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„Hey. Hey, Süße. Was ist passiert?", flüsterte jemand in mein Ohr.
Ich sah nichts.
Der Regen versperrte meine Sicht.
„Lass uns reingehen, okay?", sagte sie leise.
Lilly.
„Wo zur Hölle warst du?", fragte ich.
In meinem Kopf war ich wütend, schrie sie an, doch alles, was herauskam, war ein heiseres Wispern.
Sie hatte uns nicht einfach verlassen.

„Mami ist wieder da!", weckte mich der Aufruf der Zwillinge aus meiner Trance, als wir die Wohnung betraten.
Ein müdes Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
Die Zwillinge hatten Lilly schon immer als ihre Mutter angesehen.
„Na, ihr?"
Lilly konnte mich nicht halten.
Ich drehte mich schneller um, als ich es für möglich gehalten hätte.
Sämtliche Müdigkeit, die sich soeben wieder in meine Glieder geschlichen hatte, war wie weggewischt.
Vor mir saß meine Mutter auf dem Boden, die Zwillinge im Arm, die übers ganze Gesicht strahlten.
Mir wurde übel.
„Ganz genau", sagte Lilly leise.
Sie stand neben mir und beobachtete unsere Mutter, die nur Augen für die Zwillinge hatte.
„Können wir kurz rausgehen?", fragte sie mich.
Unsere Mutter nickte, als wäre sie die Person gewesen, die Lilly gefragt hatte.
„Klar. Ich passe auf meine zwei Süßen auf", sagte sie mit einem breiten, roten Lächeln.
Ich konnte beinahe spüren, wie Lilly einen Würgereiz unterdrücken musste.
Mir ging es nicht anders.
Kaum war die Tür hinter uns ins Schloss gefallen, stöhnte sie auf.
Ich nahm sie an der Hand und ging neben ihr zur Themse, einfach ans Ufer, nicht mal in einen der Parks.
Nur weg von Mama.
„Was ist passiert?", fragte ich, nachdem wir einige Minuten auf die braune Suppe gestarrt hatten.
Lilly schwang sich auf die Mauer, die uns von der Themse trennte, und schüttelte den Kopf.
„Du hast echt Glück, dass du gestern Abend noch weg warst. Sie hat gegen zehn geklingelt und wollte unbedingt die Zwillinge sehen. Hat sich gar nicht dafür interessiert, dass die beiden schon im Bett waren. Ich konnte sie irgendwie dazu überreden, das auf heute Morgen zu verschieben, aber dann dachte sie irgendwie, dass wir gleich was zusammen unternehmen. War gar nicht amüsiert, als ich ihr gesagt habe, dass du nicht da warst. Aber dann hat sie sich mit mir begnügt."
Ja.
Genau so war sie.
Tauchte auf.
Nahm an, dass unser ganzes Leben darauf ausgerichtet war, auf sie zu warten.
Dinge mit ihr zu unternehmen, wenn sie dann doch mal auftauchte.
„Wir waren in irgendeinem verdammt teuren Restaurant", sagte Lilly.
Ich zog die Augenbrauen hoch.
„Seit wann kann sie sich denn so was leisten?"
Lilly zuckte mit den Schultern und sprang wieder von der Mauer.
„Ich habe keine Ahnung. Und ich will es ehrlich gesagt auch gar nicht wissen. Bestimmt Prostitution oder so. Hast du ihren Lippenstift gesehen?"
Ich lachte trocken.
Das knallige Rot lenkte fast von ihren Smokey Eyes ab.
Und von ihren Augenbrauen, die aussahen, als hätte sie jemand abrasiert und mit einem Fineliner nachgezogen.
Sie hatte sich immer verändert, während sie weg war, doch so hatte selbst ich sie noch nie gesehen.
„Gehen wir zurück? Ich will die Zwillinge auf gar keinen Fall so lange mit ihr alleine lassen", sagte ich.
Lilly nickte.
„Wir hätten gar nicht erst gehen sollen. Wirklich. Du hättest sie heute Nacht hören sollen. Amerika bringt sie noch um."

paparazziWhere stories live. Discover now