Gesucht, gezweifelt, gefunden...

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(Pov. Andy)

„ANDY! Warte!", rief Mikey und ich drehte mich ruckartig in seine Richtung um. „Ich komme mit!", rief er dann und joggte zu mir. „Ich auch", lächelte Jack aufmunternd neben mir und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Wir finden ihn". Dann bemerkte ich auch Brook neben mir. „Ich bleibe doch nicht alleine zuhause! Und außerdem mache ich mir auch ein Bisschen Sorgen um Rye. Ich komme auch mit!" „Danke", flüsterte ich dankbar, dass die drei doch mitkamen. Gemeinsam liefen wir Straße für Straße ab und durchkempten Park für Park. Hinter jedem Busch schauten wir nach und nach jedem abgesuchten Teil wuchs die Angst in mir, dass wir ihn nicht finden würden.

Ich war den Tränen schon sehr nah, als wir in einem weiteren riesigen Park ankamen. Es war stockfinster und Mikey, Brook und Jack hatten bereits ihre Taschenlampen angeschaltet und leuchteten damit den Park ab. „Rye!", rief ich suchend und bevor ich erneut rufen konnte, brach meine Stimme. Mikey nahm mich gerade tröstend in den Arm, als ich plötzlich ein zitterndes Ausatmen hörte. „Pscht!", mahnte ich die anderen Jungs und lauschte angespannt.

Wieder hörte ich das Atmen.

Dieses Mal konnte ich ungefähr eine Richtung abschätzen, wand mich aus Mikey's Armen und rannte los. An Bäumen vorbei, unter Büschen hindurch, immer gefolgt von drei Lichtstrahlen, die versuchten mich einzuholen.

Dann stoppte ich abrupt, als ich einen noch dunkleren Schatten an einem Baum kauern sah. Der Schatten bewegte sich kaum. Und als der Schatten ausatmete wusste ich zu tausend Prozent, dass es Rye war.

Ich lief die letzten Meter zu ihm und kniete mich vor ihn. „Rye?", fragte ich flüsternd und als die Gestalt ihren Kopf hob und ich die dunklen Augen sah, riss ich ihn fast in meine Arme. Er fing an lauter zu schluchzen. Sein ganzer Körper zitterte und bebte. Seine Haut war eiskalt. Sofort zog ich meinen Pullover aus und zog ihn ihm über, auch wenn er etwas zu klein war. Auch Mikey, Brook und Jack standen bereits neben uns und schälten sich so schnell es ging aus ihren Pullis und Jacken, damit ich sie Rye überlegen konnte. Mit zitternden Händen hielt er sich an mir fest und verbarg sein Gesicht an meiner Halsbeuge. Ich strich ihm immer wieder über die nassen Haare und küsste seine kalte Stirn. „Rye wir müssen nach Hause gehen! Es ist viel zu kalt hier draußen", murmelte ich und zog ihn zusammen mit mir hoch. Dabei ließ ich ihn nicht los, denn es fühlte sich so an, als brauche er genau das. Als er stark zusammen zuckte, sah ich ihn erschrocken an. „Was ist?" Wie zu erwarten brachte er kein Wort heraus. „Mikey leuchte mal bitte mit der Taschenlampe zu uns. Ich will sehen, ob er okay ist" Und als der Schwarzhaarige dies tat, erschrak ich noch mehr. Seine Handballen waren blutig und dreckig. Als ich seine Klamotten ein Wenig nach oben schob sah ich, dass das Blut seine Unterarme herunter gelaufen war. Vorsichtig legte ich meine Hände unter seine Handrücken und besah mir die Stellen genauer, bis Mikey plötzlich eine Hand auf meine Schulter legte. „Wir sollten wirklich erstmal zurück gehen, auch wenn es schlimm aussieht, sonst wird Rye noch krank. Es hat schließlich ziemlich heftig geregnet Andy. Er ist komplett nass".

