Kapitel 26

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Was wir fast vergessen hatten, tauchte blitzartig wieder in Allys Kopf auf. Sie sprang mitten im Gespräch von ihrem Stuhl auf und ich konnte das seltsame Gefühl des Triumphs nicht unterdrücken.

„Es ist wirklich unglaublich schön, an der Seine entlang zu spazieren..." Mason erzählte gerade von Frankreich.

Aber Ally konnte nicht so interessiert an seinen Worten sein, wenn ihre Gedanken zu meinem Geschenk wanderten, das noch immer in dem roten Papier eingehüllt war und in ihrem Bettchen schlief – falls man es so ausdrücken konnte. Sie nahm das Päckchen nun in die Hand und sah mich schuldbewusst an, während Mason ein wenig irritiert weitersprach. Irgendwas über ein besonders tolles Museum, das jeder von uns mal besichtigen sollte, falls wir nach Paris kamen – aber ich hörte ihm nicht zu. Liz schenkte ihm ohnehin mehr Aufmerksamkeit als alle Studenten meines Semesters zusammen ihren Vorlesungen und musterte ihn eindringlich. Das musste reichen.

„Sehen wir mal, womit du dich diesmal bei mir einschleimen willst", murmelte Ally leise mit einem neckischen Blick. „Ich hoffe nur, du hast keine Sonnenblumen in dieses Ding gequetscht. Das wär viel zu schade um die Blumen."

„Keine Sorge. Ich hab nur einen Apfelbaum zusammengefaltet und vorsichtig hineingelegt", antwortete ich sarkastisch.

„Um einen Apfelbaum zu falten, müsstest du Muskeln besitzen, Hunter."

„Um einen Apfelbaum wert zu sein, müsstest du mich besser behandeln, Dyer."

„Um besser behandelt zu werden, müsstest du dich besser benehmen."

„Um mich besser zu benehmen, müsstest du aufhören, mir den Verstand zu rauben." Hatte ich das gerade tatsächlich gesagt?

Mason war verstummt.

Ich hatte es tatsächlich gesagt.

Ally tat so, als wäre nichts, presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und nestelte an dem Klebestreifen, der die Verpackung des Päckchens zusammenhielt. Es war in etwa so groß wie eine DVD-Hülle – oder ein Buch. Ich hoffte insgeheim, dass Ally mit einem x-beliebigen Buch rechnete und sich jetzt schon keine außergewöhnlichen Dinge mehr ausmalte. Vielleicht kam das Geschenk dann ja besser an.

Vorsichtig zog sie den Gegenstand heraus und sah ihn fröhlich an. Ein Notizbuch. Sie wirkte nicht besonders überrascht.

„Mach es auf", wies ich sie an. Meine Stimme klang rau.

„Okay?" Sie war nicht vorsichtig genug und die Karte, die in der ersten, blanken Seite des Notizbuches eingeklemmt war, segelte zu Boden. Ihre Stirn lag in Falten, als sie sich danach bückte und ihre Augen schließlich über den Text wanderten. „Ähm? Was?" Sie schüttelte mit einem Schmunzeln den Kopf.

„Hast du verlernt, zu lesen?" Immer noch rau. Irgendwie fühlte ich mich verlegen. Mason machte mich nervös – von Liz ganz zu schweigen, aber das war ja nichts Neues. „Da steht, dass ich dich zu diesem Schreibworkshop angemeldet habe. Es wird Zeit, dass du Geschichte schreibst. Ich bin mir sicher, du hast eine Menge zu erzählen."

„Du bist ein Idiot, Hunter." Die Last fiel von mir ab. Ich wusste, sie gehörte zu mir. Auch wenn ihre Worte eine Beleidigung waren, sprach ihr Inhalt eine ganz andere Sprache. „Was soll ich denn schon groß schreiben?"

Ich zuckte mit den Schultern und grinste sie schelmisch an. „Was du willst. Ich verlange ja nicht, dass dein Erstling sofort ein Bestseller wird, – obwohl ich es dir zutrauen würde – aber selbst wenn du Schrott schreibst, werde ich ihn mit Vergnügen lesen... und dich im Nachhinein damit verarschen." Mike hatte definitiv was gut bei mir. Er war nun mal eine Ideenbestie, wenn es darauf ankam.

Pistazieneis zum FrühstückWhere stories live. Discover now