Kapitel 5

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„Was denkst du? Hab ich den Psychopathen-Test bestanden?", fragte ich nach einer Weile, als ich Ally auch einiges über mich selbst erzählt hatte.

Wir saßen seit einer gefühlten Ewigkeit in dem Café und unterhielten uns. Dass Mike und Liz schon längst wieder da sein sollten, war mir zwar bewusst, aber ehrlich gesagt störte es mich kein bisschen.

„Hm... lass mich nochmal einen Blick in die Akte werfen. Benjamin Hunter. 20 Jahre alt, studiert Fotografie, arbeitet als Eisverkäufer. Diagnose: Der Patient hat eindeutig Züge eines Verrückten, kann einem Psychopathen aber nicht das Wasser reichen." Ihr Grinsen machte mich unheimlich glücklich. Mit diesem Gesichtsausdruck hätte sie mir auch ein Messer in den Bauch rammen können und ich hätte es genossen.

„Jetzt verletzt du aber meine Gefühle... Ich dachte, du magst mich." Es war vermutlich gefährlich, so was zu sagen, aber in dem Moment fühlte sich alles so leicht an, dass ich sprach, ohne meine Worte großartig zu überdenken.

„Dir muss doch klar sein, dass ich nicht hierhergekommen wäre, wenn ich dich nicht auf irgendeine Art sympathisch finden würde", sagte sie vage.

Ich nahm einen kleinen Schluck von meinem Wasser. „Glasklar", meinte ich, als ich das Glas wieder am Tisch abstellte.

„Auf irgendeine Art, die ich mir selbst nicht ganz erklären kann." Sie lächelte mich neckisch an. Abwartend. Gespannt, was ich wohl erwidern würde.

„Nun... Ich hab durchaus so meine Qualitäten."

„An deinem Humor kann es schwer liegen - und an deiner Bescheidenheit auch nicht."

In Filmen oder Serien kommt doch häufig vor, dass die Hauptperson in einer Endlosschleife feststeckt und denselben Tag wieder und wieder und wieder erlebt. Was mich anging, hätte ich diesen Tag - diese Stunden - wirklich gerne nochmal gehabt. Man kann eine Person eben nur einmal kennenlernen. Es gibt kein zurück. Und auch, wenn ich mir in den letzten Wochen ein paarmal gewünscht hatte, all das aus meinen Erinnerungen zu löschen, war ich doch froh, dass ich Ally an diesem Tag getroffen hatte. Es war eine schöne Erinnerung. Eine, die ich mir viel zu gerne und viel zu oft durch den Kopf gehen ließ.

-

Das war einer der Gründe, wieso Ben Nicky nicht jedes Detail erzählte. Er verlor kaum ein Wort darüber, wie Ally ausgesehen hatte - denn ihr Bild wollte er ganz für sich. Er behielt die Dinge, die er am liebsten mochte. War nicht bereit, sie loszulassen.

„Du ziehst mich irgendwie runter", meinte Nicky nun.

„Hä?", fragte Ben - äußerst intelligent. Aber es war ihm gleichgültig, wie er sich ausdrückte. Fast.

„Naja, der Gedanke, dass das mit euch nicht geklappt hat, macht mich traurig. Es bestätigt nur meine Theorie, dass ‚Wahre Liebe' und der ganze Blödsinn eh nicht existiert."

Er runzelte die Stirn, verwundert über ihre Äußerung. „Sie existiert."

„Ach ja? Wo ist sie dann? Alles endet irgendwann. Es wäre zwar schön, vom Gegenteil überzeugt zu werden, aber ich rechne nicht damit, dass das jemals passieren wird. Liebe ist nur der Schrei nach Aufmerksamkeit und der Wunsch, in den Augen von irgendjemandem als perfekt zu gelten." Das bereits erwartete Schulterzucken blieb diesmal aus, sie schüttelte jedoch den Kopf. „Wir bilden uns ein, dass wir durch eine andere Person glücklich werden, aber das funktioniert nicht. Und bis wir einsehen, dass wir das gar nicht nötig haben, reden wir uns ein, dass wir die Person wirklich lieben, auch wenn wir es gar nicht tun."

So ganz verstand er ihre Worte nicht, aber dem, was er verstanden hatte, stimmte er nicht zu.

„Und ich dachte, ich wäre verkorkst...", sagte er. „Was hast du denn durchgemacht, dass du jetzt so eine Einstellung hast?"

Pistazieneis zum FrühstückWhere stories live. Discover now