Bevor wir uns auf den Heimweg machten, schlossen auch die anderen beiden Jungs uns in eine Gruppenumarmung, was sich unheimlich familiär anfühlte. Dann gingen die drei mit ihren Taschenlampen neben uns her, während ich einen Arm um Rye's Taille geschlungen hatte. Sein Kopf lag immer noch an mir und seine Arme um mich herum. Der Weg war verdammt lang und Rye hörte gar nicht mehr auf zu zittern. Selbst als wir erst im Hausflur, dann in unserem Flur und anschließend in unserem warmen Zimmer standen, bebte sein ganzer Körper vor Kälte. Seine Lippen waren blau, sodass ich versuchte, sie durch kurze Küsse aufzuwärmen, was ihm tatsächlich ein kleines Schmunzeln entlockte, ihn aber nicht wärmte. Ich griff mir ein Langarmshirt, ein T-Shirt und einen seiner Pullover vom Bett. Nachdem ich ihm seine Jacke geöffnet und ausgezogen hatte, was ihn nur noch mehr zum Klappern brachte und ich ihn mit lieben Worten beruhigen musste, streifte ich ihm diese eines nach dem anderen über. Anschließend half ich ihm aus seinen Schuhen und brachte ihn zum Bett. Er setzte sich auf die Bettkante, wodurch ich mich vor ihn knien konnte und seine Hände mit den Ballen nach oben drehte. „Warte kurz hier, ich bin gleich wieder da", flüsterte ich und verschwand ins größere Bad, nachdem ich ihm noch einen Kuss auf die Wange gestreift hatte. Einen Augenblick später kam ich mit Desinfektionsspray, Pflastern, Verbänden, einer Schüssel warmem Wasser und einem Handtuch zurück. Er sah mich interessiert mit halb geöffneten, roten Augen an, in welchen sich Müdigkeit und Erschöpfung widerspiegelten. Seine Lider waren angeschwollen und sein Gesicht dreckig von Blut, Erde und Tränen. Wieder kniete ich mich vor ihn. „Zeig mir deine Hände", forderte ich ihn leise auf und er gehorchte. Dann tauchte ich sie in die Schüssel mit dem Wasser und wusch die Wunden sauber. Als ich danach das Desinfektionsmittel aufsprühte, zuckte Rye zusammen. „Ich weiß das es brennt, aber ich muss das machen, sonst entzündet sich das und dadurch wird alles nur noch schlimmer", versuchte ich ihn zu beruhigen. Anschließend verband ich seine Handballen und strich ihm kurz über die Wange. „Siehst du? Ist schon vorbei", lobte ich, doch er schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf. „Was meinst du?"

Erst als er mit seinen verbundenen Händen nach unten deutete, nahm ich seine aufgerissene Hose an den Knien wahr. Diese Stellen sahen noch viel schlimmer aus als seine Handballen.

Die Haut war tief aufgeschnitten, blutig und voller Erde und Steinchen. Der zerschlissene Stoff hing ebenfalls in den bereits verkrusteten Stellen. Man musste kein Arzt sein, um zu sehen, dass das erstens sehr schmerzhaft sein musste und zweitens ein richtiger Akt werden könnte, die Wunde sauber zu bekommen. „Ich sehe wie müde und fertig du bist, aber ich muss das auch noch reinigen. Und ich bitte dich, mich nicht zu hassen wenn es weh tut". „Okay", hauchte er mit bebender Stimme. Ich half ihm aufzustehen, dann half er mir dabei seine Hose auszuziehen. Als ich den Stoff aus der Wunde zog spürte ich, wie sein Körper sich versteifte. Wieder ging ich kurz ins Bad und holte eine Pinzette, frisches, warmes Wasser und noch mehr Verbandszeug. Ebenfalls wusch und desinfizierte ich meine Hände. Wieder bei meinem Freund wusch ich die tiefen Wunden mit dem Wasser ab. „Jetzt könnte es etwas weh tun", warnte ich und hatte so ein dermaßen schlechtes Gewissen, dass ich ihm solche Schmerzen zufügen musste, als ich Steinchen für Steinchen mit der Pinzette entfernte. Seine Lippen waren zusammengepresst und in seinen zusammengekniffenen Augen schimmerten Tränen.

