Kapitel 40

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Ich dachte eigentlich, dass ich ein Fan von Montagen wäre, seit ich Ally kannte. Sie hatte den Beginn jeder neuen Woche zu etwas Schönem, Aufregendem gemacht und sogar die monotone Arbeit bei Nice Ice in eine Zeit verwandelt, die ich irgendwie brauchte.

Doch bereits am übernächsten Montag, dem fünfundzwanzigsten September, begann ich einen Hass gegen Montage zu entwickeln, der den Groll aller Donald Trump-Hasser der Welt übertraf.

Ally und ich sprachen weder über Mason, noch über ihre Eltern oder über unsere anderen Sorgen. Ich konnte auch mit niemandem sonst darüber reden – obwohl Mike mein seltsames Verhalten aufgefallen war und er versucht hatte, einenGrund aus mir herauszuquetschen. Wenn ich erst einmal damit anfangen würde, mir alles von der Seele zu reden, würde ich mich nur immer mehr hineinsteigern und vermutlich den Verstand verlieren.

Im Laufe der letzten Woche hatten wir also so getan, als wäre nichts geschehen, auch wenn wir beide im Gesicht des anderen ablesen konnten, dass das Chaos zwischen uns im Raum verharrte. Rückblickend erinnerte mich das Ganze daran, wenn man Geschirr fallen lässt und die Welt plötzlich – nur für einen klitzekleinen Augenblick – aus den Fugen gerät. Die Zeit steht still und die Teller schweben in der Luft. Du weißt genau, dass sie bei deinem nächsten Atemzug bereits mit einem lauten Krach am Boden zerschellt sind und würdest am liebsten in dieser kurzen Universumspause steckenbleiben.

Das taten Ally und ich also gerade. Wir bewegten uns nicht vom Fleck, aus Angst, dass alles zu Bruch gehen würde. Wie in Watte gepackte Zombies wanderten wir in unserer Universumspause umher, immer darauf bedacht, bloß nichts Falsches zu sagen.

Doch heute wollte ich das ändern. Ich wollte aus dieser Grauzone ausbrechen und endlich wieder atmen. Mit Ally gemeinsam. Ich hatte sie seit zwei Tagen nicht gesehen, doch vorhin hatte ich ihr eine SMS geschrieben, dass ich sie um neunzehn Uhr abholen würde und ich eine Überraschung für sie hatte. Es war vermutlich zu kitschig, aber ich hatte mit meiner Tante Ina gesprochen und die Erlaubnis bekommen, ihre Dachterrasse für einen Abend zu belagern. Dort oben, wohin ich Ally vor vier Monaten schon mal entführt hatte, würden wir endlich reden. Ich würde ruhig bleiben, aber entschlossen. Ich würde Ally keine Vorwürfe machen und sie würde mir vollständig vertrauen. Sich mir anvertrauen.

In Gedanken hatte ich unser Gespräch in zahlreichen Varianten durchgespielt – ich war also so vorbereitet, wie ich es nur sein konnte. Aber so nervös, dass ich mir fast in die Hosen schiss.

Achtzehn Uhr achtundfünfzig. Klopf klopf – das galt für die Tür, aber auch für meinen Herzschlag. Okay, zugegeben: Herzen schlagen nicht so wie ein Türklopfen klingt. Der Rhythmus, in dem das Blut in diesem Moment durch meinen Körper gepumpt wurde, war außerdem viel schneller.

„Hey, Hunter", sie lächelte mich an, doch es erreichte ihre Augen nicht. Sie war blass und müde. Außerdem nicht angezogen – also nicht richtig. Sie trug ein graues, weites T-Shirt und so eine schwarze, enganliegende Stoffhose, von der ich wusste, dass sie sie oft zum Schlafen anhatte.

„Ist alles okay?", fragte ich fast verzweifelt.

Da stand ich also und trug einen Anzug von Mike, den er für die Hochzeit eines Cousins vor ein paar Monaten gekauft hatte. Alles sollte anders werden. Gut. Aber dann hörte ich sie die verhängnisvollen Worte sagen: „Komm erst mal rein. Ich denke, wir sollten reden."

Ich schluckte die Enttäuschung hinunter und tat erst mal brav, worum sie mich bat. Kaum schritt ich durch die Tür, verlor ich den Bezug zur Realität und war wieder bloß ein betäubter, abgestumpfter Zombie.

„Hör mir bitte zu... ich... ich will nur... Ich bin so überfordert, Ben." Ich nickte, ohne richtig zu wissen, wieso ich es tat. Alles, was mein Kopf zu sagen hatte war Scheiße und ich ermahnte mich dazu, das vorerst für mich zu behalten. „Das ist wahrscheinlich das Letzte, worüber du reden willst, aber ich hab Mason wieder getroffen." Sie machte eine Pause, um meine Reaktion zu beobachten. Ich atmete. „Er hat mir erzählt, dass er wieder nach Frankreich gehen wird. In zwei Wochen schon."

Pistazieneis zum FrühstückHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin