber ich bin darüber hinweg. Natürlich hat das mein Leben verändert. Ich bin keine gute Paparazza mehr, und das nur wegen ihm. Aber das heißt nicht, dass ich ihn gleich heiraten werde. Er ist viel zu berühmt. Und wir haben ja gesehen, wohin das führt."

„Immer, wenn ich mit ihm schreibe, fragt er nur nach dir. Er redet nicht darüber, wie es ihm geht, fragt nicht, wie mein Tag war, er will nur wissen, was mit dir ist. Er ist vollkommen verknallt in dich, und wenn du das nicht siehst, dann bist du echt blind", sagte Jules und griff mich am Arm, damit ich sie ansah.

„Er ist nicht verknallt. Er ist besessen von der Idee, dass ich ihm hinterhergerannt bin, als ich ihn nicht gekannt habe, und damit aufgehört habe, als ich ihn an der Themse mit seiner Schwester getroffen habe. Er versteht mich nicht. Und das ist vielleicht auch besser so", sagte ich und war selbst erstaunt darüber, wie ruhig ich blieb.

Weil es einfach die Wahrheit war.

„Versuche es doch wenigstens", meinte Jules und versuchte sich an dem Hundeblick, welchen sie sonst immer mir zuschrieb.

„Wieso? Wieso, wenn es doch jetzt schon zum Scheitern verurteilt wäre? Willst du es einfach sehen? Das hier ist nicht mehr die heile Welt, in der du lebst, es ist sie nie gewesen!"

Ich atmete tief durch und schloss die Augen.

Der Regen hatte nicht nachgelassen, war eher noch stärker geworden, und trommelte unerlässlich auf mein Gesicht.

„Es tut mir leid. Okay? Vielleicht ist was dran an deiner Theorie, vielleicht sind wir beide Hals über Kopf ineinander verliebt. Aber ich habe keine Lust, so zu enden wie meine Mutter. Bitte verschwende deine Energie nicht an mir, ich bin es nicht wert", sagte ich, lächelte ihr zu und befreite mich dann aus ihrem Griff, um durch den Regen wieder zu unserer Pension zu laufen.

Mir war egal, wie lange es dauern würde, egal, dass ich morgen eine dicke Erkältung haben würde.

Die plumpen Tropfen gaben mir das Gefühl, alleine zu sein, sie schirmten mich ab von der Welt, und wuschen sämtliche Gedanken einfach aus meinem Körper.

Auch, wenn sich Menschen an mir vorbei drängten, allesamt mit Schirmen und langsam eilend und laut flüsternd, fühlte ich mich so einsam wie nie zuvor in meinem Leben.

Jeder sperrte die Welt aus, ließ den Regen abperlen, die Gesichter wie graue Masken vorbeigleiten, ohne auch nur darüber nachzudenken.

Ich hatte meinen Schirm vergessen, vergessen, wie es funktionierte, alles auszusperren, und mit dem Regen stürzten Eindrücke auf mich ein, die ich nicht verarbeiten konnte.

Als ich schließlich in das Zimmer stolperte, war ich müde und durchnässt, in Salzwasser und Schmutz gebadet, und wollte einfach nur schlafen, weit weg von allem.

Stattdessen zerrte ich meinen Koffer auf das Bett und packte die Dinge ein, die ich im Laufe der Tage ausgepackt hatte.

Keine halbe Stunde später verließ ich den Raum wieder, ohne einen Blick zurückzuwerfen.

paparazziWo Geschichten leben. Entdecke jetzt