Wieder desinfizierte ich alles und verband ihm beide Knie. Anschließend holte ich eine Jogginghose und half ihm diese anzuziehen. Ganz behutsam half ich ihm sich hinzulegen und deckte ihn sanft zu.

Gerade als ich mich kurz umdrehen wollte, griffen seine eiskalten Finger nach meinem Arm, woraufhin ich zusammenzuckte. „Andy", hauchte er und sah von mir zu seinem Körper.

Ich verstand.

Und somit lag ich nur einen kurzen Augenblick später mit meiner eigenen Bettdecke eng neben meinem zitternden Freund, welcher zwar unter seiner Decke lag, aber dennoch meine Hand hielt. Unsere Finger waren ineinander verschlungen. „Andy", bebte seine wunderschöne Stimme erneut, dieses Mal bettelnder an meinem Ohr. Ich antwortete, indem ich meine Arme um ihn legte und ihn mit einem sanften Ruck auf mich zog. Sofort presste ich meine Hände gegen seinen Rücken und drückte ihn noch näher an mich. Auch wenn sein gesamter Körper eine Kälte ausstrahlte, wurde mir heiß und ich gab mir größte Mühe mit meiner Hitze so viel wie möglich von ihm zu berühren, um ihn zu wärmen. Meine Beine lagen so unter seinen, dass seine Knie weder etwas von mir, noch die Matratze berührten. „Danke Andy", murmelte seine schwache Stimme, bevor sein Kopf auf meiner Brust leicht zur Seite kippte. Erst erschrak ich, doch als er langsam und ruhige anfing zu atmen, atmete auch ich erleichtert auf.

Während der ganzen Nacht wachte ich immer wieder durch Rye's Tränen auf, welche immer und immer wieder auf meine Brust tropften und mein Shirt durchnässten. Jedes Mal schüttelte es ihn und ich rieb meine freie Hand beruhigend über seinen Rücken. Mit der anderen drückte ich seine leicht, da diese noch immer mit verschränkten Fingern ineinander lagen.

Am Morgen waren wir früh wach. Ich war schon lange nicht wieder eingeschlafen, als der Braunhaarige die Augen öffnete. Diese waren erschreckenderweise noch roter geworden. Seine Lider waren so angeschwollen, dass es aussah, als kneife er die Augen zusammen. Ich strich ihm durch die zerzausten Haare. „Guten Morgen Süßer, wie geht es dir?" flüsterte ich, um die angenehme Stille nicht zu durchbrechen. „Scheiße", krächzte er, woraufhin ich schmunzeln musste. Erst blieben wir liegen, doch irgendwann rollte er sich von mir und machte klägliche Anstalten auszustehen. Mit einem Satz war ich aus dem Bett, stand vor ihm und hob ihn aus dem Bett. „Ich sitze doch nicht im Rollstuhl", protestierte er, doch ich schüttelte nur leise lachend den Kopf und half ihm weiter. Als er wieder aus dem Bad kam und sich vor seinen großen Spiegel stellte, erlosch sein erschöpftes Lächeln. Als ich mich neben ihn stellte und ihn durch den Spiegel hindurch musterte, schloss er die Augen. „Sieh mich nicht an, ich sehe furchtbar aus". Seine Stimme klang matt, müde und schon wieder traurig, bis ich etwas erwiderte, was ihn zumindest ein Wenig aufmunterte. „Für mich bist du immer noch der schönste Mensch der Welt", raunte ich ihm ins Ohr...

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So. Das letzte Kapitel für heute Abend. Wie denkt ihr könnte es weitergehen? (Ich habe zwar einen Plan, mich würde es aber trotzdem interessieren) Eine gute Nacht wünsche ich,

Eure Lisa

Ich will...Where stories live. Discover now